Schrecken der Realität
Ein Mann allein plus Klavier auf der großen Bühne des Alten Hallenbades. Und ein vom ersten bis zum letzten Satz mitgerissenes Publikum, das gespannt lauscht, um keine Pointe von Martin Zingsheim zu verpassen, der wahres »Kopfkino« präsentiert. Man meint, der 34-Jährige mit den rot-blonden Locken würde frei drauf los assoziieren, wenn er seine Wortkaskaden loslässt und dabei etwa den Bildungsbürger aufs Korn nimmt, der er mit seinem frisch erworbenen Doktor-Hut doch selber ist. So selbstverständlich kommen die Aha-Effekte des mit Kleinkunstpreisen überhäuften Kabarettisten im Alten Hallenbad daher. Zingsheim hat Musikwissenschaften studiert und begleitet sich traumwandlerisch sicher zu Eigenkompositionen am Klavier.
Ein Mann allein plus Klavier auf der großen Bühne des Alten Hallenbades. Und ein vom ersten bis zum letzten Satz mitgerissenes Publikum, das gespannt lauscht, um keine Pointe von Martin Zingsheim zu verpassen, der wahres »Kopfkino« präsentiert. Man meint, der 34-Jährige mit den rot-blonden Locken würde frei drauf los assoziieren, wenn er seine Wortkaskaden loslässt und dabei etwa den Bildungsbürger aufs Korn nimmt, der er mit seinem frisch erworbenen Doktor-Hut doch selber ist. So selbstverständlich kommen die Aha-Effekte des mit Kleinkunstpreisen überhäuften Kabarettisten im Alten Hallenbad daher. Zingsheim hat Musikwissenschaften studiert und begleitet sich traumwandlerisch sicher zu Eigenkompositionen am Klavier.
Er hat schon zwei Follower
Das Ausnahmetalent redet, singt und spielt sich scharfsinnig durch seine Geistesblitze und freut sich über Zurufe, die er virtuos einbaut. Liebe, Hass, Erziehungsmethoden, Museumsbesucher, die sich wie Fußballfans verhalten und Picasso in ihre Sprechchöre einbauen, sind sein Beritt. Dabei schont er sich selbst nicht: So warnt er feixend, der Abend werde im Internet übertragen – er habe schon zwei Follower. Er beutet das Medium als Fundgrube aus, wo er gut trinkbare Rotweine zu unter zwei Euro sucht und er findet Rüpeleien wie: »Du scheiß Araber, geh zurück in deine Türkei!«; oder den Regensburger Kardinal Gerhard Ludwig Müller: »Aktive Homosexualität ist nicht in Ordnung«.
Sein am Klavier begleitetes Lied: »Manchmal hab« ich das Gefühl, es sei alles schon gesagt – aber nicht von mir«, eröffnet Beifallsstürme. Dazu braucht der Kölner zwei »Expressis« und geht auf den »Deutschen »Expressonismus« ein. Zu der Forderung, wir sollten mehr offline leben, bringt er zum Brüllen komisch die Geschichte eines Pärchen-Urlaubs in einer auf alt gemachten Berghütte: »Nach Strom-, Handy- und Laptopausfall fingen wir an zu sprechen, nach mehreren Tagen auch miteinander«.
Aber auch die Realität hat ihre Schrecken: »Mann über Bord – Frau überglücklich«. Und es gebe nicht nur einen inneren Schweinehund, etwa, wenn Jens Spahn sagt, »der Islam gehört zu Deutschland – schon wegen seines Antisemitismus«.
Man solle auch mal verrückte Sachen machen, etwa eine E-Mail mit dem Füller schreiben oder Berufe erfinden wie Fenster-Dekorateur bei Aldi. Und der Magen verlange nach übermäßigem Alkoholgenuss nach Freiheit. Bei Reisen »all inclusive« steht der Inklusionsgedanke im Mittelpunkt, wenn man drei Wochen auf den Psychoten zubringt oder auf den manischen Inseln in dem Hotel mit dem tollen Ödipool, wo der Urlaub Spastik machen soll.
Tiefsinnig wird es auch, wenn Zingsheim nach einer Wortkaskade über Kinder unvermittelt feststellt: « Alles, was Du hast, hat irgendwann Dich!«. Er spricht von Elternteilchen in der Bäckerei und vom Boykott der Fußball-WM durch Italiener und Niederländer, während die anderen mit den Kickern aus Willkürsystemen wetteifern. Ganz neue Töne ins alte Hallenbad brachte sein mit Beispielen angereicherter Vorschlag, Pfarrer sollten Fußballspiele kommentieren und Stadionsprecher doch einmal predigen.
Nach einer erklatschten Zugabe lässt sich das Fazit ziehen: Ein sehr gelungener und fröhlicher Abschluss des ersten Veranstaltungshalbjahres.