Flüchtlingskinder als Spielpartner unerwünscht
Rosbach-Rodheim v. d. H. (sky). Unter dem Thema »Zuflucht, nicht Heimat« hatte der Rodheimer Geschichts- und Heimatverein kürzlich zu einer Vortragsveranstaltung eingeladen. Referentin war Doris Fischer, einst langjährige Vereinsvorsitzende.
Rosbach-Rodheim v. d. H. (sky). Unter dem Thema »Zuflucht, nicht Heimat« hatte der Rodheimer Geschichts- und Heimatverein kürzlich zu einer Vortragsveranstaltung eingeladen. Referentin war Doris Fischer, einst langjährige Vereinsvorsitzende. »Es ist ein wundervoller Blick in diese Runde«, meinte ihr Nachfolger Karsten Brunk angesichts der über 100 Zuhörer, die sich im Kollegraum des Bürgerhauses eingefunden hatten. So viel Interesse an einem Vortrag habe es selten gegeben.
Bevor die Referentin, eine gebürtige Rodheimerin, auf den schwierigen Neubeginn und die »versuchte Integration« der Evakuierten, Flüchtlinge und Heimatvertriebenen in der Wetterau zu sprechen kam, ging sie sehr ausführlich auf die Historie der deutschen Ostsiedlung ein - beginnend mit der Epoche der Völkerwanderung im 4. bis 6. Jahrhundert - sowie auf die politischen Hintergründe der polnischen Teilungen. Allein das wäre einen eigenen Vortrag wert gewesen.
Anfeindungen der Einheimischen
Auszüge aus Beschreibungen von Flüchtlings-Odysseen führten schließlich auf das Thema hin, das laut Fischer »nicht zu den rühmlichsten der Rodheimer Ortsgeschichte zählt«: die Bereitstellung von Wohnraum für die Hilfesuchenden. »Man musste sich arrangieren und erleben, dass der, der wenig hatte, am ehesten zum Teilen bereits war.« Viele Anfeindungen der Einheimischen, wenn Wohnraum, Haushaltsgeräte oder Textilien an die Mittellosen abgegeben werden sollten, hätten den Bürgermeistern Philipp Schmidt und später Friedrich Schröder Kopfzerbrechen bereitet und das Zusammenleben erschwert. »Auch waren die Flüchtlingskinder in manchen Haushalten als Spielkameraden unerwünscht.« Die Notwendigkeit einer gemeinsamen Küchenbenutzung hätte für viele Rosbacher »eine schier unüberwindliche Hürde« bedeutet. Ursache seien nicht nur die rund 400 Flüchtlinge und Vertriebenen gewesen, deren Zahl bis Ende 1950 auf rund 500 anstieg, sondern auch Evakuierte, zum Beispiel aus Frankfurt.
Viele von ihnen blieben in Rodheim ansässig. »Lange Jahre haben wir allerdings immer nur am Rand gestanden«, erinnerte sich eine Zuhörerin an ihre eigene Nachkriegszeit-Kindheit zurück. Sie gehörte zu den Neubürgern, die Mitte des vorigen Jahrhunderts rund ein Viertel der Rodheimer Gesamtbevölkerung darstellten, und die sich um eine Integration bemühten.
Wie Fischer ausführte, wurde das kommunale Zusammenleben damals durch die Kontrollratsgesetze der Besatzungsmächte geregelt, worüber es im Gemeindearchiv zahlreiche - wenn auch bislang noch nicht ausreichend sortierte - Unterlagen gebe. Inzwischen habe sich die Bevölkerungszahl von Rodheim seit Kriegsende fast verdoppelt - und mit derzeit nahezu 500 ausländischen Mitbürgern eine erneute Herausforderung mit sich gebracht.
»Für mich ist es eine Ironie der Geschichte, dass sich heute darunter ungefähr doppelt so viele Muslime befinden, wie vormals Juden in unserem Dorf lebten«, beendete Fischer ihren Vortrag.