Alle sind für Investitionen

Selten gab es so viel Einigkeit bei den städtischen Finanzen. Das Investitionsprogramm der Stadt Karben ist einstimmig angenommen worden. Nur einmal gab es ein Nein aus der Opposition.
Wer sich an frühere Redeschlachten in der Karbener Stadtverordnetenversammlung erinnert, kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die diesjährige Debatte um den Haushalt verlief dermaßen harmonisch, dass der Beobachter fälschlicherweise denken könnte, alle zögen an einem Strang.
Das muss wohl auch Bürgermeister Guido Rahn (CDU) so empfunden haben, als er sich nach den Haushaltsreden den SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Görlich vorgeknöpft hat. Der habe »weitgehend alles schlechtgemacht«. Dabei habe man als Stadt trotz der Pandemie einen positiven Haushalt erzielt. Bei einem Etat von 50 Millionen Euro werde man zehn Millionen investieren.
»Und die SPD? Die stellt zweieinhalb Änderungsanträge. Einen habe sie selbst zurückgezogen, der andere, 25 000 Euro für ein Gutachten zu Starkregenereignissen bereitzustellen, sei akzeptiert worden. »Stellen Sie doch mal, wie die Grünen es hier getan haben, zehn Änderungsanträge, wenn Sie einen anderen Haushalt wollen.«
Die Grünen hätten sich wenigstens viel Mühe gegeben und konstruktive Vorschläge erarbeitet. Von deren neun Anträgen seien nur zwei abgelehnt worden. »Inhaltlich ist die Arbeit mit den Grünen angenehmer als mit Ihnen«, rief Rahn in Richtung SPD.
Das hatte seinen Ursprung darin, dass SPD-Fraktionschef Thomas Görlich diverse Kritikpunkte angeführt hatte. So sei bei der Stadt das Thema alternative Energien »wohl noch nicht angekommen«. Es sei »fatal und falsch«, wenn die Stadt Ideen wie Wasserstoff, Förderung von Kleinst-Fotovoltaikanlagen, Carsharing und vielem mehr ablehnt, »zu spät angeht oder durch Studien verzögert«.
Bei Neubaugebieten habe es in den vergangenen Jahren keine Vorgaben für Fotovoltaik, Solarthermie und Ähnliches gegeben. Zudem forderte Görlich, Karben brauche »endlich ein städtebauliches Konzept: U3, Kita, Hort, Schule, Vereine/Kultur, selbstbestimmtes Wohnen, Verkehr, Infrastruktur«. Die Ansiedlung von Startups müsse gefördert werden, die CO2-Emissionen müssten aktiv reduziert werden. »Karben muss aus dem Verwaltungsmodus in den Gestaltungsmodus wechseln.«
Beck sieht viele Herausforderungen
Ganz anders der Vorsitzende der CDU-Mehrheitsfraktion, Mario Beck. »Das Steuergeld der Karbener ist bei Guido Rahn in allerbesten Händen.« So komme man ohne Schaden für die Stadtfinanzen durch die Corona-Pandemie. Beck listete als Positivpunkte auf, dass die Steuern unter Landesdurchschnitt seien, dass die Stadt nicht an der Belastungsschraube drehe und man obendrein Rekordsinvestitionen tätige. Es gebe in Zukunft noch viele Herausforderungen wie den demografischen Wandel, oder die Neuvermarktung des Conti-Geländes. Beck lobte das konstruktive Miteinander in der Stadtverordnetenversammlung, die Radwege-Sondersitzung bezeichnete er gar als Sternstunde. »In einer Gesellschaft, die auseinanderdriftet, in der das Laute und Spaltende das Sachliche und Vermittelnde übertönt, ist das sehr wertvoll.«
Positives hat auch Grünen-Fraktionschef Markus Dreßler in seiner Rede erwähnt. Er begrüßte die gemeinsame Haltung zum Ausbau des Radwegenetzes, mahnte aber den Ausbau der Windenergie vor Ort an. Positiv sei auch der überparteiliche Konsens, dass der Zuschuss für die Flüchtlingshilfe von 19 600 auf 25 000 Euro erhöht worden sei. Kritisch sah er jedoch, dass im Investitionsprogramm 2022 weniger als zehn Prozent für Nachhaltighkeit und Klimaschutz investiert würden, dafür 37 Prozent in den CO2-lastigen Straßenbau bzw. Straßenausbau. »Es gibt hier in Sachen Klimaschutz viel Nachholbedarf«, erklärte Dreßler.
Auch FW-Fraktionsvorsitzender Thorsten Schwellnus freute sich über den Ausbau des Radwegenetzes, meinte aber, das hätte man früher haben können, »aber wir Freie Wähler stießen mit unserem Verkehrskonzept hier auf taube Ohren. Das Radwegekonzept wäre ein Teil davon gewesen«. Er mahnte zur Vorsicht, denn die geplanten Neubaugebiete in Petterweil und im Stadtzentrum würden das Verkehrsaufkommen erhöhen. Hier könne es noch zu großen Problemen kommen.
FDP begrüßt Ausbau der B 3
Positiv stimmten die Zunahme der Pro-Kopf-Steuerkraft und die Abnahme der Pro-Kopf-Verschuldung. Mit Bedacht würden neue Schulden gemacht, vor allem für den sozialen Wohnungsbau. Trotz großer Investitionen dürfe Karben nicht in Stillstand geraten, denn es gebe neue Herausforderungen wie den Klimawandel, die Digitalisierung sowie den Bedarf an zusätzlichem Wohnraum.
Für die FDP lobte Oliver Feyl den »gelungenen Mix aus Eigentum und Mietwohnungen« im künftigen Neubaugebiet »Fuchslöcher« und in der Stadtmitte. Positiv erwähnte er das künftige Gewerbegebiet Am Warthweg sowie den Ausbau der S-Bahn und die geplante zweite Spur der B 3 zwischen Kloppenheim und Massenheim. Verbesserungwürdig seien hingegen die Berücksichtigung der Belange der Fußgänger beim Ausbau der Mobilität.
Die Linke-Stadtverordnete Gabi Faulhaber kritisierte, dass dem Bau von Einfamilienhäusern und teuren Eigentumswohnungen immer noch Vorrang gegeben werde und nicht dem sozialen Wohnungsbau. Zudem müsse die Stadt mehr Freiflächen einplanen, wolle sie »Stadt im Grünen« bleiben. Zudem forderte sie sozial nutzbare Flächen, wie etwa einen Dorftreffpunkt in Petterweil. Der AfD-Abgeordnete Wilfried Repp bedankte sich »für das konstruktive Klima in der Stadtverordnetenversammlung«.
Einmütigkeit
20 der von den Fraktionen eingebrachten Anträge zum Haushalt 2022 sind im Haupt- und Finanzausschuss einstimmig verabschiedet worden. Deshalb sind sie in der Stadtverordnetenversammlung en bloc ohne Aussprache abgestimmt worden. Alle Stadtverordneten waren dafür, die Ansätze für den Radwegausbau deutlich zu erhöhen: In den Jahren 2022 bis 2025 von jeweils 100 000 Euro auf 130 000, 230 000, 400 000 und 330 000 Euro. Einstimmig beschlossen wurde auch, die Engstelle vor Rapp’s bzw. am Jukuz im kommenden Jahr zu beseitigen.
Alle Stadtverordneten votierten auch dafür, mit Stadtgeldern die Pandemiefolgen abzufedern, städtische Gelder für Planungsleistungen für den Ausbau von Schulen und Sporthallen bereitzustellen, um damit den Kreis zu unterstützen und die Projekte voranzubringen, ebenso einig war man sich, in Karben ein E-Bike-Leihsystem einzuführen und Stellen für Berufseinsteiger in der Verwaltung zu schaffen.
Es soll auch acht zusätzliche Fahrradboxen am Groß-Karbener Bahnhof geben, Spielgeräte in der neuen Mitte zu installieren, eine BMX-Anlage auf der Skateanlage zu bauen, weitere Gehwege im Zuge des Glasfaserausbaus zu sanieren, die Karbener Energie-Gesellschaft mit zusätzlichem Geld auszustatten und ein Abfallvermeidungskonzept für die Stadt zu erarbeiten.
Zuschuss für Stoffwindeln
Alle Fraktionen stimmten auch für die Einführung eines Stoffwindelzuschusses, für Blühwiesen und Wildbienen-Nisthilfen, für Präventionsprojekte gegen Rassismus und ein 1000-Bäume-Projekt. Ebenso für den Kampf gegen illegale Müllablagerungen dafür soll ein Konzept erarbeitet werden.
Die Mehrheit lehnte ab, die Verpflegung in den städtischen Kitas auf Bio umzustellen und die Erzieherinnen an der Mittagsverpflegung in den Kitas teilnehmen zu lassen. Keine Mehrheit hat sich für den Antrag ergeben, den Fuß- und Radweg zwischen Bürgerzentrum und Pappelweg-Brücke voll zu beleuchten.
Einige der von den Fraktionen eingebrachten Anträge wurden in interfraktionelle Anträge umgewandelt, wie etwa der, die Zuschüsse für die Karbener Flüchtlingshilfe aufzustocken. Erstmals hatten auch SPD, Grüne und Freie Wähler gemeinsame Anträge eingebracht, so etwa für Blühwiesen und Wildbienen-Nisthilfe im kommenden Jahr 20 000 Euro und im Folgejahr noch mal 10 000 Euro bereitzustellen. Ebenso die Präventionsprpogramme gegen Rassismus mit 15 000 Euro innerhalb der nächsten beiden Jahre zu fördern. Der Haushalt wurde gegen die Stimmen von SPD und Linken mit Mehrheit von CDU, FW, Grünen und AfD verabschiedet. Das Investitionsprogramm bei einer Enthaltung der AfD jedoch einstimmig.


