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Margot Käßmann über Selige und Schnäppchenjäger

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Leben wir in einer geizigen Gesellschaft? In der Stadthalle wirft Margot Käßmann kontroverse Fragen auf.
Leben wir in einer geizigen Gesellschaft? In der Stadthalle wirft Margot Käßmann kontroverse Fragen auf. © Mareike Geringswald

Sind Geld und Moral Gegensätze? Für die Theologin Margot Käßmann nicht. Bei der Mitgliederversammlung der Volksbank Mittelhessen in der Stadthalle Friedberg spricht die gebürtige Marburgerin über christliche Werte, den Reiz der Ökonomie und »Geiz ist geil«-Mentalität. Und wird dafür mit Applaus von 1000 Besuchern belohnt.

Die Wirtschaft ist kein eigener Raum im Abseits, in dem es um Gewinne geht. Es ist ein Wirtschaften für die Menschen, sagte Prof. Margot Käßmann, Theologin, Pfarrerin und ehemalige Vorsitzende des Rates der evangelischen Kirche in Deutschland, in ihrem Vortrag bei der Mitgliederversammlung der Volksbank Mittelhessen in der Friedberger Stadthalle.

Bei ihrem Vortrag schien Margot Käßmann in ihrem Metier zu sein. Kraftvoll und schlagfertig erzählte sie von den Werten des Christentums. Die Einladung der Volksbank habe die Theologin ohne lange zu überlegen angenommen. Sie kommt selbst aus Mittelhessen, wurde in Marburg geboren und wuchs in Stadtallendorf auf. Es sei sehr vertraut hier, sie komme gerne her. Für sie sei es reizvoll, in nicht-kirchlichen Bereichen wie dem Wirtschafts- und Bankenwesen über christliche Themen zu sprechen. Die christliche Botschaft sei nicht beschränkt. Die vielen politischen, aber auch Finanz- und Wirtschaftskrisen der vergangenen Jahre werfen laut Käßmann die Frage nach den gesellschaftlichen Werten neu auf.

»Leben alle in einem Haus«

Trotz enormer Austrittszahlen suchten Menschen doch immer wieder Orientierung. Die christlichen Werte böten diese Orientierung und dienten dem sozialen Miteinander. Gerade die zehn Gebote, die heute noch immer Relevanz hätten, bildeten eine Grundlage des Vertrauens für das gemeinschaftliche Leben. In ihrem Vortrag ging es der Theologin aber nicht nur um die Werte der religiösen Gemeinschaft. Sie schlug vom Glauben und der Religion eine Brücke zur Ökonomie und den Banken.

»Ökonomie leitet sich ab von ›oikos». Oikos heißt auf griechisch das Haus. In diesem Haus leben wir alle«, erklärte die Theologin dem Publikum. In dieses Haus gehöre vieles, auch die Wirtschaft. Deshalb müsse sie sich den Lebensregeln annähern, die der Gemeinschaft zuträglich seien.

»Wirtschaft ist nicht für sich selber da«, sagte Käßmann. Es gehe nicht um den Gewinn, sondern um den Menschen. Deshalb müsse man sich auch fragen, wie man selbst wirtschafte. Der christliche Glaube biete einen Gegenentwurf zur Geldgier und der »Geiz ist geil«-Mentalität. Es gehe um das Wirtschaften für das Leben miteinander, im Land und in der Welt. In ihrem Vortrag ging sie auch auf das Wirtschaften des Einzelnen ein. So müsse man sich fragen, unter welchen unwürdigen Bedingungen Menschen in der Produktion von billiger Ware im Ausland arbeiteten. Auch das Sparen an Lebensmitteln thematisierte sie. Für Lebensmittel sei früher Geld ausgegeben worden, Fleisch und Braten habe es am Sonntag gegeben. »In der Bibel steht nicht ›Selig sind die Schnäppchenjäger»«, betonte Käßmann. Eine der größten Herausforderungen sei es, Menschen in einen Oikos hineinzuholen, damit sie nicht herausfallen.

Gierige Banken? Gierige Menschen!

In der Wirtschaft brauche man das Bankenwesen. Auch in der Bibel gehöre das Geld zum Leben dazu, die soziale Dimension müsse aber im Blick bleiben. Es gebe keine gierigen Banken, sondern nur gierige Menschen. Diese müssten für ihr Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden. Die Krisen hätten gezeigt, was es heißt, wenn Geld nur noch auf Gewinn hin spekuliert werde. Wenn man Banken braucht, seien genossenschaftliche – wie die Volksbank Mittelhessen – am ehesten angemessen, die nicht auf Gewinne an der Börse aus seien. »Es geht mir um eine Ökonomie der Menschen, ein Wirtschaften für die Menschen«, sagte Käßmann. Banken könnten nur da sein, um dem Menschen zu helfen.

Für ihre teilweise auch amüsanten Aussagen erhielt Käßmann vom Publikum viel Applaus und zahlreiche Lacher. Wie gut ihr Vortrag ankam, war im Anschluss zu sehen: Käßmann blieb noch eine Weile, um Bücher zu signieren. Viele der Zuhörer kauften ein Buch von ihr und holten sich ein Autogramm der Theologin.

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