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Das Theatermotto lautet: »Unterm Strich zähl’ nur ich«

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Friedberg (gk). Die Paravents auf der Bühne sind mit Dollarnoten tapeziert. Aus dem »off« erklingt »Money makes the World go round«. Vor diesem optisch-akustischen Hintergrund wird dem zahlreich erschienenen Publikum ein zweistündiges, in keinem Augenblick langweiliges Lehrstück in Sachen (US-)Kapitalismus geboten. Das Kleine Theater Bad Godesberg war auf Einladung der Volksbühne Friedberg in die Stadthalle gekommen.

Unbestrittener Star in der Komödie »Das Geld anderer Leute« von Jerry Sterner war der aus zahlreichen TV-Serienbekannte Martin Semmelrogge als »Larry theliquidator«. Sein ist es Job, marode Firmen aufzukaufen bzw. mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln zu versuchen, auch durchaus solideUnternehmen auf dem Weg der »feindlichen Übernahme« unter seine Kontrolle zu bringen.

Dieser Lawrence Garlinger (so sein bürgerlicher Name) ist ein fieser Finanzhai, wie er im Buche steht: »Ich folge nur den Gesetzen der freien Marktwirtschaft.« Das Schlimmedaran ist: Mit diesem zynischen Spruch hat er nicht einmal unrecht.

Das ganze Gegenteil von Larry ist Andrew Jorgenson (Karlheinz Dickmann), Vorstandsvorsitzender der altehrwürdigen »Draht- und Kabel-AG«. Obwohl im Kern gesund, ist sie in finanzielle Schieflage geraten - was Larry the liquidator auf den Plan ruft. Jorgenson ist der seriöse Unternehmer, der eben nicht »mit den Schicksalen anderer Menschen Monopoly spielt«, wie es seine langjährige Mitarbeiterin und Vertraute Bea Sullivan (Renate Clair) dem miesen Garlinger in einem eindrucksvollen Streitgespräch vorwirft. Ihre Tochter ist die smarte, selbstbewusste Anwältin Kate Sullivan (Susann Fabiero).

Sie tritt gegen Larry an, um die feindliche Übernahme der Fabrik zu verhindern. Ein verbissener Zweikampf entspinnt sich, in dem auch Kate bis an die Grenzen des Erlaubten geht: Sie lässt ihre Verbindungen zu Politikern und Wirtschaftsbossen spielen, mobilisiert die Öffentlichkeit und stellt Larry Garlinger moralisch an den Pranger. Susann Fabiero läuft hier zu großer Form auf; sie steht Martin Semmelrogge kaum nach.

In einer beklemmenden und eindrucksvollen Schlussszene treten Jorgenson und Garlinger vor die Aktionäre, die über einen eventuellen Verkauf der Aktienmehrheit an letzteren entscheiden müssen. In einem hochpathetischen Appell beschwört Jorgenson die Ideale des klassischen amerikanischen Unternehmertums, bezeichnet die Firma als »große Familie«, die unbedingt zusammenhalten müsse. »Sie haben gerade ein Totengebet gehört«: Larrys zynische Replik ist ein einziger Appell an gewissenlose Habgier und Raffsucht.

Da der windige Präsident der Fabrik, William Coles (Konrad Domann), heimlich sein Aktienpaket an Garlinger verkauft hat, geht die Abstimmung natürlich zu Garingers Gunsten aus. Zwei Jahre später stirbt Jorgenson und mit ihm die Illusion von Fair Deal und Fairplay. William Coles macht eineneigenen Laden auf, und Kate kriecht einige Monate später mit Garlinger unter eine Decke.

Deprimierender geht’s wahrlich nicht. Die Hoffnungen des Zuschauers auf ein Happyend in allerletzter Minute werden an diesem Abend brutal enttäuscht.

Der stürmische Applaus des Publikums erfüllte die Stadthalle für die fünf Bühnenakteure in einem beklemmenden Kammerspiel, das über ein »munteres Katz- und Mausspiel« (wie es so treffend im Programmheft heißt) weit hinausgeht.

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