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Nutria-Tötung war legal

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An der Wetter bei Bruchenbrücken lebt eine ganze Nutria-Familie. Ein Jäger hat mindestens drei der Tiere vergangenes Jahr abgeschossen. Gesetzeswidrig war das nicht, entschied jetzt Florian Nakatenus, Richter am Friedberger Amtsgericht.	(Foto: dpa)
An der Wetter bei Bruchenbrücken lebt eine ganze Nutria-Familie. Ein Jäger hat mindestens drei der Tiere vergangenes Jahr abgeschossen. Gesetzeswidrig war das nicht, entschied jetzt Florian Nakatenus, Richter am Friedberger Amtsgericht. (Foto: dpa) © DPA Deutsche Presseagentur

Friedberg (lk).Besorgter Jagdpächter oder kaltblütiger Tierbaby-Mörder? Dies musste am Montag am Friedberger Amtsgericht geklärt werden. Einem 79 Jahre alten Jäger wurde vorgeworfen, im März 2015 ohne triftigen Grund eine Nutria-Familie an der Wetter bei Bruchenbrücken erschossen zu haben. Falsch, stellte der Richter fest.

Den vom Körper abgetrennten Nutria-Kopf hatte der 79-jährige Jäger kurzerhand als Beweisstück zur Verhandlung mitgebracht. Auch ohne einen Blick auf den Tierkopf zu werfen, sprach Florian Nakatenus, Richter am Friedberger Amtsgericht, den Niddataler frei.

Im März 2015 hatte der Jäger an der Wetter in Bruchenbrücken einige Nutrias, auch Biberratten genannt, erschossen. Bei Anwohnern und Tierschützern hatte das für Empörung gesorgt. Die Polizei ermittelte, am Montag stand der Jagdpächter nun vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft warf ihm einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vor. Der heute 79-Jährige habe gezielt auf das Muttertier geschossen und dann drei der insgesamt fünf Jungtiere erlegt, obwohl es dafür keinen triftigen Grund gegeben habe.

Mehrere Jägersleute waren zur Verhandlung erschienen, unterstützten den betagten Angeklagten moralisch. Der 79-Jährige berichtete, er sei am 10. März von einem Bruchenbrückener darauf hingewiesen worden, dass die Nutria-Jungen die Erdbeerpflanzen auf dessen Grundstück abgefressen hätten. »Ich habe im Jagdgesetz nachgeschaut: Nutrias haben keine Schonzeit.

« Also sei er tags darauf zum besagten Grundstück an die Wetter gefahren. »Einige Jungtiere saßen auf dem Feld.« Er habe sein Kleinkalibergewehr genommen und drei Schüsse abgegeben. »Einer ging daneben.« Auf der anderen Seite der Wetter habe eine Frau gestanden und ihn wüst beschimpft.

Der Angeklagte schilderte, tags darauf habe er eine Lebendfalle am Fluss aufgestellt. Diese sei zerstört worden. Auch seien die Hinterreifen seines Autos aufgestochen worden. »Wohl aus Rache.« Eine Woche darauf habe ihm jemand die rechte Autoseite eingeschlagen. »Ich kann nicht verstehen, dass man einem Jäger das Töten vorwirft.« 61 Jahre lang sei er auf die Jagd gegangen, habe sich dabei nie etwas zu Schulden kommen lassen. »Wenn man dann im Alter von fast 80 Jahren so übel vorgeführt wird, hat man keine Lust mehr«, sagte der Angeklagte. Abgesehen davon: Er habe nicht auf das Muttertier geschossen, sondern nur auf Jungtiere.

Das zu betonten, war dem Senior besonders wichtig, schließlich ist im Bundesjagdgesetz geregelt: »In Setz- und Brutzeit dürfen bis zum Selbstständigwerden der Jungtiere die für die Aufzucht notwendigen Elterntiere, auch die von Wild ohne Schonzeit, nicht bejagt werden.« Verteidiger Franz Reimche betonte: »Die Jungtiere waren etwa vier Monate alt. Sie haben keine elterliche Pflege mehr gebraucht.«

Ein 59-jähriger Bruchenbrückener, der Zeuge des Abschusses geworden war, berichtete, der Angeklagte habe zunächst ein großes Tier, dann zwei bis drei kleine erschossen. »Mich hat hauptsächlich gestört, dass er geschossen hat, obwohl jemand in der Nähe war.« Ein 22-jähriger Zeuge sagte aus, er habe nach dem dritten Schuss die Polizei alarmiert. Er habe den Angeklagten auch auf dessen Tun angesprochen. »Er sagte zu mir, er hätte eine Genehmigung.«

Eine 38-Jährige schilderte im Zeugenstand, sie habe dem Angeklagten zugerufen, er solle nicht schießen. Doch der Mann habe die Flinte in die Hand genommen und erst die Mutter, dann zwei Junge getötet. »Ich dachte, die Kleinen können ohne das Muttertier nicht leben.« Ob es sich bei dem großen Nutria mit Sicherheit um die Mutter der Jungen gehandelt habe, wisse sie jedoch nicht.

Verteidiger Franz Reimche plädierte auf einen Freispruch. Es stimme nicht, dass der Angeklagte keinen triftigen Grund gehabt habe, auf die Nutrias zu schießen. Die Jagd selbst sei ein vernünftiger Grund, wirke bestandsregulierend, erläuterte Reimche, der auch öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Jagdwesen ist. Zum Zeitpunkt des Abschusses der Biberratten sei die Gesetzeslage eine andere gewesen als heute: Die hessische Jagdverordnung habe damals keine Schonzeit für Nutrias vorgesehen. Der 79-Jährige sei jagdausübungsberechtigt, habe mit einer Waffe des richtigen Kalibers geschossen und das auch in einem Gebiet, wo er schießen dürfe.

Laut Reimche sei nicht klar, ob sein Mandant tatsächlich das Muttertier erschossen habe. Und selbst wenn, spiele das eigentlich keine Rolle, denn Nutrias seien nur wenige Tage auf diese angewiesen, würden schnell selbstständig. Sein Mandant habe »absolut im Rahmen seiner Befugnisse gehandelt«. Nicht nur das: »Er hatte sogar gute Gründe, um zu schießen. Eigentlich muss man sich bei ihm entschuldigen.«

Auch Amtsanwalt Nils Kühnel beantragte einen Freispruch. Richter Nakatenus kam der Forderung von Staatsanwaltschaft und Verteidigung nach. »Es lag ein vernünftiger Grund vor, um zu schießen.« Der Jagdpächter sei zudem aufgrund der vorliegenden Fressschäden verpflichtet gewesen, einzugreifen. Das Urteil ist rechtskräftig.

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