Eltern verlagern »Notbetreuung« kurzerhand ins Rathaus

Spielende Kinder im Rathaus statt in der Kita: Mit dieser Aktion wollten Münzenberger Eltern auf ihre Situation aufmerksam machen. Weil der Krankenstand beim Personal zurzeit sehr hoch ist, ist die Betreuung in der Kita »Taubenhaus« teilweise eingeschränkt.
Vor wenigen Tagen haben fünf Mütter mit ihren Kindern der Stadtverwaltung Münzenberg einen Besuch abgestattet. Sie ließen die Kinder im Flur spielen und frühstücken. Der Grund für diesen ungewöhnlichen Aufenthalt war, dass die Kita »Taubenhaus« in Gambach wiederholt nur eine Notbetreuung aufgrund von Personalmangel anbieten konnte, wie eine Mutter dieser Zeitung berichtet. Die Eltern wollten mit dieser Aktion auf ihre Situation aufmerksam machen: Wenn sie ihre Kinder nicht in die Kita bringen können, können sie nicht arbeiten gehen.
Verweis auf Personalschlüssel
Bürgermeisterin Dr. Isabell Tammer (FWG) habe sich gesprächsbereit gezeigt, aber betont, dass sie bereits alles Mögliche dafür tue, neues Personal anzuwerben und einzustellen. Die Eltern allerdings verweisen auf umliegende Kommunen: Dort werde Personal z. B. mit übertariflicher Bezahlung und Betreuungsplätzen für die eigenen Kinder geworben.
Tammer wiederholte auf Anfrage, was sie auch gegenüber den Eltern erklärt hatte: Münzenberg liege bei der reinen Zahl der besetzten Fachkräfte-Stellen in allen städtischen Kitas sogar über den aktuellen gesetzlichen Vorgaben. Bei einer Routineüberprüfung des Landes zur Haushaltssituation von Kommunen sei der Stadt gar geraten worden, Kita-Personal einzusparen. »Das werden wir selbstverständlich nicht tun«, sagte Tammer. Die Stadt sei im Gegenteil auf der Suche nach weiterem Fachpersonal für die Kitas - »allerdings aufgrund der finanziellen Möglichkeiten nicht um jeden Preis«.
Um die Betreuungssituation zu verbessern, arbeite die Stadt beim Thema Tagespflege mit dem Kreis zusammen. »Allerdings braucht der Ausbau der Tagespflege Zeit.« Die verpflichtende Ausbildung dauere sechs Monate und werde aktuell nur einmal jährlich vom zuständigen Träger angeboten.
Aus Sicht der Eltern zieht das Argument des hohen Personalschlüssels nicht. »Die Realität zeigt, dass er nicht ausreichend ist. Würde ausreichend Personal zur Verfügung stehen, wäre nicht allein im Januar 2023 fünfmal vonseiten der Kita darum gebeten worden, die Kinder zu Hause zu lassen, oder es konnte sogar, wie am Montag, nur eine Notbetreuung stattfinden.«
Tammer erwidert, sie verstehe den Unmut der Eltern gut. »Wir wissen, dass sie auf eine zuverlässige Betreuung angewiesen sind.« Die aktuelle Situation sei dem außergewöhnlich hohen Krankenstand geschuldet und für alle - Familien, Fachpersonal und Verwaltung - »alles andere als zufriedenstellend«.
Eine Lösung für solche Ausnahmesituationen könne es realistisch betrachtet aber nicht geben. Denn krankheitsbedingte Ausfälle von Erzieherinnen und Erziehern seien im Normalfall nicht planbar, und die Krankmeldungen erfolgten zumeist erst unmittelbar vor Dienstbeginn. »Die verbleibenden Kolleginnen und Kollegen fangen viel auf, sind aber inzwischen selbst am Limit ihrer Möglichkeiten.« Die Stadt verfüge zwar über einen zusätzlichen »Springer-Pool«. Doch seien diese Kräfte nicht immer kurzfristig verfügbar. Deshalb könne es auch künftig zu personellen Notsituationen kommen, die (Teil)-Schließungen erforderlich machten. Die Bürgermeisterin ist wenig optimistisch: »Die kommenden Wochen werden voraussichtlich nicht besser werden.«
Kranke Kinder zu Hause lassen
Die Stadt versuche alles, um die Betreuungszeiten normal zu halten. »Aber ein Kita-Rund-um-Sorglospaket, das immer perfekt funktioniert, kann keine Kommune leisten - auch Münzenberg nicht.« Zumindest in finanzieller Hinsicht komme es zu keiner Benachteiligung durch das verringerte Betreuungsangebot: Die Familien bekommen die gezahlten Kindergartenbeiträge erstattet, wenn sie die Betreuung mehrere Tage in Folge selbst übernehmen.
Tammer und die Erzieher-Teams appellieren aber auch an die Eltern und bitten eindringlich darum, erkrankte Kinder nicht in die Kita zu bringen. »Denn jedes kranke Kind in der Kita trägt dazu bei, dass Erzieherinnen und Erzieher Gefahr laufen, sich anzustecken und in Folge dessen selbst auszufallen.«