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Zeitzeuge berichtet von DDR

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Von: Redaktion

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Wölfersheim (pm). Der Freundeskreis Burg und Stadt Münzenberg, die Stadt und die Singbergschule Wölfersheim haben am vergangenen Freitag in zwei Veranstaltungen dem 30. Jahrestag des Mauerfalls gedacht: Am Morgen in Wölfersheim und am Abend in Münzenberg. Dafür hatten die Veranstalter Thomas Raufeisen eingeladen, der aus seinem Buch »Ich wurde in die DDR entführt. Von meinem Vater. Er war Spion« erzählte. Nach der Begrüßung durch Schüler des Leistungskurses Geschichte und einem Grußwort von Stephanie Becker-Bösch, ließ Thomas Raufeisen Teile seines Lebens Revue passieren.

Drei Jahre in Haft

Am 22. Januar 1979 fiel das Leben des 16-Jährigen wie ein Kartenhaus zusammen. Auf einer überstürzten Flucht aus Hannover in die DDR erfuhr er von seinem Vater, dass dieser seit 22 Jahren als Stasi-Spion in der Bundesrepublik eingesetzt war. Während sein Bruder Michael sich weigerte, die DDR-Staatsbürgerschaft zu beantragen und in den Westen ausreiste, musste Thomas bei seinen Eltern in der DDR bleiben. Die Familie war mit dem Leben in der DDR bald unzufrieden und begann, ihre Flucht zu planen.

Als sie im September 1981 nach Ungarn fahren wollten, wurde Thomas in Gewahrsam genommen und zur Vernehmung in die Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit nach Berlin gebracht. Die Eltern, bei einem Fluchtversuch am selben Abend auf der Autobahn verhaftet, wurden ebenfalls dorthin transportiert und am nächsten Tag zusammen mit ihrem Sohn in das Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen gebracht. Mehr als ein Jahr später wurde Thomas Raufeisen wegen »ungesetzlichen Grenzübertritts« und »landesverräterischer Agententätigkeit« zu drei Jahren Haft verurteilt. Nach seiner Freilassung im September 1984 wurde ihm die Ausreise in die Bundesrepublik genehmigt. Sein Vater wurde 1982 zu lebenslänglicher Haft verurteilt, seine Mutter zu sieben Jahren.

Raufeisen ergänzte seinen Bericht mit Fotos und Dokumenten. Das Beeindruckendste war das Urteil des Gerichts, das schon vor der eigentlichen Verhandlung feststand und vom Stasi-Chef mit »einverstanden« genehmigt worden war.

Bei beiden Veranstaltungen wurde Raufeisens Bericht durch zahlreiche Fragen der Zuhörer ergänzt, die großes Interesse an diesem Thema zeigten. Allen wurde klar, dass es sehr wichtig ist, an Diktaturen zu erinnern, um den Wert von Demokratien zu erkennen. Die Veranstaltungen wurden im Rahmen des Bundesprogramms »Demokratie leben« und des Landesprogramms »Hessen aktiv für Demokratie und gegen Extremismus« gefördert, die beide durch den Wetteraukreis begleitet werden. Ebenso beteiligt war die Organisation »BUNTerLEBEN - gemeinsam für Vielfalt und Respekt«, ein interkommunaler Zusammenschluss der Kommunen Echzell, Florstadt, Reichelsheim und Wölfersheim, die gemeinsam die Partnerschaft für Demokratie der Mittleren Wetterau darstellen.

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