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Als der Krieg zu Ende war

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Von: Sabrina Dämon

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Marga Wolf erzählt in ihrem Text über die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg - als die amerikanischen Panzer durch die Gemeinde rollten, es eine Ausgangssperre gab und als eine Familie in ihrem Elternhaus unterkam. © Sabrina Dämon

Vier Wölfersheimer haben ihre Erinnerungen von der Zeit nach dem Krieg aufgeschrieben. Marga Wolf aus Wohnbach erzählt von der Zeit, als die ersten Heimatvertriebenen gekommen sind.

Als sich im März 1945 die amerikanischen Panzer mit großem Krach und Getöse durch die Straßen der Wetterau quälten, mussten sich auch die letzten Fanatiker eingestehen, dass der Krieg für Deutschland verloren war. Die letzten Tage vor dem Einzug der Amerikaner waren schrecklich für die Dorfbevölkerung, ständig heulten die Sirenen, feindliche Flugverbände überflogen unsere Region, und die Angst vor Bombenabwürfen war immer zugegen, zumal Wölfersheim durch die damalige Hefrag auch stets im Fokus lag. Also hat man die meiste Zeit im Luftschutzkeller oder im Bunker verbracht, den die in der Heimat verbliebenden Männer im Felsen hinter dem Tiefen Graben ausgepickelt hatten, denn es sollte ein besonderer Schutz sein. In den Wäldern um die Dörfer hatten sich deutsche Soldaten zusammengezogen und versteckt, weshalb Tiefflieger ständig kreisten und alles beschossen, was in Bewegung war. Auch das machte uns allen große Angst. Es war eine schreckliche Zeit.

Mit dem Einzug der Amerikaner aber glaubten wir, nun, da der Krieg vorbei sei, werde es wieder wie vorher. Aber es kamen andere Unannehmlichkeiten. Häuser mussten geräumt werden, um die Besatzer zu beherbergen. Es wurde eine Ausgangssperre von abends 20 Uhr bis 5 Uhr früh verhängt. Nachdem dieses Kapitel abgeschlossen war, folgte ein neues Nachkriegsereignis. Die deutsche Bevölkerung im Osten musste ihre Heimat nur mit den nötigsten Utensilien verlassen und floh mit Pferdewagen, alten ausrangierten Lastern, Handwagen oder viele zu Fuß gen Westen. Dort wurden sie in Sammellagern erfasst und in die nächstgelegene Region verteilt. Die von den Amerikanern eingesetzten Bürgermeister der Dörfer mussten Männer beauftragen, die durch die Häuser gingen und Zimmer für die Flüchtlinge beschlagnahmten.

So rollte eines Tages auch ein Transport aus Schlesien in meine Heimatgemeinde Wölfersheim. In meinem Elternhaus waren zwei Zimmer beschlagnahmt worden, uns wurden vier Personen zugeteilt. Eine junge Frau, Mitte 20, zwei Mädchen, acht und fünf Jahre alt, mit ihrer Anfang 70 Jahre alten Oma. Sie wurden von meinen Eltern mit dem Nötigsten versorgt, mit Betten, Stühlen, Tisch und vor allem Essen. Richtig tragisch aber war, dass die junge Frau nicht die Mutter der Kinder war, sondern die Tante. In dem Durcheinander der Flucht waren sie getrennt worden und hatten sich verloren. Das Rote Kreuz war nach dem Verschwinden der Mutter gleich eingeschaltet worden, und siehe da, nach einigen Wochen wurde die Mutter gefunden, und die Kinder wurden ihrer Mutter zugeführt.

Die junge Frau hat sich bei meinen Eltern in der Landwirtschaft nützlich gemacht, sie war sehr nett, freundlich und hilfsbereit. Wir hatten ein gutes Verhältnis miteinander.

In unserer Nachbarschaft war ein junger Mann nach Frankfurt-Schwanheim verheiratet. Dessen Frau hatte einen unverheirateten Bruder, und beide Männer kamen öfter nach Wölfersheim zu den Verwandten zum »Hamstern«. Es war ja die Zeit, in der Essbares Mangelware war. Bis 1948 die Währungsreform kam, waren es Nachkriegshungerjahre. Früher wurde ja Nachbarschaft noch anders gepflegt als heute, da wusste man noch, wenn Besuch gekommen war, man begrüßte sich und hielt ein Schwätzchen.

So wurde auch unsere »Flüchtlingshilde« mit den Menschen in der neuen Heimat bekannt. Und siehe da, auf einmal war der Funke übergesprungen und der junge Mann und unsere Hilde waren sich nähergekommen. So hat alles ein gutes Ende genommen, die beiden haben geheiratet, Hilde und ihre Mutter sind nach Frankfurt-Schwanheim gezogen in das große Haus ihres Mannes. Sie ist glücklich geworden und hat zwei tolle Töchter bekommen.

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