Harmonie und etwas Tadel

Kann man in Corona- Zeiten noch eine normale Debatte über den städtischen Haushalt führen, und das ein Vierteljahr vor der nächsten Kommunalwahl? Die Karbener Stadtverordneten haben darauf keine klare Antwort gegeben. Denn in der letzten Stadtverordnetensitzung des Jahres war einiges anders.
Zweieinhalb Stunden hat sich das Karbener Stadtparlament mit dem Haushalt 2021 befasst. Im Haupt- und Finanzausschuss wurde zwei Tage zuvor stundenlang um die verschiedenen Themen gerungen, die eingereichten Anträge debattiert. Ganz erfolglos war das für die Opposition nicht: Von zwölf Anträgen, die die SPD eingebracht hatte, fanden neun eine Mehrheit, zwei zog sie selbst zurück, einer wurde abgelehnt. Während die Grünen keinen Antrag stellten, brachte die FDP lediglich einen ein. Während die erste Version im Ausschuss abgelehnt wurde, erzielten zwei von drei neu im Parlament eingereichten Antragsteilen eine einstimmige Mehrheit (siehe Artikel unten).
Einstimmig ging es zu, als Stadtverordnetenvorsteherin Ingrid Lenz die Anträge abstimmen ließ. Es gab nur bei einigen wenigen Anträgen vereinzelte Nein-Stimmen oder Enthaltungen.
Man hatte den Eindruck, es herrsche eitel Sonnenschein im Kommunalparlament. Denn die Einmütigkeit war der Gipfel der Harmonie an diesem Abend. Zuvor hatte man sich noch gegenseitig gelobt. Der Linke Uwe Maag etwa meinte, dass ihm »die Arbeit mit Ihnen allen sehr viel Freude bereitet hat«. Wobei er vor allem die CDU und den Bürgermeister ansprach. Die Stadt habe sich positiv entwickelt. Die Nidda-Renaturierung sei ein Erfolg. Die Weiterentwicklung des Stadtzentrums sei »eher positiv zu bewerten«. Die Kleinkindbetreuung habe sich positiv entwickelt, die Fahrradwege seien ausgebaut und die Spielplätze aufgewertet worden. Dieses Lob galt dem Bürgermeister.
Die Linke hätte zwar häufig eine ganz andere Meinung als er, »aber manchmal sind Sie ganz angenehm«, bescheinigte Rahn dem Linken-Stadtverordneten. Rahn schob nach, es sei mit allen eine sehr angenehme Zusammenarbeit gewesen. Vorweihnachtliche Harmonie im Karbener Stadtparlament mit Plätzchentüten und Mandarinen auf den Tischen? Ein wenig Kritik gab es auch. Am lautesten von den Freien Wählern (FW), einst mit der CDU in einer Koalition. Fraktionschef Thorsten Schwellnus, legte, schon stimmlich im Wahlkampfmodus, mächtig los.
Kritik von der FW
Beim Baugebiet in der neuen Mitte seien die Vorgaben nicht eingehalten worden, die CDU lehne Anträge der anderen Fraktionen zunächst ab, um sie später als eigene einzubringen. Die Quote beim sozialen Wohnungsbau sei keine CDU-Idee, sondern eine der Opposition. Zum Verkehr gebe es immer noch kein Konzept, obwohl ein solches bereits 2016 beschlossen worden sei. Zudem seien unter der CDU-Regierung die Schulden angestiegen, damals, unter der Koalitionsregierung mit den FW, seien sie abgebaut worden. Für 2021 seien sogar die Investitionen erneut zurückgegangen. Fazit zwischen den Zeilen: In der Koalition mit den Freien Wählern sei vieles besser gewesen als heute unter der CDU-Alleinregierung.
Den Blick auf früher machte auch SPD-Fraktionschef Thomas Görlich. Wer auf die 50-jährige Stadtgeschichte blicke, stelle fest, »dass wir als Karbener SPD dazu beigetragen haben, unsere Stadt zu dem zu machen, wie sie im Kern ist«. Aber fünf Jahre Stadtplanung heiße: »Man lässt bauen und man lässt bauen«. Gebaut werde ohne jegliche Kontrolle, ein Vorwurf, den auch der FW-Fraktionschef erhob.
Es seien die Verbindungswege in der neuen Mitte und im Taunusbrunnen »leider dem Profit zum Opfer gefallen«. Sozialer Wohnungsbau, seit fünf Jahren von der Opposition gefordert, komme jetzt langsam in Gang, »viel zu spät und viel zu wenig«.
Das sehen CDU und der Bürgermeister ganz anders. Mario Beck, der CDU-Fraktionschef, zog ein rundherum positives Fazit. Er nannte die Nordumgehung, die Sanierung der Ortskerne, die Nidda-Renaturierung, die Weiterentwicklung der Stadtmitte und die Schaffung von Wohnraum, »von Wobau-Projekten bis hin zum Traum vom Eigenheim«.
Keine Rededuelle
Immerhin ist ein wenig deutlich geworden, dass bald der Wahlkampf beginnt. Aber kein Vergleich mehr mit den erbitterten Redeschlachten früherer Jahre. Ob’s die aktuelle Pandemie ist? Jedenfalls fasste sich FDP-Stadtverordneter Oliver Feyl extrem kurz, während der Freie Wähler Schwellnus deutlich überzog und trotzdem nur sein halbes Manuskript vortragen konnte.
Auf jeden Fall wollten die Stadtverordneten ein letztes Mal zeigen, dass sie trotz inhaltlicher Differenzen gut zusammenarbeiten. Sie fürchten schon die nächste Legislaturperiode und das, was der Bürgermeister ausgesprochen hat: »Ob das so bleibt, wenn eine neue Partei hier einziehen wird, wage ich zu bezweifeln.«
Vor der Gesamtabstimmung über den Haushalt 2021 hat es Abstimmungen zu Anträgen der Fraktionen gegeben. Es gab ein Votum zum vierspurigen Ausbau der B3 zwischen Kloppenheim und Massenheim, die Grünen votierten dagegen. Den Etatansatz für Aufforstungen im Stadtwald um 40 000 Euro zu erhöhen, wurde einstimmig angenommen. 20 000 Euro zusätzlich gibt es für die Sport- und Kulturvereine. Ein »Ja« von allen auch für den weiteren WLAN-Ausbau in der Innenstadt, wie von der SPD beantragt. 25 000 Euro mehr gibt es für die kulturtreibenden Vereine, hier hatten CDU und SPD in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses einen gemeinsamen Antrag formuliert. 25 000 Euro mehr wird auch für die Straßenbeleuchtung ausgegeben, und 100 000 Euro werden für die Rampe im Neubaugebiet Kalkofen eingeplant. Für die Sanierung der Quellenkammer des Peter-Geibel-Brunnens stehen 10 000 Euro zur Verfügung. Ein Antrag der Freien Wähler auf Erstellung eines Verkehrsentwicklungskonzeptes fand dagegen keine Mehrheit. Ebenfalls abgelehnt wurde ein Linken-Antrag, die Stadt solle die Ansiedlung eines Fahrradladens mit Werkstatt fördern.
Während im Ausschuss zum FDP-Antrag, die Stadt solle einen »Enforcement Trailer« anschaffen, keine Abstimmung stattgefunden hat, legte der Liberale Oliver Feyl diesen Antrag im Parlament vor. Allerdings in drei Teilen: Abgelehnt wurde, dass die Stadt im Haushalt 150 000 Euro für den Kauf eines solchen Gerätes eingestellt werden sollen. Einstimmig wurde jedoch beschlossen, dass die Stadt mit dem Hersteller klärt, ob sich mit diesem Blitzeranhänger gerichtsfeste Messungen machen lassen. Wenn dies bejaht wird, soll die Stadt das Gerät drei Monate testen.
Die Haushaltssatzung wurde mit den Stimmen der CDU-Mehrheit gegen die der SPD bei Enthaltung der anderen Fraktionen beschlossen. Grüne, Freie Wähler und FDP enthielten sich beim Investitionsprogramm, für das CDU, SPD und Linke votierten. pe