Im reifen Radfahr-Alter durch die Alpen getourt
Reichelsheim-Beienheim (pm). Mit knapp 70 Jahren hat Heinz Werner Rosenbecker seine Fahrradgeschichte(n) um eine weitere Alpentour erweitert. Wie schon 2009 (Furka-Pass) und 2010 (St. Gotthard-Pass) hatte er sich als Startort wieder den Schweizer Flecken Andermatt im Kanton Uri ausgesucht.
»Tre passi«, Drei-Pässe-Ort, nennt sich das hochalpine Andermatt, und über jenen dritten Pass, den Oberalp-Pass, mit 2045 Metern auch nicht gerade ein Höhenwinzling, sollte er diesmal strampeln. Die Tour hatte der Beienheimer ausgerichtet auf die Quellen des Rheins, hinterm Oberalp-Pass, und des Inn, am Malojapass.
Knapp zwei Stunden quälte Rosenbecker sich über die Serpentinen hinauf zum Oberalp-Pass. Eine Kehre war so steil, dass er schieben musste: »Tribut an 12 Kilo Gepäck hinterm Sattel – und ans Alter«, erzählt er. Grandiose Ausblicke über ungezählte Dreitausender entschädigten für die Strapazen und ließen ihn die haarsträubenden Steilhänge neben der schmalen Straße vergessen. Nur wenig Verkehr beeinträchtigte ihn bei der rasanten Abfahrt in den größten Schweizer Kanton: Graubünden. Zu Fuß suchte Rosenbecker den »Lai da Toma« auf, jenes kleine Gewässer, aus dem der Rhein seine 1320 Flusskilometer beginnt.
Als ersten Etappenort hatte er Ilanz ausgewählt, ein schmuckes Schweizer Städtchen, das sich selbst als »erste Stadt am Rhein« bezeichnet. »Die folgende Etappe fand ich besonders faszinierend, sie führt 15 Kilometer durch die felsige Rheinschlucht«, erinnert sich Rosenbecker. An fast 1000 Metern steil emporragenden Felswänden schlängelt sich der Radweg »Swiss 2« entlang, direkt neben dem giftgrünen, jungen Rhein. Einzig eine kleine Eisenbahn drängt sich dazwischen, kein Weg, keine Straße. Nicht umsonst nenne man die Schlucht das »Swiss Grand Canyon«.
Bis zu Graubündens Hauptort Chur, der ältesten Stadt der Schweiz, führte Rosenbeckers Weg, ehe er einen Bahntransfer zur Innquelle unternahm – über 21 Brücken und durch 52 Tunnels. Spektakulär liegt am Ende das mondäne St. Moritz. »Mir hat es Riesenspaß gemacht, neben all den Schönen und Reichen mit Radlerkleidung und hochbepacktem Drahtesel vorbeizuradeln«, freut sich Rosenbecker.
Nach einem Abstecher zur einzigen Natur-Bobbahn der Welt radelte er vom Maloja-Pass, dem Quellort des Inn, auf der Route »Swiss 65« weiter durchs Unterengadin. Etappenort war Scuol/Schuls mit dem weithin sichtbaren Schloss Tarasp. Als nächstes erreichte der Beienheimer nach dem Grenzort Martina das Tiroler Inntal, wo sich ein Örtchen schöner als das andere zeigt.
Einiges hinter Landeck bog Rosenbecker ins Gurgital ab und erreichte Imst, den Ort, der mit Hermann Gmeiner, dem Begründer der SOS-Kinderdörfer, verbunden ist. »Ich war dort gut im Rollen«, erklärt Rosenbecker, »da kündigte sich noch der Fernpass an.« Die zu überwindenden 400 Höhenmeter seien nicht das Problem, vielmehr der dichte Autoverkehr und die viel zu schmale Fahrstraße. Lermoos war sein nächstes Ziel, wo vor allem die »Österreich-Seite« der Zugspitze Begeisterung bei ihm auslöste.
Auf der letzten Etappe erreichte er Füssen, wo die Königsschlösser, nach 432 alpenländischen Kilometern, auf ihn warteten. Wie viele Höhenmeter er diesmal gestrampelt habe, wisse er nicht genau. Doch der Stolz auf seine Leistung hat damit ohnehin wenig zu tun. (Foto: pv)