Rot-Rot-Grüne: »Schluss mit der ›Ausschließeritis»«
Friedberg (jw). Die CDU bleibt die stärkste Partei in Friedberg. So lassen sich die Ergebnisse der Bundestags- und Landtagswahlen zusammenfassen. In der Kreisstadt gilt wie anderorts: Gewinne bei den Christdemokraten, die SPD gewinnt leicht, die FDP verliert dramatisch, Grüne und Linke nur leicht, während die AfD auftrumpft.
Die Freien Wähler bleiben in Friedberg deutlich hinter ihren Erwartungen zurück. Nachdem ausgezählt ist, stellt sich vor allem eine Frage: Wird es auf absehbare Zeit nun doch eine rot-rot-grüne Landesregierung geben? Oder bleibt es bei der »Ausschließeritis« der Linken?
Wer am längsten in der Wahlnacht gefeiert hat, dürfte klar sein. »Oh ja«, meinte gestern Morgen der CDU-Vorsitzende Dr. Hermann Hoffmann und musste lachen. »Gefeiert, ja, das haben wir. Bis um 2 Uhr im Hüttchen«. Die Abgeordneten Veith, Utter und Dietz waren da, die Stimmung prächtig. »Gigantisch« nennt Hoffmann das Ergebnis, wenngleich er weiß, dass weder im Bund noch im Land geklärt ist, wie es weitergeht. »Das Ziel der Friedberger CDU war es, den richtigen Mann mit den richtigen Fähigkeiten für das Bundestagsdirektmandat aufzustellen. Das hat geklappt«, sagt Hoffmann. Aber was wird in Hessen? Kommt Rot-Rot-Grün? »Schäfer-Gümbel hat das zu 99 Prozent ausgeschlossen und zu einem Prozent offen gelassen. Wir sind sehr gespannt, wie sich das entwickelt.«
Offenbar ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die erste rot-rot-grüne Landesregierung im Westen etabliert wird. Bürgermeister Michael Keller (SPD) sieht die Sache pragmatisch: »Es gibt, nachdem die CDU die FDP erlegt hat, auf der einen Seite des politischen Lagers nur noch die Union und auf der anderen mit SPD, Grünen und Linken drei Parteien, die um weitgehend identische Wähler streiten.« Diese drei Parteien dürften sich nicht gegenseitig lahmlegen, die »Ausschließeritis« müsse beendet werden. Friedbergs SPD-Vorsitzender Benni Ster sieht das ähnlich: »Der Wähler ist der Souverän, wir müssen nun damit umgehen, wie er gewählt hat.« Damit dabei etwas herauskomme, müssten sich die Parteien alle Optionen offen halten. Mit den Wahlergebnissen seiner Partei ist Ster nicht zufrieden: »Wir haben zugelegt, haben uns nichts vorzuwerfen, aber es hätte mehr sein können.«
»Vollkommen leidenschaftslos«
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Florian Uebelacker sieht eine mögliche Koalition mit den Linken auf Landesebene »vollkommen leidenschaftslos«: »Wir werden das intern diskutieren. Ich persönlich sehe keine Vorbehalte, würde mit der Linken zusammenarbeiten. Aber das ist ein Prozess, der Monate dauert, bis man das der Öffentlichkeit vermitteln kann.« Mit dem Ergebnis der Grünen in Friedberg ist Uebelacker nicht zufrieden. Insbesondere will er analysieren, warum die AfD im neuen Baugebiet »Auf dem See« in einzelnen Wahlbüros bis zu 9 Prozent erreichte, »obwohl die dort keinen Wahlkampf gemacht haben«. Und mit der SPD müsse es einen neuen Anlauf für die Windräder auf dem Winterstein geben. »Wir hoffen, die Bürgermeister der vier Kommunen bleiben nicht bei ihrer Position stehen.«
»Ich wurde heute Nacht von einer SMS geweckt«, erzählte Achim Güssgen. So erfuhr der FDP-Vorsitzende, dass es seine Partei doch noch in den Landtag geschafft hat. Trotzdem: »Das ist ein bitteres Ergebnis, das wir uns selbst erarbeitet haben. Jetzt ist Demut angesagt.« Was heißt, dass Parteifreunde, die bislang im Dienstwagen durch Hessen gefahren wurden, »wieder an die Arbeit« müssen. Güssgen: »Ich erwarte von allen gewählten Abgeordneten, dass sie ihre Arbeit im Maschinenraum der FDP aufnehmen. Wir müssen wieder kampagnenfähig werden.«
Und was sagt Güssgen zu Rot-Rot-Grün? »Für mich ist ganz klar: Diese Partei hat noch viele Wurzeln und Berührungspunkte zur SED, die für 40 Jahren schlimmste Diktatur in der DDR steht.« Auch wenn manche Personen der Linken sympathisch seien, müsse gelten: »In Hessen geht das nicht. Und wenn die SPD das zum zweiten Mal versucht, wird es sie zerreißen.«
Die Linke sieht das naturgemäß anders, will nicht von vorneherein ausgeschlossen werden. Der frühere Kreistagsabgeordnete Karlheinz Hofmann (Karben) unterstrich dies am Wahlabend im Kreishaus. »Es gibt rechnerische Mehrheiten für einen Politikwechsel. Aber Peer Steinbrück will nicht, dass sein eigenes Wahlprogramm umgesetzt wird.« Die Übereinstimmungen von SPD und Linken seien sehr groß. Wenn die Sozialdemokraten, was sie postuliert hätten, die Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt korrigieren wollten, müssten sie sich bewegen. Hofmann: »Die SPD sollte endlich sagen, was sie will.« Das gelte besonders für Hessen. Im Bund sei eine Koalition sehr unwahrscheinlich, im Land stelle sich die Frage, warum es sie noch nicht gibt: »Entweder regiert die SPD nie wieder oder in einer Großen Koalition, oder sie öffnet sich den Linken.«