Auf den Ernstfall vorbereiten
Was tue ich, wenn mich beispielsweise auf einer Party ein Betrunkener herausfordert. Was, wenn ich auf der Straße angegriffen werde. In einem Selbstverteidigungs-Kurs im Karbener Jugendkulturzentrum zeigen zwei professionelle Trainer, wie man sich wehren könnte. Doch sie sagen auch: »Ein vermiedener Kampf ist ein gewonnener Kampf.«
Von APP
N ein, schau her, wie ich es mache«, sagt Philip König und stellt sich direkt neben einen der Schüler. Seine Hände hält er zur Abwehrstellung vor sich, seine rechte Hand etwas weiter hinten als die andere. So lässt sich mehr Kraft aufbauen, weiß der Profi. Immer und immer wieder wiederholen die sechs Schüler die Übung, bis der Trainer zufrieden ist. Ein lockerer Spruch, und es geht weiter.
In der Scheune des Karbener Jugendkulturzentrums (Jukuz) geht es heute zwar entspannt zu, doch das Thema ist ein ernstes: Selbstverteidigung. Besonders in der dunklen Jahreszeit kommt es häufiger zu Übergriffen. Um auf den Ernstfall gewappnet zu sein, braucht es Übung. »Klar ist das erst mal nur ein Schnupperkurs«, sagt Trainer Timm Lay Schweizerhof. Gemeinsam mit Judo-Trainer König leitet der Kung-Fu-Meister das heutige Training.
Techniken geübt
Doch selbst ein Schnupperkurs kann schon viel bringen. »Einmal eine Technik angewandt oder jemanden – und sei es zur Übung – unschädlich gemacht zu haben, das hat klare Vorteile«, weiß Schweizerhof. Denn besonders Jugendliche unterschätzen die Gefahren einer Auseinandersetzung. »Sich zu wehren klingt erst mal einfach«, sagt Schweizerhof. »Doch ohne Training muss man im Ernstfall erst mal den Schock überwinden. Das kann einen wertvolle Zeit kosten, die der Angreifer nutzen kann. Außerdem ist es ein riesiger Unterschied, mal wirklich zugeschlagen zu haben oder es sich nur vorzustellen. Hier können es die Teilnehmer in geschützter Atmosphäre ausprobieren.«
Doch zur Selbstverteidigung gehört viel mehr dazu, als bloßes Zuschlagen. »Ein vermiedener Kampf ist ein gewonnener Kampf«, weiß Schweizerhof. »Selbst jemandem, der sich auskennt, würde ich raten, sollte sich die Chance bieten, einfach wegzulaufen. Jede Art von Auseinandersetzung ist gefährlich, daher sollte man keine Risiken eingehen.« Denn im Gegensatz zum Kampfsport gibt es bei der Selbstverteidigung keine Regeln für den Angreifer. »Er etwa kann ein Messer dabei haben oder andere gefährliche Gegenstände«, sagt Schweizerhof.
Eine andere Möglichkeit ist es, den gesellschaftlichen Druck gegen den Angreifer auszuspielen. »Nehmen wir etwa an, wir sind auf einer Party, etwas, was bei Jugendlichen ja häufiger vorkommt«, schildert Schweizerhof das Beispiel. »Jemand hat zu tief ins Glas geschaut, wird aggressiv. Bleibe ich alleine in der Gefahrensituation, kann es gefährlich werden. Oft reicht es schon, laut nach Hilfe zu rufen und auf den Angreifer aufmerksam zu machen.«
Denn das hat gleich mehrere Vorteile: »Erstens wird er sich noch einmal überlegen, ob er mich angreift, wenn alle zuschauen«, erklärt Schweizerhof. Außerdem wissen alle, dass er der Angreifer ist. »Zusätzlich haben wir nun Helfer, die eingreifen und notfalls auch Zeugen sein können«, meint der Trainer. »Oft reicht jedoch der Druck der vielen Augen, den Angreifer zur Flucht zu bringen.«
Auch Körperhaltung kann bereits viel bringen, wie der Profi weiß. »Eine aufrechte Körperhaltung und ein selbstbewusstes Auftreten verdeutlicht dem Angreifer direkt: Vielleicht sollte ich es noch einmal überlegen. Dem Gegenüber direkt ins Gesicht zu schauen, lässt ihn zweifeln.«
Die Jugendlichen fühlen sich sicher
Dass die Teilnehmer heute hier sind, heißt jedoch nicht, dass sie sich bedroht fühlen. »Ich würde schon sagen, dass ich mich in Karben sicher fühle«, sagt der elfjährige Paul. »Verteidigen musste ich mich noch nie.« Dennoch wollte er mitmachen. »Man muss ja auf den Ernstfall vorbereitet sein«, sagt er. »Am Ende passiert mal was, und ich habe keine Ahnung, was ich tun muss. Das wäre ja blöd.« Trotz der kurzen Zeit hat er das Gefühl, schon einiges gelernt zu haben. »Außerdem ist es cool, mal jemanden so richtig umzuwerfen.«
Info
Neuer Schnupperkurs geplant
Dass das Selbstverteidigungs-Angebot so gut angenommen wird, das freut auch Angelika Möller vom Jukuz. »Eigentlich wollten wir so einen Kurs schon einmal in den Herbstferien anbieten, da gab es allerdings andere Probleme«, sagt sie. Dass diesmal sechs junge Leute mitmachen, stimmt sie optimistisch. »Das ist der erste Kurs, daher haben wir alles erst mal relativ allgemein gehalten.« Dadurch werden leider auch einige Gruppen abgeschreckt, etwa Mädchen, wie Möller weiß. »Die machen lieber einen Kurs der eben nur für Mädchen ist. Doch das Interesse ist auf jeden Fall da. Ich kann mir also gut vorstellen, dass wir in den nächsten Herbstferien wieder einen Schnupperkurs Selbstverteidigung anbieten ? dann speziell auf eine Gruppe zugeschnitten.« (app)