Jugendpfleger Jörg Pfaffenroth zieht’s von der Wetterau ans Wasser

Vor 21 Jahren hat Jörg Pfaffenroth die Jugendpflege in Reichelsheim und Florstadt auf professionelle Beine gestellt. Jetzt gehören auch Echzell und Wölfersheim dazu. Nun zieht es ihn in den Norden.
»Wenn die Nordsee ruft, muss ich los«, steht auf dem schwarzen Shirt, das Jörg Pfaffenroth trägt. Der Reichelsheimer fühlt sich wohl in seiner Heimat, aber die Nordsee, das ist sein Sehnsuchtsort. Dort wird er nun künftig leben und arbeiten - als Jugendpfleger. So wie die vergangenen 21 Jahre in der Mittleren Wetterau. Hier hatte Pfaffenroth ein Pilotprojekt mitaufgebaut, das zur Erfolgsgeschichte wurde.
An seinem ersten Arbeitstag war Jörg Pfaffenroth im Historischen Rathaus von Reichelsheim anzutreffen. Das war am 1. Juli 2001. Reichelsheim und Florstadt hatten gerade eine gemeinsame Jugendpflege gegründet. Interkommunale Zusammenarbeit war damals nicht so verbreitet wie heute: Es war ein Pilotprojekt. Freilich gab es auch schon vorher Angebote für Kinder und Jugendliche. Aber keine, die professionell angeleitet waren.
Von der Wetterau ans Wasser: Laptop statt Gitarre
Jörg Pfaffenroth selbst hatte die Jugendpflege erst nach Umwegen zu seiner Profession gemacht. Zunächst hatte er Betriebschlosser bei der PREAG in Wölfersheim gelernt. Nach der Fachoberschule stand der Zivildienst an, den er an der Blindenschule in Friedberg leistete. Nach diesen knapp zwei Jahren stand fest: Statt zurück in die Schlosserei geht’s an die Hochschule, um Sozialpädagogik zu studieren.
Das Handfeste aber, das Geerdete, das blieb Pfaffenroth auch in seinem neuen Beruf erhalten. Und machte ihn zu einem von Chefs wie von Schützlingen geschätzten Ansprechpartner. Wer bei Sozialpädagogen an Gitarre spielende Träumer dachte, musste dieses Klischee spätestens beim Kontakt mit Pfaffenroth verschämt in die Schublade zurückpacken. Das gilt auch für seine Kollegen: War Pfaffenroth die ersten beiden Jahre noch alleine, stand ihm seither Daniela Stelz zur Seite. Nachdem die Jugendpflege 2017 um Echzell und 2018 um Wölfersheim erweitert wurde, gehören heute fünf Jugendpfleger zum Team.
Von der Wetterau ans Wasser: »Medien sind ein wichtiges Thema«
Zu gruppenbildenden Maßnahmen in der Jugendarbeit zählen sicherlich auch musikalische Runden am Lagerfeuer. Pfaffenroths Steckenpferd aber ist die Medienpädagogik, in der er auch einen Weiterbildungsstudiengang abschloss. »Medien sind ein wichtiges Thema«, sagt Pfaffenroth. »Es geht darum, sich nicht nur berieseln zu lassen, sondern die Medien kreativ zu nutzen.«
Wie das geht, zeigte Pfaffenroth mit vielen Beispielen. Lange, bevor jeder den Begriff »Social Media« kannte, erstellte er einen Blog während der Jugendbegegnung in Frankreich - damit die Eltern abends sehen konnten, was ihre Kinder den Tag über erlebt hatten. »Das war eine Telefonrechnung«, erinnert sich Pfaffenroth und lacht. Beim Jugendaustausch in Belgien zeigte er den Teilnehmern, wie ein Podcast gemacht wird, auch Videoprojekte leitete er gerne an, und während der Corona-Lockdowns bot er Online-Fotoworkshops an.
Geschickt verknüpft Pfaffenroth immer wieder moderne Technik mit Lokalgeschichte: Bis heute stehen die Online-Rundgänge »Hans Geis, der Hexer von Reichelsheim?« und »Digitale Stolpersteine« in Florstadt als App zur Verfügung.
Von der Wetterau ans Wasser: Reichelsheim als neuer Urlaubsort
Er selbst wird beim Rundgang durch »sein« Reichelsheim wehmütig. Hier, im Agenda-Raum, hat er früher LAN-Partys organisiert, bei denen die Jugendlichen unter Aufsicht bis nachts zocken durften. Dort, an der Brücke über die Horloff, gab es mal ein Ferienspielangebot, bei dem die Kinder auf Fledermaussuche gehen durften. »Und da hinten«, zeigt er, »ist ein Storchennest samt Nachwuchs.« Weil er möchte, dass die Kinder und Jugendlichen sensibel mit der Umwelt umgehen, hat er sich zum NABU-Naturführer ausbilden lassen. »Wir haben hier eine so schöne Umgebung«, schwärmt er und erzählt von Insektenhotels, die während der Ferienspiele gebaut wurden.
Künftig wird er mit seinem Golden Retriever Ben nun nicht mehr am Ried oder am Bergwerksee spazierengehen, sondern an der Nordsee. Dass seine Bewerbung als Jugendpfleger im Norden erfolgreich sein würde, dürfte nur den 54-Jährigen selbst überrascht haben. Seine Aufgaben sind ähnliche wie hier - »nur mit Meer«. Dieser Zusatz war es, den ihn zu dem beruflichen Neuanfang in seinem bisherigen Lieblingsurlaubsort bewogen hat. Wo er dann künftig seine Ferien verbringen wird? In Reichelsheim.
INFO: DANK ZUM ABSCHIED
»Mit Jörg Pfaffenroth verlieren wir nicht nur unseren ersten professionellen Jugendpfleger, mit dem ich - damals zusammen mit meinem ehemaligen Kollegen Gerd Wagner aus Reichelsheim - die Basis für die heutige interkommunale Jugendpflege 4.0 gelegt habe«, sagt Florstadts Bürgermeister Herbert Unger. »Wir verlieren auch einen absolut wertvollen Menschen, dessen ruhige und ausgleichende Art ein wichtiger Baustein für den erfolgreichen Aufbau dieses Projekts war. Wir werden ihn sicherlich alle sehr vermissen; gleichwohl haben wir Verständnis für seine Entscheidung und wünschen ihm und seiner Ehefrau Rebecca viel Glück und Erfolg in der neuen Heimat«, sagt Unger auch im Namen seiner Kollegen Eike See (Wölfersheim) und Wilfried Mogk (Echzell).
Reichelsheims Bürgermeisterin Lena Herget-Umsonst ergänzt: »Jörg Pfaffenroth hat Jugendpflege nie als Beruf verstanden. Es ist seine Berufung, und das spürte man an jedem Tag seiner 21-jährigen Tätigkeit bei uns. Sein Weggang ist für die Jugendlichen ein großer Verlust. Er wagt einen mutigen Schritt und schlägt ein neues Kapitel seines Lebens an einem anderen Ort auf. Dafür wünschen wir ihm von Herzen alles erdenklich Gute.«