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Vom Kanal zur Auenlandschaft

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Von: Redaktion

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Die renaturierte Nidda im Abschnitt bei Klein-Karben ist kürzlich bei einem Rundgang von den Grünen mit dem Gewässerökologen Gottfried Lehr in Augenschein genommen worden. © Holger Pegelow

Karben (pm). Die renaturierte Nidda in Klein-Karben war kürzlich das Ziel der Karbener Grünen. Gewässerökologe Gottfried Lehr aus Bad Vilbel informierte bei dem rund eineinhalbstündigen Spaziergang über die Ökologie und Geschichte der Nidda. Die fast zwei Dutzend Gäste zwischen einem und 77 Jahren seien beim schönem Herbstwetter zu Fuß und mit dem Fahrrad unterwegs gewesen.

Lehrs Vortrag habe alles in seinen Bann gezogen, heißt es in einer Mitteilung der Karbener Grünen.

Die Ausgangslage der Nidda hätten viele der Zuhörenden aus eigener Anschauung gekannt: Die Nidda als gleichförmiger Kanal. Im vergangenen Jahrhundert reagierte man auf Hochwassergefahr mit Flussbegradigungen. Das sei ein falscher Ansatz, wie man heute weiß. Die Kanalisierung habe nicht nur dem Ökosystem geschadet, sondern verlagerte auch Überflutungen an die großen Flüsse, zum Beispiel an den Rhein. Die im Zuge der Begradigung erbauten Wehre seien für wandernde Fische eine unüberwindbare Hürde gewesen. Die Folge: Vor 50 Jahren habe es kaum noch Leben in der Nidda gegeben.

Dem Fluss wieder Raum gegeben

Inzwischen sei aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt worden. Dem Fluss werde in aufwendigen Projekten Raum zurückgegeben. Wehre wurden abgebaut oder mit Fischtreppen versehen. Der Fischbestand habe sich erholt, Barbe, Nase und Meerforelle fühlen sich in der Nidda wieder wohl. Vögel und auch der Biber kehrten zurück.

Der Mensch habe von diesen Maßnahmen mehr als nur schöne Aussichten auf eine romantische Natur. Die von der Gerty-Strohm-Stiftung finanzierte Überschwemmungsfläche Gronauer Wiesen zum Beispiel, war im Februar komplett geflutet. Bei normaler Hochwasserlage. Extreme Situationen, wie diesen Sommer an Erft und Ahr, benötigten weitere Retentionsgebiete, da Wasser ungeheure Kraft entfalte, schreiben die Grünen. Eine dichte Bebauung an Flüssen und in Auen bleibe riskant. Das gilt etwa für das Karbener Gewerbegebiet, das in der Flussaue errichtet wurde. Probleme bei starkem Hochwasser seien nicht ausgeschlossen. Die Wasserqualität in der Nidda habe sich deutlich verbessert. Viele Kläranlagen seien erneuert, vergrößert, modernisiert oder zusammengelegt worden. Seither gebe es eine geringere Phosphat- und Nitratbelastung

Noch sei die Gewässerqualität aber nicht so gut, dass man in der Nidda bedenkenlos baden oder daraus trinken könnte, warnt der Experte. Denn zahlreiche Kläranlagen, auch das Werk in Karben, entwässern in die Nidda. In heißen Sommern bestehe die Nidda zur Hälfte aus Klärwasser, das nicht ausreichend mit Flusswasser verdünnt werden könne. So sei das Wasser durch multiresistente Keime und Medikamentenrückstände belastet, die in dreistufigen Kläranlagen wie in Karben nicht entfernt werden können. Eine vierte Reinigungsstufe ist nötig, in Hessen bisher aber nicht verpflichtend vorgeschrieben.

Lehr lobt Karbener Renaturierung

Probleme bereite der Feinsedimenteintrag, die von den angrenzenden Feldern und über die Zuläufe in den Fluss geschwemmte Erde. Für die Kinderstube von Fischen und Wasserbewohnern sei Kies als Sediment sehr wichtig. Wenn Erde den Kies überlagert, kann sich der Fischlaich nicht mehr gut entwickeln und sterbe ab. Nötig sei im Dialog mit Landwirten eine gute Lösung zu finden, rät Gottfried Lehr.

Er lobte die Nidda-Renaturierung in Karben. Sie sei gut gelungen, weil es neben den Bereichen, in denen die Natur am und im Fluss beobachtet werden kann, auch Naturschutzzonen gibt, die nicht betreten werden dürfen. Hier bleibe den Tieren und Pflanzen Platz, sich ungestört zu entfalten. Lehr bittet eindringlich, sich an die Beschilderung zu halten. Auch das Befahren mit Stehpaddeln und Kanus sei sehr schädlich für die Tiere. Sie werden aufgescheucht und würden die Gegend in absehbarer Zeit verlassen. Wassersport sollte deshalb nur in breiteren und tieferen Gewässern erlaubt sein, schreiben die Grünen. Beate Knigge, die Organisatorin des Nachmittags, fasst zusammen: »Es war ein wirklich spannender und kurzweiliger Vortrag. An der Nidda wurde viel erreicht, aber es gibt noch mehr zu tun, um die Natur als unsere Lebensgrundlage zu schützen und zu erhalten.«

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Gewässerökologe Gottfried Lehr informiert über den Wandel an der Nidda. © Red

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