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So klingt die russische Seele

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Von: Dr. Siegfried Preiser

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Lebensfreude und Melancholie, Liebesglück und Trauer: Das Römerberg-Quartett spielt das Eröffnungskonzert in der Stadtkirche unter dem Titel »Russische Seele«. © Dr. Siegfried Preiser

Friedberg. Wer von Streichquartetten der Komponisten Alexander Borodin und Peter Tschaikowsky berichten möchte, kommt gar nicht um den Begriff »Russische Seele« herum. Denn trotz ihrer Weltoffenheit und europäischen Orientierung vermitteln die beiden Komponisten in jedem Werk durch Melodien und Klangfarben ein charakteristisches Stimmungsbild russischer Mentalität des 19.

Jahrhunderts. Das Programm des Eröffnungskonzerts der 27. Friedberger Sommerkonzerte am Sonntag trug diesem Umstand Rechnung, indem es schon mit dem Titel »Russische Seele« angekündigt worden war. Die Streichquartette Nr. 2 von Borodin und op. 11 von Tschaikowsky, beide in D-Dur, boten also eine in Musik gesetzte kulturpsychologische Studie der russischen Mentalität:

Mit Texten russischer Autoren

Begeisterung und Sehnsucht, Lebensfreude und Melancholie, Liebesglück und Trauer, Überschwang und Nachdenklichkeit - die ganze menschliche Gefühlswelt fügte sich in einem mitreißenden Spannungsfeld zusammen.

Eine glückliche Programmplanung des Römerberg-Quartetts hatte die musikalische Charakterstudie um ein weiteres Medium bereichert: Alle Sätze der Streichquartette wurden vorbereitet durch eingeschobene Lesungen, welche die Werke nicht etwa unterbrachen oder gar zerrissen, sondern in beeindruckender Weise ergänzten und zusammenhielten.

Der Pianist Thorsten Larbig las die Texte russischer Autoren mit unaufgeregter, aber sehr einfühlsamer Stimme: Gorki, Turgenjew, Dostojewski, Tolstoi und Pasternak - die Textausschnitte der russischen Autoren haben in eindrücklicher Weise am vielschichtigen und kontrastreichen Gesamtbild der russischen Seele mitgewebt, wie es sich beispielhaft in der Formulierung »die Nachtigall mit dem süßen Gift ihrer Melodien« aus Maxim Gorkis Kindheitserinnerungen ausdrückt.

Das Quartett hatte sich 2001 in der Kunsthalle Schirn am Frankfurter Römerberg zusammengefunden, musiziert weiterhin in der ursprünglichen Besetzung und war auch in Friedberg schon öfter als geschätzter Gast zu hören: Michael Hahn und Andrea Seeger, Violine, Hildegard Singer, Bratsche, und Ruth Sarrazin, Cello. Das Quartett kostete dicht verwobene Klangkons-tellationen und fein ziselierte melodische Strukturen ebenso voll aus wie die verspielten, die schwärmerisch-schwelgenden und die melancholischen Stimmungen, ohne jemals die Grenzen zu geschmackloser Sentimentalität zu überschreiten (wie sie uns manchmal von bestimmten seriös daherkommenden Rundfunksendern zugemutet werden). Der anhaltende Beifall in der gut besuchten Stadtkirche entlockte dem Quartett einen kleinen Walzer als Zugabe, komponiert von Michael Hahns Tochter Rebekka.

Die Sommerkonzerte bieten in diesem Jahr wieder ein festliches Ambiente im angenehm kühlen Kirchraum mit dem Angebot von Pausengetränken und Pausengesprächen auf dem Vorplatz der Kirche.

Dr. Siegfried Preiser

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