Ständiger Griff zur Flasche

Karben (pe). Er tourt durch Schulen, hält Sprechstunden und ist bei Festen zu finden. Die Anwesenheit des für Bad Vilbel und Karben zuständigen Suchtberaters Lutz Illhardt scheint Wirkung zu zeigen: Fast jeder Zweite der im Jahr 2015 von ihm beratenen Menschen war hinterher abstinent, wie aus dem Suchtbericht hervorgeht.
Manche Jugendliche, die am Wochenende richtig abfeiern wollen, kommen um Wodka nicht herum. Der Griff zur Flasche mit dem farblosen Stoff ist nicht der einzige Weg, mit dem Jugendliche »vorglühen«. Eine neue Erfindung sind Einwegspritzen namens »Wodka Shooters«. Dahinter verbirgt sich Götterspeise mit Wodka. Die Hälfte des für die Herstellung von Wackelpudding benötigten Wassers wird durch den Alkohol ersetzt. Das Gebräu wird bei Partys in den Mund gespritzt. Dutzende solcher Spritzen hat der Suchtberater im vergangenen Jahr in Bad Vilbel gefunden. »Da ist wohl eine Party ausgefallen und dann haben sie die weggeworfen«, sagte er gestern Vormittag im Rahmen einer Pressekonferenz. Per Bild und Text ist das erklärt. Beides ist Teil des Berichtes der Suchthilfe und Suchtprävention für Bad Vilbel und Karben. Die Städte leisten sich gemeinsam einen eigenen Berater: Jeweils 30 000 Euro investieren die Städte vor den Toren Frankfurts, damit ein Experte auf die Gefahr von Sucht aufmerksam macht und Süchtige und deren Angehörige berät.
Lutz Illhardt muss quasi als Arbeitsnachweis jedes Jahr einen Tätigkeitsbericht öffentlich vorstellen. Das passierte am Montag im Karbener Rathaus. Wie aus den vorgelegten Daten hervorgeht, scheint sich die ständige Anwesenheit Illhardts positiv auszuwirken. Er hält in den beiden Rathäusern Beratungsstunden ab, geht in die Schulen, beteiligt sich an Aufklärungskampagnen der Verkehrswacht und geht sogar auf etliche Veranstaltungen. »So manchen Jugendlichen, den ich in der Schule getroffen habe, sehe ich auf den Festen wieder. Dann kommen wir erneut ins Gespräch«, sagt Illhardt. Am Georg-Büchner-Gymnasium in Bad Vilbel, der Kurt-Schumacher-Schule in Karben sowie an der John-F.-Kennedy-Schule in Bad Vilbel ist er in jedem Schuljahr zu finden. Neben den Informationen über die Gefahren von Sucht hat er auch einen sogenannten »Suchtsack« dabei mit verschiedenen Utensilien. Mit an Bord: eine sogenannte Rauschbrille, die die Schüler aufsetzen können und die die verschiedene Promillewerte simuliert.
Die Präventionsarbeit in den Schulen und auf diversen Veranstaltungen wie etwa dem Bad Vilbeler Markt oder dem Klein-Kärber Markt sowie der Massenheimer Kerb macht etwa die Hälfte von Illhardts Arbeit aus. Die andere Hälfte der Zeit steht für die Beratung von Klienten zur Verfügung. 145 Menschen hat er in der südlichen Wetterau beraten, 25 mehr als ein Jahr zuvor. 130 von ihnen waren selbst von einer Suchtproblematik betroffen. An erster Stelle stand der Alkoholmissbrauch. Größte Gruppe hier: die 31- bis 50-Jährigen. »Die fallen bei den Arbeitgebern auf«, erklärten Illhardt und der Leiter des Zentrums für Jugendberatung und Suchthilfe für den Wetteraukreis, Hans Peter Krämer. Die Suchthilfe für Bad Vilbel und Karben ist der Suchthilfe des Kreises angegliedert. An zweiter Stelle der Süchte folgen Cannabis, danach Opiate, Kokain und Amphetamine. Am erfreulichsten in der Statistik: 80 Prozent der von Illhardt beratenen Menschen waren hinterher abstinent beziehungsweise deren Sucht hatte sich »gebessert«. Dass so viele dauerhaft abstinent blieben, motiviere ihn sehr. Und offenbar auch die beiden Städte: Karbens Bürgermeister Guido Rahn und Bad Vilbels Sozialdezernentin Heike Freund-Hahn sagten weiterhin die Finanzierung der Stelle zu.