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Kein Patentrezept für Trauernde

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Von: Holger Pegelow

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Wie sehr der Tod eines geliebten Menschen ein Leben verändern kann, weiß die Okarbenerin Silke Szymura nur allzu gut. Seit sie auf einer Urlaubsreise in Nepal ihren Lebenspartner verlor, sind über fünf Jahre vergangen. Nun gibt sie einer wachsenden Zahl von Trauernden in der Wetterau ein Forum.

Wir wissen, dass wir sterben und dass Menschen sterben, die wir lieben. Aber wir verdrängen das.« Das hat auch Silke Szymura getan. So lange, bis vor fünf Jahren ihr Lebenspartner während eines Nepal-Urlaubs plötzlich gestorben ist. Der Tod ihres geliebten Julian hat ihr Leben komplett verändert. »Ich habe mich gefragt: Was mache ich hier eigentlich?« Das galt vor allem beruflich. In ihrem Job in der IT-Branche wollte sie nicht mehr arbeiten. »Ich hatte schon vorher das Bedürfnis, mit Menschen zu arbeiten.« Das tut sie seitdem, denn sie absolvierte eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin. Schon seit zwei Jahren bietet sie einen Gesprächskreis in Rosbach an, zu dem nach ihren Angaben etwa ein halbes Dutzend Personen kommen.

Blog im Internet

Am dynamischsten hat sich ihr Blog im Internet entwickelt. Sie verzeichnet etwa 150 Zugriffe pro Tag, 5000-mal schon hätten sich Menschen ausgetauscht. Offenbar hat die 35-Jährige mit dem ersten derartigen Blog eine Initialzündung ausgelöst. Darüber ist sie nicht verwundert. »Es tut gut, nach dem Tod eines geliebten Menschen mit jemandem zu sprechen, der das auch erfahren hat«, sagt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. Das sei aber individuell verschieden. Nachdem ihr Lebenspartner verstorben war, haben sich die Angehörigen der nepalesischen Gastgeberfamilie um die junge Deutsche gekümmert. Viele Familienmitglieder waren damals sogar eigens angereist. Anderes erlebte die junge Frau, als sie wieder zurück in Deutschland war. Viele aus ihrem Umfeld hätten sich zurückgezogen. Bei den Kontakten während ihrer Arbeit habe sie festgestellt, dass im ersten Jahr die Trauernden noch Unterstützung und Verständnis erfahren. »Aber ab dem zweiten Jahr ist das anders.«

Wehmut und Dankbarkeit

Genau dieser Zeit widmet sich Szymuras neues Buch, das soeben erschienen ist. »Ein Teil von mir« heißt es. Was geschieht mit der Trauer nach einem, zwei, nach drei Jahren und darüber hinaus, »wenn das Umfeld wieder zur Tagesordnung übergegangen ist?«, fragt sie. Sie selbst und auch andere hätten sich gefragt, ob man trotz der Trauer auch fröhlich sein dürfe. Silke Szymura verrät in dem Buch, dass sie am fünften Todestag ihres geliebten Julian gesungen und getanzt habe. Und war selbst überrascht, »keinen Schmerz in mir aufspüren zu können. Wehmut ja. Stattdessen vor allem Dankbarkeit für das, was seitdem geschehen ist«.

Natürlich dürfe jemand, der in Trauer sei, auch fröhlich sein. Viele Jahre habe die Trauer in ihrem eigenen Leben einen großen Raum eingenommen. Trauer sei ohnehin ein Prozess in Wellenbewegungen. Mal sei sie stärker, mal trete sie zurück. »Es kann auch mal besser werden, bevor es wieder zu einem seelischen Einbruch kommt.« Sie selbst erlebe den Tod als Bereicherung des Lebens. »Man lebt doch jetzt viel bewusster«, habe sie festgestellt.

Das Buch hat sie nach eigenen Angaben in nur sechs Wochen geschrieben. »Ich habe dann aber nichts anderes gemacht; vorher hatte ich schon viele Aufzeichnungen gemacht, und die Beiträge in meinem Blog haben mir auch wertvolle Anregungen gegeben.«

Kein Ratgeber

Das 175 Seiten starke Buch ist kein Ratgeber. Denn einen Königsweg, mit der Trauer umzugehen, gebe es nicht. »Trauern ist etwas sehr Individuelles.« Sie lade die Leserinnen und Leser lediglich ein, »die Trauer zu umarmen und weiterzuleben«, so lautet auch der Untertitel. Sie spricht die Leser in Du-Form an: »Ich kann dir keine Bedienungsanleitung für deine Trauer geben. Ich habe keinen genauen Plan, was du wann machen musst, um ›gut‹ und womöglich schnell hindurchzukommen. Und ich glaube auch nicht, dass es einen solchen Plan gibt.« Vielmehr wolle sie mit dem Buch jeden inspirieren, seinen eigenen Weg zu finden.

Ob das Buch Denkanstöße auslöst, wird sie sicher in ihrem Blog und ihrem Gesprächskreis dikutieren. Die ausgebildete Trauerbegleiterin ist ab November auch in Butzbach tätig. Sie arbeitet dort für »Lebensfluss Bestattungen«, eine der Filialen des Bestattungsunternehmers Bernhard Laux, der Betriebe auch in Bad Nauheim und Friedberg hat.

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