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»Teures Personal-Geschachere«

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»Beschränkter Zugang« steht auf der Tür in der Friedberger Kaserne. Helmut Betschel (r., mit Parteifreunden) wird schon bald der Zugang zur Kreisregierung verwehrt.
»Beschränkter Zugang« steht auf der Tür in der Friedberger Kaserne. Helmut Betschel (r., mit Parteifreunden) wird schon bald der Zugang zur Kreisregierung verwehrt. © pv

Wetteraukreis (jw). Helmut Betschel hat vorgesorgt, in zweifacher Hinsicht. Der Erste Kreisbeigeordnete ließ sich prophylaktisch ans Ende der Grünen-Liste zur Kreistagswahl setzen. So kann er bei einer Abwahl in den Kreistag nachrücken; er will ja so oder so aktiv bleiben.

Betschel hat aber auch bereits jede Menge Termine für die nächste Zeit gemacht. Bis Mitte letzter Woche stand schließlich nicht fest, ob es zu einer Großen Koalition kommt und er von CDU und SPD in den Ruhestand geschickt wird. Nur ein paar der Termine wird er wohl noch erledigen können, Ende August sowie Ende September soll Betschel auf zwei Kreistagssitzungen abgewählt werden.

Aus dem Kreishaus ist Unmut zu hören. Landrat Joachim Arnold (SPD) hat in den letzten Jahren an allen Ecken und Enden gespart, die Haushaltsansätze aller Fachbereiche wurden gekürzt, die Mitarbeiter zogen mit. »Aber was das jetzt soll, weiß ich nicht«, sagt eine Mitarbeiterin, die verständlicherweise anonym bleiben will. Es gebe viel Kritik im Kreishaus. Wird Betschel abgewählt, erhält er bis Ablauf seiner regulären Amtszeit im September 2017 noch 75 Prozent seines Gehalts. »Das summiert sich«, sagt ein anderer Mitarbeiter des Kreises und macht eine Rechnung auf, genauso wie die AfD Wetterau. Deren Vorsitzender Klaus Herrmann geht von rund 1,4 Millionen Euro Mehraufwand an Personalkosten aus.

Dass es endlich eine Koalitionsregierung gebe, sei für die Arbeitsfähigkeit des Kreistags wichtig, schreibt AfD-Fraktionschef Herrmann in einer Pressemitteilung. Als Ersatz für einen abzuberufenden Grünen-Beigeordneten aber gleich zwei Stellen für hauptamtliche Kreisbeigeordnete zu schaffen, das lehne die AfD ab. Herrmann spricht von einer »unnötigen Personalaufblähung«, die den Bürgern teuer zu stehen komme.

Der abgewählte Erste Kreisbeigeordnete erhalte rund 100 000 Euro »fürs bezahlte Nichtstun«. Was die CDU-Vorsitzende Lucia Puttrich als normalen politischen Vorgang bezeichne, sei für die Bürger nur Geldverschwendung. Die AfD lehne die vorzeitige Abberufung Betschels ab und fordere CDU und SPD auf, »ihre offensichtlich nur aus parteipolitischen Gründen beabsichtigte vorzeitige teure Ablösung Betschels aufzugeben«.

Erschwerend komme hinzu, dass CDU und SPD den 2011 aus Kostengründen abgeschafften Posten eines zweiten hauptamtlichen Kreisbeigeordneten wieder einführen wollen. Herrmann: »Dieser zweite Hauptamtler kostet inklusive Nebenkosten (Büro, Fahrer, Sekretärin, Referent) rund 250 000 Euro im Jahr. Bei einer fünfjährigen Amtszeit sind dies rund 1,3 Millionen Euro.« Ein verantwortungsbewusster Umgang mit Steuergeldern sehe anders aus.

Appell an CDU und SPD

Dieses Vorgehen passe nicht in eine Zeit und Haushaltslage, »wo einerseits gespart werden muss und andererseits im sozialen Bereich mit höheren Ausgaben zu rechnen ist«, schreibt Herrmann. Die Koalition solle auf den zweiten hauptamtlichen Kreisbeigeordneten verzichten und das Geld sinnvoller verwenden. »Zum Beispiel für den Schuldenabbau, die Unterstützung von Kindertagesstätten, Schulen oder Schülertickets. Alternativ könnten für die insgesamt 1,4 Millionen Euro der beiden Personalentscheidungen in den nächsten fünf Jahren auch 11 667 Kinder aus sozialschwachen Familien einen Zuschuss von je 120 Euro für eine Ferienfreizeit erhalten«, rechnet Herrmann vor. Er befürchtet aber, dass »bei CDU und SPD nicht Vernunft und Sachargumente überzeugen, sondern dass der politische Machtproporz im Vordergrund steht«. (Archivfoto: jw)

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