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Wenn der Abschied fehlt: Wetterauer Bestatter in Zeiten der Pandemie

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Von: Christoph Agel

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Der Abschied am offenen Sarg ist derzeit nicht möglich. Diese Einschränkung ist Corona geschuldet, und sie macht auch dem Team des Bad Nauheimer Bestattungsinstituts Brehm zu schaffen - v. l. Fabian, Hugo, Daniel und Susanne Brehm.	FOTOS: NICI MERZ/PV
Der Abschied am offenen Sarg ist derzeit nicht möglich. Diese Einschränkung ist Corona geschuldet, und sie macht auch dem Team des Bad Nauheimer Bestattungsinstituts Brehm zu schaffen - v. l. Fabian, Hugo, Daniel und Susanne Brehm. FOTOS: NICI MERZ/PV © Nicole Merz

Die Familie kann nicht richtig Abschied nehmen, weil der an Covid-19 Verstorbene noch infektiös ist. Wie gehen Wetterauer Bestatter damit um? Und wie schützen sie sich selbst?

Wir haben teilweise drei bis vier paar Handschuhe übereinander, die wir je nach Handhabung ausziehen«, sagt Susanne Brehm. Ihrem Sohn Daniel gehört das gleichnamige Bestattungsinstitut in der Bad Nauheimer Hauptstraße. Wie ihre Kollegen auch, müssen die Brehms wegen der Corona-Pandemie sehr auf Sicherheit achten, dürfen weder sich noch andere anstecken.

Deshalb - neben der weiteren Schutzausrüstung - die vielen Handschuhe, wenn man einen an Covid-19 Verstorbenen vom Bett in den Sarg legt. Nach diesem Arbeitsschritt werden die oberen Handschuhe ausgezogen. »So dass ich keinesfalls Viren von einem Objekt zum anderen übertrage«, erläutert Susanne Brehm - und verweist beispielhaft auf die Türklinke.

Wie auch bei den anderen Bestattern, bei denen die WZ nachgefragt hat, ist die Zahl der Toten, um die sich die Brehms kümmern, wegen Corona nicht signifikant gestiegen. Aber der Anteil der Corona-Toten an der Gesamtzahl sei hoch, sagt Brehm. Derzeit würden die meisten Verstorbenen nicht zu Hause, sondern im Krankenhaus oder im Seniorenheim abgeholt.

Schon in den Wochen vor dem Tod den Liebsten nicht gesehen

Nicht nur beim Transport des Verstorbenen wirkt sich die Pandemie aus, sondern auch beim Abschiednehmen. Angehörige fänden in dieser Situation eigentlich eine Art Abschluss, sagt Brehm. Doch in diesen Corona-Zeiten könne sie es der Familie nicht ermöglichen, sich von ihrem lieben Menschen zu verabschieden. »Das ist für die Angehörigen im Moment das Schlimmste, damit fertig zu werden.« Zumal es auch vorkomme, dass Angehörige ihren Lieben wochenlang im Krankenhaus nicht hätten besuchen können. Ihn dann auch nach dem Eintritt des Todes nicht zu sehen, sei eine Belastung.

Für solch einen direkten Abschied müsste sie einen Raum haben, den man komplett desinfizieren könnte, mit Kacheln an den Wänden, sagt Brehm. Doch den Raum habe sie nicht, und wenn sie ihn hätte, würde er wohl kaum eine würdevolle Atmosphäre bieten.

Es kann noch Luft ausströmen

Bernhard Laux geht mit solchen Situationen in seinem Steinfurther Abschiedshaus anders um. Er warnt die Angehörigen vor der Gefahr, die es beim Berühren des Verstorbenen gibt. Aber: »Ich werde eine Frau nicht abhalten, ihren Mann zu küssen. Das steht mir nicht zu.« Die Angehörigen hätten wochenlang nicht zu dem Erkrankten gedurft, deshalb brauche es wenigstens nach dem Tode irgendetwas. »Es ist nicht absehbar, was das mit einem macht, wenn man keinen richtigen Abschied genommen hat«, sagt Laux.

Er weiß um die Infektionsgefahr, die von einem an Covid-19 verstorbenen Menschen noch ausgeht. Deshalb setzt er der Leiche eine in Desinfektionsmittel getränkte FFP2-Maske auf, arbeitet mit Schutzausrüstung. Wenn man eine Leiche bewege, könne aus ihrem Mund oder aus ihrer Nase Luft ausströmen, erläutert Laux. Nase und Rachen werden mit Watte versehen, die vorher in Desinfektionsmittel getränkt worden ist.

Bei Bestattungen geht es immer um die Würde. Und so schneidet Laux die Kleidung auf und legt sie über die Leiche - »sodass es so aussieht, als wäre er richtig angezogen«.

Overall, Maske, Handschuhe und Füßlinge

»Die ganze Trauerkultur ist gegen die Wand gefahren«, sagt Thorsten Winter vom gleichnamigen Bestattungsinstitut mit Hauptsitz in Karben und Zweigstellen in Niddatal, Florstadt und Wöllstadt. Der Verstorbene werde von einem wasser- und luftdichten »Body Pack« umhüllt und so in den Sarg gelegt, der danach nicht mehr geöffnet werden dürfe. Ein Abschied der Angehörigen am offenen Sarg ist also in Corona-Zeiten nicht möglich. Winter hatte auch vor dieser Pandemie schon, wenn auch selten, mit infektiösen Verstorbenen zu tun. Aber eine solche Zahl an infektiösen Leichen ist für ihn neu. Die Zahl der Todesfälle sei in letzter Zeit nicht dramatisch gestiegen, aber sie seien normalerweise gleichmäßig verteilt, erläutert Winter. In den vergangenen vier Wochen seien die Sterbefälle sehr geballt aufgetreten - mit sechs bis acht an einem Tag.

Winters Bestattungshaus kümmerte sich um den zweiten Wetterauer Corona-Toten überhaupt. »Da sind wir mehr oder weniger ins kalte Wasser geworfen worden.« Winter und sein Team tragen bei ihrer Arbeit Overall, Maske, Handschuhe und Füßlinge. »Man sieht aus, als würde man aus einer anderen Welt kommen.«

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