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BI-Kritik an Weidenschnitt im Bingenheimer Ried

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Von: Dagmar Bertram

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Diese Weidengruppe ist zurückgeschnitten worden. © pv

Im Bingenheimer Ried ist eine Weidengruppe zurückgeschnitten worden. Die BI »Rettet das Reichelsheimer Wäldchen« spricht von einem »erneuten Kahlschlag«; das Forstamt Nidda weist diesen Vorwurf zurück.

Merlin Fleischhauer und Rudolf Zentgraf, die Sprecher der BI, schreiben in ihrer Pressemitteilung von einer »stattlichen Weidengruppe nahe dem Aussichtspunkt an der Scheune«, die kürzlich »umgehauen« worden sei. Sie verweisen auf den Hitzeschutz gegen drohende Austrocknung, den die für das Ried Verantwortlichen Ende Oktober in der WZ erläutert hatten: Als Gegenmaßnahme wird demnach der größte Graben im Bingenheimer Ried um 30 bis 40 Zentimeter vertieft, damit er im nächsten Jahr länger Wasser speichern kann, so die Hoffnung.

Kiebitze schützen

Zentgraf und Fleischhauer entgegen, sie »und viele andere Interessierte« würden gerne wissen, wie ein solches Schutzkonzept »ohne Bäume besser als mit Bäumen funktionieren soll«.

Walter Schmidt, Naturschutzbeauftragter beim Forstamt Nidda, weist darauf hin, dass die meiste Grundwasserneubildung auf landwirtschaftlichen Flächen erfolge: Der Regen könne dort den Boden schnell erreichen, weil ihn keine krautige Vegetation abhalte. Anders sehe es, auf Hessen bezogen, bei den Bäumen aus: Bei Nadelbäumen blieben 50 Prozent des Regens in den Nadeln hängen und verdunsteten. Bei Laubbäumen sei die Grundwasserneubildung zwar im Winter ähnlich wie bei landwirtschaftlichen Flächen. Im Sommer aber verdunsteten 30 Prozent des Regens über die Blätter. »Ein Baum hat eine wesentlich höhere Verdunstung als eine Wiese«, weist Schmidt das Argument zurück, dass Bäume eine essenzielle Rolle im Hitzeschutzkonzept fürs Ried spielten.

Der Grund für den Weidenrückschnitt sei ohnehin ein anderer, nämlich Vogelschutz. Das hatte Schmidt bereits im Februar dargelegt, als die BI ebenfalls den Rückschnitt von Weiden im Ried gerügt hatte.

Die etwa zwölf bis 15 Meter hohen, laut Schmidt »relativ dünnen« Weiden, um die es jetzt geht, seien zu etwa zwei Meter hohen Kopfweiden gemacht worden, um Vogelarten wie Kiebitze und Bekassine zu schützen. Von Weiden und großen Gehölzen, besonders nahe einer Wasserfläche, fühlten diese sich gestört, weil Greifvögel dort sitzen könnten. Deshalb hielten sie mit ihren Nestern einen Abstand.

Das bestätigt Stefan Stübing von der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON). Ein Monitoring habe ergeben, dass etwa 100 Meter um die genannte Baumgruppe vogelfrei gewesen sei. »Der Kiebitzbestand im Ried hat sich durch den Zaun mehr als versechsfacht«, sagt Stübing. Der Lebensraum der gefährdeten Art werde entsprechend knapp. Durch den Rückschnitt der Weiden sei in deren Umkreis nun Platz für fünf weitere Kiebitz-Gelege, schätzt Stübing.

Die Wäldchen-BI spricht indes von einem »vollkommen einseitigen Schutz des Kiebitz«. Greifvögel würden nicht fernbleiben, »auch wenn man noch den letzten verbliebenen Baum fällt«. Erreicht werde »in jedem Fall der Verlust landschaftlicher Schönheit und von gesundem Boden, der, von Wurzelwerk durchlüftet, Lebensraum für Kleinstlebewesen bietet und die Kapillarfunktion aufrechterhält«. Man verliere Schatten und Kühlung durch Blattwerk für Tiere im Ried, »eventuell mögen und brauchen sogar Kiebitze Schatten in der Sommerhitze«.

Geblieben sei eine »Einöde«. Wenn ein Naturschutzgebiet ebenso ausladend wirke »wie die eintönigen Äcker rundherum«, sei den Menschen kaum erklärbar, warum Naturschutz wichtig sei. Ein semantischer Unterschied müsse erkennbar, ein Naherholungseffekt spürbar und Erfolge sichtbar sein. »Im Bingenheimer Ried wird gezeigt, wie es nicht geht.«

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