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Opposition: Schleppende Verwaltung

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Von: Holger Pegelow

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Die Opposition aus SPD und Grünen kritisiert, dass ihre Anträge und Anfragen von der Stadtverwaltung »ausgesessen« würden. © Holger Pegelow

In den Oppositionsfraktionen gibt es Unmut über die Karbener Stadtverwaltung. Protokolle, Gutachten und andere Schriftstücke werden laut SPD und Grünen so spät versandt, dass eine substanzielle Meinungsbildung kaum noch möglich sei. Wegen eines Vorgangs vom November haben die Grünen jetzt sogar die Kommunalaufsicht eingeschaltet.

S chon in seiner Haushaltsrede hat sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Görlich kritisch geäußert. So hieß es laut Redemansuskript, man habe als Stadtverordnete erfahren, »dass die Personaldecke der Stadt Löcher hat«. Es seien Protokolle sehr spät oder nach »Anschubsen« erstellt beziehungsweise versandt worden. Zudem seien Versprechungen gemacht worden, die nicht eingehalten würden. Anträge und Anfragen würden »ausgesessen«, sagt Görlich.

Als es um den Ausbau des Glasfasernetzes ging, seien nicht alle Gremienvertreter eingeladen gewesen. Die Fortschreibung des Kita-Bedarfsplans werde mit der Begründung »warten auf den Kreis« abmoderiert. »Wer kennt die Situation in Karben besser als die Verwaltung Karbens?«, fragt der SPD-Fraktionschef.

Nur wenige Tage Zeit zur Akteneinsicht

Dies alles liege nicht an der fehlenden Kompetenz der Mitarbeiter«, heißt es im Redemanuskript des Fraktionsvorsitzenden. Denn auf Nachfrage erhalte man kompetent und zeitnah Auskünfte.

Für die Fraktion der Grünen formuliert deren Fraktionschef Markus Dreßler die Eindrücke so: »Meines Erachtens weisen die verwaltungstechnischen Prozessschritte, inklusive der Kommunikation zu den Mandatsträgern, nicht unerhebliche Defizite auf. Das spiegelt sich selbstverständlich auch in den oft langen Antwortzeiten wider.«

Dreßler nennt beispielsweise die Sondersitzung für den Haushalt am 16. November. Bis zum 3. Dezember mussten alle Anträge eingereicht sein. In der Sitzung sei kommuniziert worden, dass keine eigenen Mitschriften nötig seien, da ein Protokoll durch die Verwaltung angefertigt würde. »Das Protokoll lag bis 29. November nicht vor. Erst auf intensive Nachfrage durch uns Grüne wurde das Protokoll dann am 30. November zur Verfügung gestellt, und damit lag erst dann eine vollständige Informationslage vor.« Den Fraktionen seien also nur noch drei Tage geblieben für qualitativ und inhaltlich »saubere« Anträge. Zu der Sondersitzung des Ausschusses für Stadtplanung und Infrastruktur am 4. November zum Glasfaserausbau in Karben seien die Grünen gar nicht eingeladen gewesen. Dreßler weiter: »Ein Protokoll wurde uns erst Ende November zur Verfügung gestellt. Wir Grüne haben die Kommunalaufsicht eingeschaltet. Diese prüft aktuell noch den Sachverhalt. Eine Entschuldigung seitens der Stadtverwaltung hat es nie gegeben.«

Schließlich wird moniert, dass Gutachten zu den Bebauungsplänen wie Naturschutzgutachen oder Bauvorhaben oft erst eine Woche vor der Ausschusssitzung kämen. »Wir reden hier über mehr als 100 Seiten«. Dazu müssten Fragen gestellt beziehungsweise vorbereitet und vorab in der Fraktion besprochen werden. »Da bleiben dann oft nur wenige Tage zur Einsicht.«

Görlich folgert, dass die Personaldecke bei der Verwaltung offenbar Löcher habe. Es müsse etwas passieren, fordert der SPD-Fraktionsvorsitzende. Personalaufbau, Aufgabenoptimierung, Umverteilung, Prozessänderungen, Digitalisierung seien alles Möglichkeiten, die Situation in den Griff zu bekommen. Dazu seien keine externen Berater nötig. Vielmehr könne man zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt die Abläufe optimieren.

Bürgermeister Guido Rahn (CDU) hat sich auf Anfrage so zu der Kritik geäußert: Es gebe pro Jahr über 50 Sitzungen. Bei einer zusätzlichen Info-Sitzung habe eine neue Kollegin die Einladungen per E-Mail-Verteiler nicht über den »Sammelverteiler« geschickt, sondern jedes einzuladende Mitglied einzeln erfasst. »Hierbei ist ein/e Vertreter/in der Grünen nicht in die Einladung übernommen worden.« Magistratsmitglied Mario Schäfer (Grüne) sei allerdings eingeladen worden.

150 Anfragen in 10 Tagen beantwortet

Zur Haushaltsberatung seien über 150 einzelne Fragen der Fraktionen eingereicht worden. »Allerdings hatte eine größere Oppositionsfraktion den Einreichungstermin für die Fragen »versäumt« und ihre Fragen am Sonntag, den 14. November, für die Sitzung am Dienstag, 16. November, eingereicht«, so Rahn. In der Ausschusssitzung hätten daher nicht alle Fragen beantwortet werden können, auch weil Kollegen/innen im Urlaub gewesen seien. »Folglich mussten wir warten, bis alle Fragen zusammenfassend beantwortet werden konnten. Per Saldo sind zwischen Etatberatung und Versand der Antworten auf gut 150 einzelne Fragen zehn Arbeitstage vergangen«, sagt der Bürgermeister und blickt in die Zukunft: »Um künftig hier schneller zu sein, werden wir bei der nächsten Beratung die pünktlich eingegangenen Fragen umgehend beantworten und nicht mehr auf die Antworten verspätet eingereichter Anfragen warten.«

Zu den knapp eingereichten Unterlagen und Gutachten schreibt Rahn, dass auch die Verwaltung sie teilweise »erst sehr kurz vor den Sitzungen« bekomme. Alternative wäre, die Tagesordnungspunkte um eine Sitzung zu verschieben. Dies sei auch schon so gemacht worden. Wenn die Opposition dies fordert, folge man derartigen Wünschen zur Vertagung, sofern es nicht um zeitkritische Angelegenheiten gehe.

Auch Corona hat Auswirkungen

Auf die Frage nach der Mitarbeiterzahl im Sitzungsdienst antwortet Rahn, dass dort drei Personen tätig seien. Allerdings hätten diese Mitarbeiter noch weitere Aufgabengebiete, wie etwa Beschaffung, Telekommunikation, Versicherungen und Verwaltungsorganisation. Eine sehr erfahrene Kollegin sei im Vorjahr aus dem Sitzungsdienst in Rente gegangen, und zeitgleich seien sehr viele neue Mandatsträger hinzugekommen, »sodass hier zusätzlicher Einarbeitungsaufwand auf beiden Seiten entstanden ist«.

Schließlich verweist Rahn auf die Corona-Pandemie, die für den Sitzungsdienst erhebliche Zusatzaufgaben zur Folge habe, wie etwa laufende Entscheidungen, in welcher Form noch Sitzungen möglich seien, Klärung, inwieweit auf den Finanzausschuss Aufgaben delegiert werden könnten oder etwa Änderungen der Sitzungsräume. Zudem gehe es um zusätzliche Beschaffungen. So habe der Sitzungsdienst seit dem 21. August 2021 insgesamt 51 454 Masken und über 10 000 Antigentests gekauft, zudem Dutzende von Spuckschutzscheiben und vieles mehr.

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