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Grundsteuer B jahrelang falsch abgerechnet

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Jürgen Langer hat 2011 in der »Oberwiese« in Rodheim gebaut, zog 2012 in das Haus ein. Seither zahlte er jährlich seine Grundbesitzabgaben. Jetzt muss er rund 1870 Euro nachzahlen. Der Grund: ein Abrechnungsfehler.
Jürgen Langer hat 2011 in der »Oberwiese« in Rodheim gebaut, zog 2012 in das Haus ein. Seither zahlte er jährlich seine Grundbesitzabgaben. Jetzt muss er rund 1870 Euro nachzahlen. Der Grund: ein Abrechnungsfehler. © Laura Kaufmann

Rosbach-Rodheim (lk). Jürgen Langer lebt seit vier Jahren in seinem Haus im Neubaugebiet »Oberwiese« in Rodheim. Jährlich beglich er seine Grundbesitzabgaben. Nun soll er 1869 Euro nachzahlen.

Fälschlicherweise war ihm in den Vorjahren lediglich der Grundsteuer-B-Satz für ein unbebautes Grundstück in Rechnung gestellt worden. Langer ist verärgert. Und er fragt sich, wer geschlafen hat – die städtische Verwaltung oder das Finanzamt?

Der Grundsteuer-B-Satz in Rosbach lag 2013 bei 300 Prozent, 2014 und 2015 dann bei 400 Prozent, aktuell gilt ein Satz von 453 Prozent. Jürgen Langer hat sich damit nie so recht beschäftigt – bis dem 58-Jährigen eine saftige Rechnung ins Haus flatterte. Langer soll 1869 Euro nachzahlen.

2011 bauten Jürgen Langer und seine Frau ein Zweifamilienhaus in der Rodheimer »Oberwiese«. 2012 zogen die Langers und ihre beiden Kinder ein. Seither kam jährlich der Bescheid über die Grundbesitzabgaben, die Grundsteuer B lag laut dem Schreiben 2013 bei 38,64 Euro, 2014 und 2015 bei 51,52 Euro und stieg 2016 dann weiter auf 58,35 Euro an.

Im Mai dieses Jahres bekam der gebürtige Frankfurter, der seit 1986 in Rosbach lebt, Post vom Finanzamt. »Ich sollte das Haus beschreiben, damit ein Einheitswert festgestellt werden kann.« Dem Schreiben lag ein umfangreicher Fragebogen bei. »Ich habe alles ausgefüllt, bin mit den Unterlagen dann zum Finanzamt nach Friedberg gefahren.« Eine Sachbearbeiterin habe ihm dort mitgeteilt, dass er in den vergangenen vier Jahren lediglich die Grundsteuer für ein unbebautes Grundstück bezahlt habe. »Sie sagte mir, dass ich seit 2013 eigentlich viel mehr hätte zahlen müssen.« Die Frau habe ihm mitgeteilt, die Stadt habe vergessen, dem Finanzamt das ganze Baugebiet zu melden. Die Angestellte habe auf eine Reihe von Ordnern gezeigt und ihm gesagt: »Das muss alles nachberechnet werden.«

Antrag auf Stundung gestellt

Rund fünf Wochen später lag dann tatsächlich der Bescheid von der Stadt über die Nachzahlung in Langers Briefkasten. 1869 Euro – kein Pappenstiel. »Mein erster Gedanke war: Warum merkt die Stadt beim Aufstellen des Haushalts nicht, dass sie ein großes Baugebiet vergessen hat?« Schließlich seien knapp 40 Gebäude in der »Oberwiese« entstanden. »Das Gros der Häuser war 2012 fertig, die Gelder hätten ab 2013 in der Kasse sein können«, sagt Langer, dessen Zweifamilienhaus – in der Wohnung im Obergeschoss wohnt die Tochter als Untermieterin – auf einer Grundstücksfläche von rund 500 Quadratmetern steht.

Der 58-Jährige schrieb eine E-Mail an die Stadt, teilte mit, er wolle die offenen 1869 Euro nicht auf einen Schlag zahlen, »schließlich ist das, was passiert ist, nicht mein Fehler«. Langer bat um Stundung. Die Stadt kam seiner Bitte nach, will dafür allerdings 6 Prozent Zinsen.

Langer hat längst Kontakt zu Manfred Christ aufgenommen, dem Leiter des Fachbereichs Innere Dienste, Kinder und Jugend, Finanzverwaltung, Stadtplanung und Grundstücksverwaltung in Rosbach. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass nicht die Stadt den Fehler gemacht habe, sondern das Finanzamt einfach nicht nachkomme. »Jeder schiebt die Verantwortung ab«, sagt Langer, der als Verkaufsleiter bei einem DAX-Unternehmen arbeitet. »Mir geht es gar nicht darum, dass ich nicht bezahlen will, aber mich ärgert, dass es so lange dauert. Wenn meine Firma so arbeiten würde ...«, sagt er kopfschüttelnd.

Ein weiteres Manko: Die Grundsteuer B wird oft auf Mieter umgelegt. Hätte Jürgen Langer das getan und das Obergeschoss seines Hauses statt an die eigene Tochter an jemand anderen vermietet, hätte es gut passieren können, dass der 58-Jährige auf den Kosten sitzengeblieben wäre. Denn nach vier Jahren ist manch ein Mieter längst wieder ausgezogen und über alle Berge.

Die Stadt oder das Finanzamt – wer hat geschlafen, ist eigentlich in einem solchen Fall in der Verantwortung? Bürgermeister Thomas Alber (parteilos) sagt auf WZ-Anfrage: »Wir sind gar nicht mit im Boot.« Wenn der Bauherr beginne zu bauen, melde er das dem Kreisbauamt, welches das Finanzamt informiere. Die Behörde sende daraufhin einen Fragebogen an den Bauherrn. »Aufgrund des Rücklaufs ans Finanzamt erfolgt dann die Einheitswertfeststellung.« Die Aussage »Die Stadt hat vergessen, ein Baugebiet zu melden« sei schon deshalb falsch, weil die städtische Verwaltung keine Baugebiete melde. Die Grundsteuerbescheide an die Bürger würden automatisiert verschickt, niemand sitze in der Verwaltung und überprüfe jeden einzelnen Posten. Alber hat in Erfahrung gebracht, dass nicht die ganze »Oberwiese« vom Abrechnungsfehler betroffen ist. »Es handelt sich nur um zwei oder drei Fälle.«

Finanzamt: Kommunen in der Pflicht

Das Finanzamt Friedberg, um eine Stellungnahme gebeten, verweist auf die Oberfinanzdirektion. Erst zehn Tage später die schriftliche Antwort: Zum konkreten Fall könne man keine Auskunft erteilen, da man zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet sei. Grundsätzlich seien andere Behörden jedoch gesetzlich verpflichtet, den Finanzämtern alle Umstände mitzuteilen, »die ihnen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bekannt geworden sind und die etwa für die Feststellung von Einheitswerten von Bedeutung sein könnten«. Das gelte insbesondere für die Kommunalbehörden, die den Finanzämtern Mitteilungen zu machen hätten, etwa über genehmigte Bauvorhaben oder deren Fertigstellung.

»In der Praxis funktioniert das so, dass die zuständigen Stellen der kommunalen Bauverwaltung den Finanzämtern quartalsweise, mindestens jedoch halbjährlich, Baumitteilungen in Papierform übersenden«, teilt Karsten Pflock, Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, mit.

Die Finanzverwaltung weise die Kommunalbehörden immer wieder auf ihre gesetzliche Pflicht hin. Pflock: »Die sorgfältige Erfüllung dieser Mitwirkungspflicht sollte im Eigeninteresse der Gemeinden liegen, da sie die Grundsteuer vereinnahmen.«

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