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Fruchtbarer Austausch mit Landwirten über Pestizide

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Von: Holger Pegelow

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Ohne Pestizideinsatz gehe es in der Wetterau nicht. Das haben die Landwirte in der Ausschusssitzung klargemacht. SYMBOL © DPA Deutsche Presseagentur

Es ist ein langjähriger Vorwurf der Umweltschützer: Die Landwirtschaft gefährdet durch den Einsatz von Pestiziden die Artenvielfalt. Das Thema ist kürzlich in der Karbener Kommunalpolitik hochgekommen. Denn die Grünen forderten ein Pestizidverbot auf städtischen Grundstücken. Die Debatte im Parlament mündete in einer Sondersitzung des Ausschusses - mit Beteiligung der Landwirte.

W er durch die Wetterau fährt, kann es durchaus sehen: Landwirte spritzen ihre Felder, um Schädlinge von den Pflanzen fernzuhalten. Aber man kann auch noch etwas anderes sehen: An Ackerrändern sind erste Blühstreifen angelegt, wo sich auf verschiedenen Blumen diverse Insekten tummeln. Und die Stadt Karben hat in Zusammenarbeit mit einem heimischen Landwirt hinter dem Einkaufszentrum in der Stadtmitte eine Blühwiese anlegen lassen.

Die Grünen haben das generelle Problem des Pestizideinsatzes kürzlich auf die Agenda der Kommunalpolitik gesetzt und einen Antrag auf ein Verbot des Pestizideinsatz auf städtischen Grundstücken eingebracht. Doch ist das so einfach möglich?

Die Grüne Birgit Scharnagl sagte zur Begründung, in Deutschland sei man nicht nur vom Klimawandel, sondern auch vom Artenschwund stark betroffen. Der Insektenbestand sei seit den Siebzigerjahren um insgesamt 70 bis 90 Prozent zurückgegangen. Mit den Insekten seien auch deren Fressfeinde seltener geworden.

Von den Wirbeltieren und den wirbellosen Tieren seien jeweils über 30 Prozent aller Arten vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Der Feldhamster habe seit den Fünfzigerjahren 99 Prozent seines Lebensraums verloren.

Kommunalpolitisch wichtiges Thema

Für diesen dramatischen Artenschwund werde vor allem die intensive Landwirtschaft verantwortlich gemacht. Daher sei es wichtig, über dieses Thema auch auf kommunalpolitischer Ebene zu sprechen. Es sei nicht das Bestreben der Grünen, weiter zum Höfe-Sterben beizutragen, indem wir die Anforderungen an die Landwirte zu hoch hängen, aber ein Weiterso sei unter den gegebenen Umständen auch nicht sinnvoll, meinte Scharnagl.

INFO: Drei Fragen an Stadtsprecher Dominik Rinkart

Setzt die Stadt auf ihren Grundstücken Pestizide ein?

Grundsätzlich setzt die Stadt keine Pestizide auf ihren Grundstücken ein.

Die Stadt hat die Verträge mit den Landwirten erneuert. Geht es dabei auch um den Einsatz von Pestiziden?

Die Verträge mit den Landwirten werden erst nächstes Jahr im Herbst erneuert. Kürzlich gab es eine Sondersitzung des Ausschusses für Stadtplanung mit den Landwirten, in der das Thema Pestizide mit den Betroffenen diskutiert wurde. Nach dieser Diskussion haben die Grünen ihren Antrag zurückgezogen.

Wie verhält sich die Stadt in Sachen Blühstreifen? Eine solche Fläche besteht bereits hinter dem Selzerbrunnencenter. Wird es in der Stadt weitere Blühstreifen geben?

Ja, es wird auf jeden Fall weitere Blühstreifen und Flächen in Karben geben. So sollen zum Beispiel Freiflächen auf Friedhöfen als Blühflächen genutzt werden, und auch einige Landwirte aus Karben haben ihr Mitwirken angekündigt, um weitere Blühstreifen zu schaffen. pe

Blühstreifen mit und ohne Förderung

Das weiß man auch bei der Landwirtschaft. Kreislandwirt Michael Schneller, der in der Sitzung anwesend war, sagt gegenüber dieser Zeitung, er habe auf seinen Feldern Blühstreifen ohne Förderung angelegt. Wollten Landwirte für die Anlage von Blühstreifen eine Förderung erhalten, sei viel Bürokratie nötig, und es gebe eine Reihe von Richtlinien. Würden die nicht eingehalten, gebe es keine Förderung. »Artenschutz macht die Landwirtschaft doch sowieso«, sagt Schneller, aber man wisse, »dass nachgesteuert werden muss«. Er weist darauf hin, dass Pestizide inzwischen sehr viel kosten. Von daher sei der Einsatz durch die Landwirtschaft limitiert, zudem müsse der Nutzen höher sein als der Schaden.

Die anwesenden Landwirte haben sich in der Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung und Infrastruktur gegen den Antrag der Grünen gewandt. Hauptargument laut Schneller: Man dürfe keinen Keil treiben zwischen Landwirten, die konventionell arbeiten und jene, die ökologisch arbeiten. Zudem sei es heutzutage so, dass konventionelle Betriebe von ökologischen Betrieben lernen und umgekehrt. »Wir alle müssen flexibel bleiben«, sagt Schneller gegenüber dieser Zeitung. Zudem weist er darauf hin, dass auch ökologischer Landbau Nebenwirkungen haben könne. Wenn die Felder mechanisch bestellt würden, könnte es manche Bodenbrüter gefährden. Mit einem reinen Herbizidverbot werde nichts erreicht, sagt er zu dem Anliegen der Grünen.

Laut dem Protokoll der Sitzung wurde auch die Frage erörtert, ob man mit rein ökologischer Landwirtschaft ausreichend Lebensmittel erzeugen könne und klar verneint. Auch die ökologische Landwirtschaft komme nicht ohne Schädlingsbekämpfung aus.

Die Grünen zogen ihren Antrag in der Sitzung zurück. Fraktionschef Markus Dreßler schreibt dazu: Grundsätzlich halte man an dem Kerngedanken eines pestizidfreien Karben fest. Was für die Grünen jedoch sehr wichtig sei, sei der Austausch zu verschiedenen Themen mit den Betroffenen. Insofern sei diese Sitzung mit den Landwirten besonders wichtig gewesen, »um vor allem deren sachlichen Blick auf die Thematik zu erhalten«.

Die Grünen hätten folgende Argumente aufgenommen: Der Einsatz von Pestiziden sei zumindest im Wetteraukreis stark reglementiert und kontrolliert. Einem überdimensionierten Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln solle damit entgegengewirkt werden. Das Motto »viel hilft viel« gelte nicht für Pestizide. Ein Überdüngen oder Überspritzen schade der Saat oder der Frucht; daher achten die Bauern selbst auf einen zielgerichteten und schonenden Einsatz. Aufgrund gestiegener Preise für Pestizide und Düngemittel werde ohnehin recht wenig eingesetzt. Dreßler weiter: »Die Landwirte haben nicht dementiert, dass durch den Einsatz von Pestiziden die Arten- und Insektenvielfalt zurückgeht. Aus diesem Grund werden vonseiten der Bauern in Eigeninitiative immer mehr Blühstreifen angelegt; teilweise wohl auch von Kommunen.« Karben unterstütze dies aber noch nicht, kritisiert Dreßler. Seitens der anwesenden zertifizierten Bio-Bauern sei bestätigt worden, »dass ein bisschen Spritzen nicht funktioniert«. Entweder man sei 100 Prozent konventionell unterwegs oder zu 100 Prozent bio. Deswegen mache es auch wenig Sinn, den Einsatz von rein ökologischen Pestiziden zu verlangen. Dreßler zieht eine positive Bilanz. »Wir haben die Argumentation des Gegenübers nachvollziehen können. Ein Beharren auf unserem Standpunkt haben wir nicht angemessen erachtet und deswegen folgerichtig den Antrag zurückgezogen.« Man vertraue auf die Aussagen der anwesenden Bio- und der konventionellen Bauern.

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