Dorf in Aufruhr: »Da muss ziviler Ungehorsam her«
Kefenrod (jub). 200 Menschen drängen sich am Montag im Bürgerhaus Bindsachsen. Die Gemeinde hat die Nutzung des Gebäudes seit Monaten untersagt, weil es für die Unterbringung von Geflüchteten vorgehalten wird. Jetzt droht es aus allen Nähten zu platzen. Das hat der siebenköpfige Ortsbeirat noch nicht erlebt. Der Wetteraukreis habe vor, auf dem Festplatz am westlichen Ortsrand eine Zeltstadt für 120 männliche allein reisende Flüchtlinge zu errichten.
Das macht seit Freitag die Runde.
Von Mund zu Mund und via Facebook verbreitete sich die Nachricht, dass der Ortsbeirat das Thema am Montag auf der Tagesordnung habe. Die Verunsicherung in dem 820-Seelen-Dorf ist groß. Die Menschen sorgen sich um das soziale Gefüge und um ihre Sicherheit und sind sich einig: Da muss eine andere Lösung her. Es gibt an diesem Abend viele Vermutungen und kaum Fakten. »Unser Wissensstand ist der, dass da was geplant ist. Mehr können wir dazu nicht sagen«, erklärt Ortsvorsteher Volkmar Heil.
Bürgermeisterin Kirsten Frömel (SPD), die mehr sagen könnte, hat sich entschuldigen lassen. Sie habe eine Sitzung des Gemeindevorstandes. Bernd Kling, Bürgermeister bis 2013, mahnt zur Besonnenheit. Es sei »unfair, auf Flüchtlinge zu schimpfen, die noch gar nicht da sind«. Stattdessen solle man in Ruhe Argumente sammeln, wie man gegen »die Sache« vorgehen könne.
Aus der Bürgermeisterdienstversammlung vom vergangenen Mittwoch ist nach Bindsachsen durchgesickert, dass der Wetteraukreis, der nicht mehr weiß, wohin mit den vielen Menschen aus den Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt, die ihm wöchentlich zugewiesen werden, in fünf Kommunen des Ostkreises Zeltstädte errichten wolle. Bindsachsen sei in den Blick gerückt, weil die Gemeinde Kefenrod mit der Aufnahme von Geflüchteten hinterherhinke und ihr Soll nicht erfüllt habe.
Der Eigentümer des Dorfgasthauses würde über dem Gastraum sofort Wohnungen für 25 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ausbauen, wenn man damit verhindern könne, dass 120 junge Männer kommen, wirft eine Frau ein. Gäste haben in der Sitzung des Ortsbeirates kein Rederecht.
Unschöne Zwischenrufe
Um Druck aus der Versammlung zu nehmen und Tumult erst gar nicht aufkommen zu lassen, hält sich Ortsvorsteher Heil nicht akribisch an die Geschäftsordnung, macht aber auch klar, dass es um Lösungen geht: »Irgendwo müssen diese Menschen schließlich hin.«
Neben einigen unschönen Zwischenrufen wie »Ei, schickt sie doch wieder zurück« und »Wir wollen die hier nicht haben« trägt die Versammlung Argumente zusammen, die in einem Eilantrag an die Gemeindevertretung zusammengefasst werden: Das Gemeindeparlament soll den Plan des Kreises ablehnen, weil der Festplatz regelmäßig überschwemmt werde. Er sei ein »Sammelplatz« für den Katastrophenfall. Die Busverbindungen seien schlecht und Sprach- oder Integrationskurse gebe es auch nicht. »Wie soll das hier funktionieren?«, lautet der Tenor.
»Es ist zwar unsolidarisch, das Problem auf andere abzuwälzen, aber das kann nicht unsere Sorge sein«, sagt einer und ruft unter Applaus zu »zivilem Ungehorsam« auf. Er leitet das Ordnungsamt einer Nachbarkommune. Wenn die Gemeinde das Vorhaben des Kreises nicht ablehne, bleibe das Instrument des Bürgerbegehrens, um einzugreifen. 440 Unterschriften seien dafür erforderlich.
Applaus bekommt der Büdinger Ex-Bürgermeister Erich Spamer. »Wir sind am Ende«, beschreibt er die Situation in Büdingen, wo nicht nur das Land Hessen eine Erstaufnahmeeinrichtung in der Kaserne betreibt, sondern wo die Geflüchteten aus den umliegenden Dörfern aufschlügen. »Wer keinen Fluchtgrund hat, muss abgeschoben werden. Das ist kein Ausländerhass, sondern Fakt.«