Viele Ideen der Fraktionen fürs Radfahren

Das gab es noch nie im Karbener Stadtparlament: neun Anträge zu ein und demselben Thema. Für die Juli-Sitzung haben sich die Fraktionen viele Gedanken gemacht, wie das Radfahren in der Stadt attraktiver gemacht werden kann. Die SPD bringt gar ein ganzes Konzept ein.
W er einmal eine Zeit lang an den Kreuzungen und Knotenpunkten in der Stadt steht, dem wird es auffallen: Autos ohne Ende. Radfahrer wirken dagegen fast wie Exoten. Dennoch haben die Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung unisono erkannt: Das Radfahren erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Generell erlebte es einen ersten Boom, als die Elektro-Räder auf dem Markt waren, einen zweiten in Zeiten der Pandemie. Nun rechnet eine neue Studie des Bundesverkehrsministeriums hoch, dass der Radverkehr bis 2030 um 50 Prozent zunehmen werde.
Ob das auch für Karben gilt, bleibt abzuwarten. In der südlichen Wetterau ist das Auto nach wie vor das dominierende Verkehrsmittel. Aber wie bringt man Menschen dazu, wenigstens kurze Wege nicht mit dem Auto, sondern mit dem Fahrrad zurückzulegen? Mithilfe von gut ausgebauten und sicheren Radwegen, aber auch mit Vorrangschaltungen an Kreuzungen und Einmündungen, meinen die Fraktionen.
Diesen Zielen dient gleich ein ganzes Bündel von Anträgen, die die Fraktionen zur nächsten Sitzungsrunde der Stadtverordneten einbringen werden.
SPD: In 15 Minuten ins Stadtzentrum
So fordert die SPD-Fraktion ein innerstädtisches Radverkehrskonzept, mit dem in maximal 15 Minuten aus jedem Stadtteil das Stadtzentrum und die S-Bahnhöfe erreichbar sein sollen. »Dabei soll der Streckenverlauf möglichst direkt, kreuzungs- und steigungsarm erfolgen«, heißt es in dem Antrag. Der fußt auf dem Konzept »Zentrum 15«, das SPD-Mitglied Roderich Urban kürzlich fertiggestellt hat.
Es zielt auf Wege ab, die in einer Viertelstunde zu bewältigen sind und damit in Konkurrenz zum Auto stehen. 15 Minuten sind eine Dauer, bei der auch bei schlechtem Wetter das Fahrrad noch als Alternative infrage kommt, hat Urban eingangs in sein Konzept geschrieben. Zum Beispiel hat er ausgerechnet, dass die Strecke vom Zentrum Petterweils zum Groß-Karbener Bahnhof bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 15 km/h in rund 15 Minuten zurückgelegt werden kann. Für Radfahrer aus Burg-Gräfenrode schlägt er einen Weg vor, bei dem es bis zum Bahnhof keine Ampel gibt und nur eine Straßenquerung am Klingelwiesenweg. Auch für den Weg vom Bahnhof nach Rendel hat Urban ausgerechnet, dass dieser zwischen 16,52 Minuten und 12,39 Minuten zu bewältigen ist, je nachdem, ob man 15 oder 20 km/h fährt. Okarben sei bereits gut ans Zentrum angeschlossen, und die 2,5 Kilometer seien bei fast keinem Höhenunterschied locker zu schaffen. Kritik übt er an der fehlenden Fahrradinfrastruktur in den Ortsteilen. Es gelte zu prüfen, ob der Kfz-Verkehr immer in beide Richtungen nötig sei oder vielleicht auch mehr Einbahnstraßen ausgewiesen werden könnten. »Die Einschränkung für Autofahrer ist überschaubar«, schreibt er.
Auch die CDU-Fraktion hat einige Verbesserungsvorschläge, die in erster Linie aus einem Fahrrad-Aktionstag Ende Mai resultieren. Sie hatte dabei Anregungen gesammelt, um weitere Verbesserungen für attraktive Radfahrbedingungen zu erreichen, wie Vorsitzender Mario Beck sagt. So will die CDU die Stadt prüfen lassen, ob weitere Fahrradschutzstreifen in der Dieselstraße oder der Industriestraße möglich seien. Zudem sei in der Brunnenstraße die Engstelle zu beseitigen. Außerdem fordert sie die Schaltung einer grünen Welle bei den Ampelanlagen im Stadtzentrum, sodass das Verkehrsinsel-Hopping vermieden werde. An verschiedenen Stellen hat man eine mangelhafte Beschilderung und fehlende Markierungen ausgemacht. Außerdem soll der Klingelwiesenweg zur Fahrradstraße werden.
Die Grünen stellen gleichfalls einige Anträge, etwa zu einem Ampelkonzept, das Radfahrer und Fußgänger bevorzugt behandeln soll. Die Ampelschaltungen in Karben seien primär auf den Autoverkehr ausgerichtet. Auch die Grünen verlangen, bestehende Fahrradschutzstreifen inklusive der Piktogramme zu erneuern. Zudem fordern sie Fahrradschutzstreifen in der Homburger-, der Rendeler-, der Klein-Karbener und der Dorfelder Straße. Dort sollen gleichfalls Querungshilfen für Radfahrerinnen und -fahrer eingerichtet werden. Verlangt werden auch Ladesäulen für E-Bikes am Okarbener Bahnhof und dort ebenfalls Fahrradboxen. Und schließlich kommt seitens der Grünen auch die Forderung auf, die ehemalige Fahrradstraße in der Dorfelder Straße in Klein-Karben wieder zu reaktivieren. Das ganze Paket an Anträgen zum Thema Fahrrad ist so umfangreich, dass die Stadtverordneten Markus Dreßler (Grüne), Thomas Görlich (SPD) und Thorsten Schwellnus (FW) in einem eigenen Antrag eine Sondersitzung des Ausschusses für Stadtplanung und Infrastruktur verlangen.
Bürgermeister Guido Rahn weist darauf hin, dass die Stadt mehrere Millionen Euro in neue Radwege investiert habe und in kleinere Optimierungen. Es freue die Stadt, dass es zum Radfahren seitens der Fraktionen vielfältige Anregungen gebe. Allerdings müsse man sich an gesetzliche Vorgaben und Restriktionen halten. Rahn nennt als Beispiel die geforderte Errichtung von Fahrradschutzstreifen in der Bahnhofstraße zwischen Haus 1 und Parkplatz Hessenring. Die Fahrbahnbreite der Bahnhofstraße im historischen Ortskern betrage zwischen fünf und sechs Metern. Hinzukommen vereinzelte Pkw-Stellplätze. Die Voraussetzungen zur Errichtung von Fahrradschutzstreifen seien hier nicht gegeben. Bei der Errichtung von Fahrradschutzstreifen in der Homburger- und Rendeler Straße sei die Verwaltung für den ersten Teilabschnitt tätig geworden. In Verlängerung des Radweges von Rendel soll ein Schutzstreifen in Fahrtrichtung Stadtmitte eingerichtet werden, und zwar bis zur Kirchgasse, in Gegenrichtung ein Schutzstreifen bis zum Parkplatz Verbrauchermarkt. Dann werde der Radverkehr über den parallel zur Landesstraße geführten Wohnweg geführt. Am Ortseingang wechselt er dann auf die andere Straßenseite. Diese Vorgehensweise sei in Abstimmung mit dem Ortsbeirat Klein-Karben. Anschließend findet die Abstimmung mit den Verkehrsbehörden statt, die involviert sind.. pe