Seit Corona: Umweltsünder in der Wetterau werfen mehr Verpackungsmüll in die Natur

Im Corona-Lockdown haben sich in der Wetterau mehr Menschen im Freien getroffen – auch mit Essen „to go“. Der Verpackungsmüll bleibt dabei immer öfter in Natur zurück.
Wetteraukreis – Schon nach wenigen Schritten hinter der Absperrung im Hochwald liegen blaue Einweghandschuhe, Plastikdeckel, Verpackungsfolien, OP-Masken im Laub. Spaziergänger schütteln den Kopf: Warum wird das hier liegen gelassen? Der Weg zu den Waldteichen mit Ann Neudek und Steven Müller vom BUND Bad Nauheim/Friedberg ist aufschlussreich. Müller joggt mal hier, mal am Flugplatz oder an der Skiwiese in Bad Nauheim und sieht fast täglich das Gleiche: An den Wohlfühlorten sammeln sich seit Beginn der Pandemie Müllberge. Zwischendurch drehen die Aufräumer der Stadt ihre Runden.
Umweltschützer in der Wetterau wollen über Verpackungsmüll aufklären
»Wo kein Müll liegt, ist die Hemmschwelle höher, welchen hinzuwerfen«, sagt Neudek und gibt zu bedenken: »Würden die Menschen ihr Picknick hier veranstalten, wenn der alte Müll noch läge?« »Warum ist es so schwer, die Verpackungen wieder mitzunehmen, erst recht, wenn man sich mit Autos trifft?«, fragt sich Müller und hat eine Gruppe älterer Jugendlicher vom Flugplatz im Blick.
Die Naturschützer zeigen Verständnis für die Situation, die Treffen im Freien notwendig macht, und auch für diejenigen, die keine guten Vorbilder haben. Ihnen ist bewusst, dass sie Jugendliche nur auf ihren Kommunikationskanälen erreichen: »Am besten mit Impulsen aus ihrer eigenen Community«, glaubt Müller, der Lehrer ist. »Wenn einer sagt, komm wir nehmen das mit, dann folgt langsam auch bei den anderen das Verantwortungsbewusstsein.« Social-Media-Kampagnen oder Schulaktionen können ebenfalls etwas bewirken. »Irgendwann wird dann die Verhaltensänderung zur Routine«, bestätigt Neudek.
Zigarettenfilter in der Natur sind ein großes Problem in der Wetterau
An einer besonders idyllischen und ausnahmsweise noch nicht vermüllten Stelle - im Umkreis von 20 Metern befinden sich Mülleimer - macht eine Männergruppe Rast. Die Bierflaschen landen im Abfalleimer, nicht eine einzige Zigartettenkippe liegt herum. »Die Filter von Zigaretten sind ein großes Problem für die Natur, inzwischen auch die Masken«, erklärt Neudek. »Selbst Bananenschalen soll man nicht wegwerfen, denn es gibt bei uns keine Mikroorganismen, die diese Schalen abbauen können.«
Auch das vielleicht nur aus der Tasche gerutschte, besonders niesfeste Papiertaschentuch zersetzt sich, gerade deswegen, besonders schlecht. Was aus Versehen wegfliege oder einfach verloren werde, sei ein ganz geringer Prozentsatz, wissen die Naturschützer. Mit Abstand am schlimmsten seien Dosen und Plastikteile, denn deren Weichmacher dringen in den Boden ein. An einem Plastikdeckel, der mal auf einem Kaffeebecher saß, sieht man Risse, erste Zeichen eines endlos langen, für Boden und Tiere schädlichen Zersetzungsprozesses. Beim Nestbau sammeln die Singvögel mit Zweigen oft leichte Folienreste. Die Folge: Die Jungen hocken nach Regen im Nassen.
Neuer Trend gegen den Verpackungsmüll in der Wetterau
»Durch das Verbot von Plastiktüten haben wir es geschafft, überall eine eigene Stofftasche parat zu haben. Der Tassenpfand auf dem Weihnachtsmarkt funktioniert, bei den meisten auch der Hundekotbeutel. Wir lassen Lebensmittel in mitgebrachte Behälter verpacken, die Kinder nehmen ihre eigene Trinkflasche mit in die Schule. Leider geht bei uns vieles nur über den Geldbeutel. Doch es müsste das Bewusstsein wachsen, dass wir in einem Kreislauf leben«, wünscht sich Neudek. Öffentliches Grün gehöre ein Stück weit jedem, und dafür trage auch jeder ein Stück Verantwortung.
Um des Pandemie-Mülls Herr zu werden, bahnt sich übrigens ein neuer Trend an: Beim »Plogging« sammeln Jogger oder Spaziergänger Müllteile am Weg in mitgebrachte Beutel und entsorgen sie: Hier eine Cremetube, dort eine Dose, Pizzakartons, Folien und Flaschen.