Über die Sehnsucht nach Liebe
. Vor Monaten stieß ich beim Stöbern in einer Buchhandlung auf »Widerfahrnis« von Bodo Kirchhoff. Das war noch, bevor das Buch auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis 2016 kam, den Kirchhoff dann auch gewann. Die ersten Seiten angelesen, die Sprache gefiel mir, schien mir ein interessantes Buch zu sein. Gekauft und gelesen, eine mich begeisternde Sprache, interessantes Buch. So kam es, dass ich danach in meinen Bücherregalen nach weiteren Büchern von Kirchhoff suchte und »Infanta«, seinen ersten großen Erfolg, und »Verlangen und Melancholie« erneut las.
. Vor Monaten stieß ich beim Stöbern in einer Buchhandlung auf »Widerfahrnis« von Bodo Kirchhoff. Das war noch, bevor das Buch auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis 2016 kam, den Kirchhoff dann auch gewann. Die ersten Seiten angelesen, die Sprache gefiel mir, schien mir ein interessantes Buch zu sein. Gekauft und gelesen, eine mich begeisternde Sprache, interessantes Buch. So kam es, dass ich danach in meinen Bücherregalen nach weiteren Büchern von Kirchhoff suchte und »Infanta«, seinen ersten großen Erfolg, und »Verlangen und Melancholie« erneut las.
»Diese Geschichte, die ihm noch immer das Herz zerreißt, wie man sagt, auch wenn er es nicht sagen würde, nur hier ausnahmsweise, womit hätte er sie begonnen?« Mit ausdrucksstarker Stimme las Kirchhoff im Kuhtelier auf Einladung des Literaturtreffs den ersten Satz aus seiner Novelle »Widerfahrnis«. Weiter lässt er Protagonisten Rheiter überlegen: »Vielleicht mit den Schritten vor seiner Tür und den Zweifeln, ob das Schritte waren oder nur wieder etwas aus einer Unruhe in ihm, seit er nicht mehr das Chaos von anderen verbesserte, bis daraus ein Buch wurde.«
Reither, bis vor Kurzem Verleger in einer Großstadt, lebt in einem ruhigen Tal am Alpenrand. Er entdeckte ein Buch ohne Titel, nur mit dem Namen der Autorin auf dem Umschlag. Als ihn diese noch beschäftigt, klingelt es an seiner Tür. In dieser Nacht beginnt sein Widerfahrnis. Die klingelnde Leonie Palm, zuletzt Besitzerin eines Hutgeschäfts, das sie geschlossen hat, weil es derzeit an Hutgesichtern fehlt, steht vor ihm, Rheiter, der seinen Verlag dichtgemacht hat, weil es zunehmend mehr Schreibende als Lesende gibt. Aus seinem Vorschlag, mal eben mit dem Auto um die Ecke zu fahren, wird eine Reise, die sie binnen dreier Tage bis nach Catania auf Sizilien führt. Kirchhoff erzählt von dem Aufbruch zweier Menschen, die sich in einem sehr unterschiedlichen Alter befinden, die beide ihre Vergangenheit abgeschlossen meinen, noch keine Pläne für die Zukunft haben. Die sich zufällig in der Nacht treffen, den Sonnenaufgang am Achensee sehen möchten, über den Brenner fahren, erst am Ende des Etschtales ihn erahnen, weiter und weiter fahren. Es treibt sie Sehnsucht, ziellos, nur weiter. »Ich habe noch nie das Meer gesehen«, sagt Palm. »Das richtige Meer beginnt hinter Pescara«, weiß Rheiter.
Es treibt sie Sehnsucht nach der Liebe bis in eine Bed-and-Breakfast-Unterkunft Catanias. Hier beginnt die reale Welt ihren Zugriff auf die Flüchtenden und zugleich Suchenden. »Aber wo wären wir ohne etwas Selbstüberschätzung«, sagt der Protagonist Rheiter, um sich Mut zu machen für den ersten Kuss mit Leonie Palm, »jeder wäre nur in seinem Gehäuse. Ein Flüchtling vor dem Leben.« Matthias Brockmann