Walter Sittler mit Sternstunden des Kabaretts
Auch fünf Jahre nach seinem Tod ist der Kabarettist Dieter Hildebrandt unvergessen. Das zeigte sich bei der Lesung von Hildebrandt-Texten von Schauspieler Walter Sittler.
Auch fünf Jahre nach seinem Tod ist der Kabarettist Dieter Hildebrandt unvergessen. Das zeigte sich auch bei der seit Längerem ausverkauften Lesung von Hildebrandt-Texten in der Aula der Augustinerschule. Sicher hatte auch der Protagonist des Abends, der aus unzähligen Fernsehserien und -filmen bestens bekannte Schauspieler Walter Sittler, einen beachtlichen Anteil an dem großen Interesse der vorletzten Lesung im Rahmen von »Friedberg lässt lesen« in dieser Lesesaison.
Sittler hatte 2013 nach Hildebrandts Tod dessen Buch »Letzte Zugabe« als Hörbuch eingelesen, ein Wunsch Hildebrandts und dessen Verlags. »Es wäre schön, wenn er heute selbst hier wäre, aber das wird er aus bekannten Gründen nicht mehr können«, meint Sittler nach der Begrüßung von Friederike Herrmann von der Buchhandlung Bindernagel.
Gefühl, Hildebrandt sei zurückgekehrt
Es ist ein Verdienst Sittlers, dass die Besucher schnell das Gefühl haben, Hildebrandt sei doch zurückgekehrt. Sittler hat eine Hildebrandt-Hommage zusammengestellt, in der er dessen Texte liest und spielt, aber auch über den satirischen Kämpfer erzählt sowie die Hildebrandt-Texte ergänzt und aktualisiert. Manchmal fiel es den 400 Besuchern gar nicht so leicht, Sittler zu folgen und zu erkennen, ob er gerade einen Text von Hildebrandt liest oder eigene Anmerkungen zum Besten gibt. Sittler schlüpft perfekt in Hildebrandts Rolle. Manchmal fliegen den Zuhörern die Worte staccatoartig um die Ohren, ein anderes Mal setzt er kurze Pausen, wechselt blitzschnell das Thema und verbindet Ereignisse, die eigentlich gar nicht zusammengehören.
Die letzten immer noch topaktuellen Texte Hildebrandts über Angela Merkels Politik gehören ebenso dazu wie die fiktive Abschiedsrede, die Hildebrandt Herbert Wehner einstmals auf den Leib geschrieben hat. Sittlers Lesung wird zu einer gesellschaftspolitischen Zeitreise durch die deutsche Geschichte. Viele Sternstunden des politischen Kabaretts werden dank Sittler so wieder lebendig.
Aufarbeitung der Kindheit und Jugend
Eine ist Hildebrandts Aufarbeitung seiner Kindheit und Jugend im Dritten Reich samt seiner Soldatenzeit im Zweiten Weltkrieg. Ein durchaus ernster, nachdenklicher Text. Bissig und satirisch war der Münchner Kabarettist dagegen bei seinen Lieblingsthemen wie Sport, CSU oder Bahn fahren. Hier waren Sittlers Ergänzungen im Hildebrandt-Stil schnell zu erkennen: »Schade, dass Dieter die Aussagen von Dobrindt, dem Jäger der verlorenen Maut, nicht mehr mitbekommen hat.« Und dann wandelt der bekennende »Stuttgart 21«-Gegner einen typischen Satz des Münchner Kabarettisten ab: »Niemand weiß, wo die Dummheit herkommt und wo sie hingeht, nur bei Dobrindt kann man sie orten.«
Die Zuhörer lachen und klatschen, nicht zum ersten und letzten Mal in dem zweistündigen Programm, in dem Sittler nicht nur die Rollen und Texte blitzschnell wechselt, sondern auch mehrmals zwischen Tisch und Rednerpult hin- und herpendelt. Ein weiteres Highlight waren Hildebrandts Bemerkungen über den Flughafen Berlin, die aktueller denn je sind: »Die Reden zur Eröffnung des BER sind schon fertig, nur der Flughafen nicht.« Zum Programm gehören Passagen aus dem Buch »Was aber bleibt« mit Hildebrandt-Texten aus fünf Jahrzehnten, welches Hildebrandts Lektor Rolf Cyriax anlässlich des 90. Geburtstag des Großmeisters des Deutschen Kabaretts im letzten Jahr herausgegeben hat.
Gegen Ende des Abends zündet Sittler eine Kerze an, es wird dunkel im Saal und der Schauspieler liest »Das Märchen von Prinz Gutti«, Hildebrandts geniale Abhandlung über Aufstieg und Fall von Karl-Theodor zu Guttenberg. Die Besucher dankten Sittler für zwei tolle Stunden mit Dieter Hildebrandt im Geiste.