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Sorge um Traditionsbetrieb

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Die FDP-Frauen Silvia Elm-Gelsebach und Malu Schäfer-Salecker (r.) probieren die Brötchen von Tobias Ulrich. Auch die CDU-Fraktion (unten) hat den Bäcker besucht.
Die FDP-Frauen Silvia Elm-Gelsebach und Malu Schäfer-Salecker (r.) probieren die Brötchen von Tobias Ulrich. Auch die CDU-Fraktion (unten) hat den Bäcker besucht. © pv

Friedberg-Dorheim (pm). CDU und FDP in Friedberg fürchten um den Fortbestand der Bäckerei Ulrich. Die beklagt seit Beginn der Kanalbauarbeiten in der noch bis Ende November gesperrten Ortsdurchfahrt massive Einnahmenverluste.

»Den Bau der Umgehung habe ich hingenommen und mich mit ihr arrangiert. Doch was die Stadt uns jetzt mit der Kanalbaumaßnahme zumutet, ist zu viel.« Tobias Ulrich findet beim Besuch der CDU-Delegation deutliche Worte. Bei ihrer Stippvisite in der seit 111 Jahren in Dorheim bestehenden Bäckerei und Konditorei mussten sich die Unionsvertreter einiges anhören.

Einig war man sich bei der Kritik an der Stadtverwaltung: Ulrich habe am 18. Juli ein lapidares Schreiben aus dem Bauamt erhalten, dass »demnächst Kanalbaumaßnahmen in Dorheim durchgeführt« würden und er mit Behinderungen rechnen müsse. »Kein Hinweis auf den Baubeginn, kein Hinweis auf Dauer und die Art der Behinderungen«, erzählt der Unternehmer. Kontakt zu ihm habe vonseiten der Stadt niemand aufgenommen. »Keiner hat sich offensichtlich Gedanken gemacht, was diese Baumaßnahme wirtschaftlich für mich und alle anderen Betriebe in der Wetteraustraße bedeutet«, betont Ulrich.

Nicht nur er, der monatlich eine Umsatzeinbuße von 8000 Euro zu verkraften habe, sei arg gebeutelt: Auch Apotheke, Druckerei, Blumenladen, Radio- und Aquaristikbetrieb, Metzgerei, Gaststätten und Hotelbetriebe litten massiv unter der Vollsperrung.

CDU-Stadtrat Dirk Antkowiak kritisiert die Verwaltung: »Hier wird die gesunde Infrastruktur eines ganzen Stadtteils sehenden Auges an die Wand gefahren.« Er könne nicht verstehen, warum sich die städtische Wirtschaftsförderung nicht schon im Vorfeld um ein aktives Baustellenmanagement gekümmert habe, um die Behinderungen möglichst gering zu halten.

Laut Ulrich soll die Bauleitung der Tiefbaufirma, angesprochen auf die mehrfache Blockade der Bäckereizufahrt durch Baufahrzeuge, geantwortet haben: »Dann backen Sie doch einfach weniger Brötchen.« Da war auch Stadtverordnetenvorsteher Hendrik Hollender nur noch sprachlos, heißt es in der CDU-Pressemitteilung.

Auch Vertreter der FDP-Fraktion haben Ulrich auf dessen Einladung besucht, um sich über die derzeitige Situation des in vierter Generation geführten Familienbetriebs zu informieren. Ihnen erzählte der Unternehmer, er habe erst vor wenigen Wochen 45 000 Euro in eine Tiefkühllagerzelle investiert, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben. So könne er größere Mengen von Brötchen-Teiglingen, die Ulrich noch selbst produziere, in 45 Minuten auf minus 18 Grad abkühlen. Dass diese Großinvestition für den Familienbetrieb zu einer Existenzbedrohung werden sollte, habe er nicht geahnt, sagte Ulrich im Gespräch mit Silvia Elm-Gelsebach und Malu Schäfer-Salecker. Auch ihnen gegenüber kritisierte er das »schlechte Baustellenmanagement der Stadt«.

Existenzbedrohende Investition

Hätte er mehr Infos gehabt, hätte er die Großinvestition erst nach Ende der Baumaßnahme getätigt und den zu erwarteten Umsatzrückgang frühzeitig bei der Urlaubsplanung der Mitarbeiter berücksichtigt. Ulrich wünscht sich laut FDP-Mitteilung mehr Verständnis aufseiten der Stadtverwaltung für die Anliegen der Unternehmer und Gewerbetreibende sowie eine frühzeitige und umfassendere Information bei Straßenbaumaßnahmen.

Beim Besuch der Liberalen ging es auch allgemein um die Zukunft kleinerer Betriebe. »Viele wissen leider nicht, welches Engagement in so einem Handwerksbetrieb steckt, der von langen Arbeitstagen und täglicher Nachtschicht geprägt ist«, sagte Ulrich. Nur mit Leidenschaft, Kreativität, einem guten Team, vielen Stammkunden und der Verpflichtung zur Tradition könnten kleine Familienbetriebe im Bäckerhandwerk überleben, ist er sich sicher.

In den letzten 25 Jahren habe Ulrich zwölf Lehrlinge zum Bäcker und Konditor ausgebildet. Derzeit beschäftigt er zwei Azubis im ersten und dritten Lehrjahr. Es werde auch im Bäcker- und Konditorhandwerk immer schwieriger, geeignete Bewerber zu finden.

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