»Formschönes Gebäude«

Rockenberg (pm/dab). In den 1960er Jahren stieg die Einwohnerzahl Oppershofen zusehends, auch durch die Ausweisung eines neuen Baugebiets. Zu den Folgen zählte u. a., dass der seit 1840 genutzte Friedhof in der Södeler Straße nicht mehr ausreichte. Im Oktober 1972 wurde der neue Friedhof am Kapellenberg eingeweiht. Dies nimmt der Kultur- und Geschichtsverein Oppershofen zum Anlass, einen Blick auf die damalige kommunalpolitische Situation der Gemeinde Oppershofen sowie die Entwicklung und Realisierung des erstmals außenliegenden Friedhofs zu werfen.
Ortsansässiger Architekt
Auch ein Blick ins WZ-Archiv ist hilfreich. Dort ist zu lesen, dass bei einer Wettbewerbsausschreibung der Plan des ortsansässigen Architekten Winfried Bell ausgewählt wurde. Bell sei von der Ausnutzung der Hanglage des neuen Friedhofsgeländes ausgegangen und habe an seiner höchsten Stelle mit der Errichtung der Aussegnungs- und Leichenhalle eine Dominante gesetzt.
Eine Entscheidung, die auch aus heutiger Sicht des Kultur- und Geschichtsvereins mit seinem Vorsitzenden Manfred Breitmoser sinnvoll war: »Bell war langjähriges Mitglied in der ›Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal‹ und damit prädestiniert für die Umsetzung ›ländlicher Friedhofanlagen‹.«
In den 1960er Jahren seien in der damals noch selbstständigen Gemeinde Oppershofen mit 1100 Einwohnern viele Investitionen in die technische und soziale Infrastruktur angestoßen worden, erinnert der Verein. Der erste Bebauungsplan sei aufgelegt worden, der große Flächen an der östlichen Södeler Straße bis zum Nordhang des Wingertsbergs umfasste. Es entstanden etwa 160 Baugrundstücke. Laut WZ kaufte die Gemeinde im Jahr 1968 - wegen der fast Vollbelegung des Friedhofs an der Södeler Straße - Grundstücke für eine neue Friedhofsanlage vor der St.-Anna-Kapelle. Die Planung begann ein Jahr später, und Bell erhielt den Auftrag, die Anlage anhand seines Wettbewerbsentwurfs umzusetzen.
Der Planer hatte empfohlen, Grabstätten ohne Einfassungen anzulegen, d. h. mit über der Grabstätte durchgehender Rasenfläche. Auf jeder Grabstätte könne am Kopfende ein Grabmal errichtet und vor dem Grabmal ein Blumenschmuck/Blumenstock aufgestellt werden. »Dieser Vorschlag wurde jedoch von den Gemeindegremien nicht in die Satzung übernommen. Die Zeit war wohl damals noch nicht reif für so eine Beerdigungsform«, sagt Breitmoser.
Gebaut wurde in den Jahren 1971 und 1972, zum größten Teil durch örtliche Handwerker. Die Kosten lagen bei 170 000 DM. Am 29. Oktober 1972 wurde der Friedhof seiner Bestimmung übergeben, am nächsten Tag auch die Aussegnungs- und Leichenhalle - laut WZ-Bericht vom 2. November 1972 ein »formschönes modernes Gebäude«. Unmittelbar nach der Einweihung wurde das erste Grabfeld belegt, und der nunmehr »alte« Friedhof an der Södeler Straße wurde für Beerdigungen geschlossen.
Dank einer Spende wurde in den 1980er Jahren ein Friedhofskreuz errichtet. 1993 wurde festgelegt, dass die Friedhofsanlage rundum mit einem fünf Meter breiten Streifen bepflanzt werden muss. Eine Überplanung des südlichen Friedhofteils ab 2002 sieht im Gegensatz zum ursprünglichen Ansatz eine Belegung in offener Fläche vor. Von 2003 bis 2006 wurde die Aussegnungshalle auf der Ostseite im Stil der vorhandenen Halle nach Bells Entwurf erweitert.
Parkartiger Ausbau
In der Friedhofskultur habe es in den vergangenen 15 Jahren einen starken Umbruch gegeben, stellt der Kultur- und Geschichtsverein fest. So würden z. B. zusätzliche Bestattungs- und Grabformen angeboten. Bei einer Zunahme der Urnenbestattungen in langen Grabreihen sollte dem Eindruck einer reinen »Totenregistratur« entgegengewirkt werden, z. B. durch gestaltete Inselfelder für jeweils 20 bis 25 Urnengrabstätten, ohne Einfassungen der einzelnen Grabstätten. Auch müsse der Friedhof mehr in den Naturschutz einbezogen werden und könnte mit parkartigem Ausbau auch zum Verweilen einladen. Die im B-Plan vorgesehene Anpflanzung könnte hierzu ein erster Schritt sein.

