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Hochwasser im Wetteraukreis: Wie sicher sind Friedberg und die anderen Kommunen in der Wetterau?

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Von: Jürgen Wagner

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Die Wetter bei Bruchenbrücken bietet Spaziergängern traumhafte Einblicke in eine fast noch wilde Flusslandschaft.
Die Wetter bei Bruchenbrücken bietet Spaziergängern traumhafte Einblicke in eine fast noch wilde Flusslandschaft. Stadt und Wasserverband haben vor Jahren Hochwasserschutzmaßnahmen umsetzen lassen. Aber reicht das aus? © Nicole Merz

Die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz weckt Erinnerungen an Hochwasserlagen in der Wetterau. Wie ist der Hochwasserschutz im Wetteraukreis?

Friedberg – Ältere Mitglieder der Friedberger Feuerwehr können das Jahrhunderthochwasser von 1981 nicht vergessen, jüngere haben die Geschichten oft gehört. Vor 40 Jahren, am 11. August 1981, bekam Bruchenbrücken die Wucht des Wassers zu spüren. Der Ortskern stand einen Meter unter Wasser, ein Feuerwehrmann kam bei einem Stromschlag ums Leben. Das, waren sich die Verantwortlichen einig, darf sich nicht wiederholen.

Ein denkwürdiges Hochwasser ereignete sich 2013, als neben der Elbe zahlreiche Flüsse in Mitteleuropa über die Ufer traten und verheerende Folgen nach sich zogen. Eine Reaktion darauf war der »Maßnahmensteckbrief Hochwasserrisikomanagementplan für das Gewässersystem der Nidda«, den das Regierungspräsidium Darmstadt 2015 vorlegte.

Bei extremem Hochwasser seien viele Schutzanlagen im Wetteraukreis nicht mehr wirksam

Laut diesem Steckbrief (einsehbar auf der Internetseite des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie) besteht an Nidda, Nidder, Seemenbach, Usa und Wetter ein »überwiegend geringes« Gefährdungspotential. Bei Extremhochwasser stelle sich die Situation anders dar. Dann seien viele Schutzanlagen nicht mehr wirksam, die Orte würden überschwemmt.

Ein Beispiel ist der Kuhweidweg in Dorheim. Er verläuft parallel zur Wetter, macht vor dem Kerbplatz einen Knick nach Süden. Hier empfehlen die Experten den Bau einer rund zehn Meter langen Verwallung, damit die Wetter bei Hochwasser nicht über die Ufer tritt. Betroffen wären auch rund 25 Wohn- und Nebengebäude in der Ortsmitte (Kreuzgasse, Zur Bleiche, Brüder-Grimm-Weg, Wetteraustraße in Höhe der Wetterbrücke). Neben Wällen werden auch »mobile Elemente« empfohlen, mit denen die Straßendurchfahrten verschlossen werden könnten. Der Bau eines solchen Schutzwerks in Dorheim wird im Hochwasserplan in die Prioritätsstufe »Vorzug« eingeordnet.

Hochwasserschutzbauten in Friedberg

Bei diesem wie bei anderen Projekten handele es sich um Vorschläge, sagt Thomas Buch, Wasserbauingenieur und beim Wetteraukreis Leiter der Fachstelle Wasser- und Bodenschutz. Friedberg habe einen großen Teil seiner »Hausaufgaben« gemacht. Bereits 2008 wurde der Hochwasserschutz für Bruchenbrücken umgesetzt. Die Wetter erhielt ein neues Bett, Wälle und Spundwände schützen den Ort seither. Dafür war der Wasserverband Nidda verantwortlich. »Viele brisante Punkte wurden entschärft«, sagt Buch.

Auch die Stadt selbst war nicht untätig. So bestehen Hochwasserschutzbauten entlang der Usa, von den 24 Hallen bis zur Kläranlage. Sie schützen Fauerbach. »Damit sind die beiden am stärksten von Hochwasser betroffenen Ortsteile geschützt«, sagt Michael Leicht vom Amt für Stadtentwicklung.

Hohe Kosten der Hochwasserschutzmaßnahmen als Problem – Hochwasserschutz neu bewerten

Bereits 2014 beschäftigten sich die politischen Gremien in Friedberg mit dem Hochwasserrisikomanagementplan. Ein Problem ist die Finanzierung der Maßnahmen. Zwar gibt es Zuschüsse des Landes. Der städtische Eigenanteil liege aber bei 70 Prozent. Das ist eine Erklärung dafür, warum eine Reihe von Maßnahmen nicht umgesetzt sind. Aus dem Rathaus hieß es, die letzten Hochwasserlagen in Dorheim und Ossenheim, einem weiteren Risikogebiet, seien moderat ausgefallen. Würden die Vorschläge umgesetzt, bedeutete dies einen hohen technischen und finanziellen Aufwand. Seitens der Wasserbehörden wird zudem die Eigenverantwortung jedes einzelnen Betroffenen betont. »Den Bauherren war damals bekannt, dass sie ihre Gebäude im Überschwemmungsgebiet bzw. direkt daneben errichteten«, heißt es dazu.

Leicht: »Unter dem Eindruck der Hochwasserereignisse der letzten Monate wird das Amt für Stadtentwicklung in einen erneuten Dialog mit dem Wasserverband Nidda sowie den Wasser- und Naturschutzbehörden treten, um die Realisierungsmöglichkeiten der Maßnahmen für Dorheim und Ossenheim zu prüfen.« Ansonsten gelte in Friedberg: Die Ortslagen sind hochwasserfrei.

Auch Buch sagt, man müsse Hochwassermaßnahmen unter den Eindrücken der jüngsten Flutkatastrophe neu bewerten: »Das waren Niederschläge ungeahnten Ausmaßes. Dazu kam, dass eine Talsperre überlief.« Die Topographie der Wetter unterscheide sich aber deutlich von jener der Ahr.

SPD-Fraktion in Friedberg fordert Starkregen-Gefahrenkarte für Hochwasserschutz

Es gab so manche Hochwasser in den letzten Jahrzehnten in der Wetterau. Im Juli 2014, während Millionen Deutsche den 1:0-Siegtreffer von Mario Götze im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft gegen Argentinien bejubelten, verwandelten wolkenbruchartige Regenfälle den kleinen Rimbach in Nidda-Wallernhausen in einen reißenden Strom. Das Dorf versank im Chaos, die Schilderungen der Lage (»wie nach einem Bombenangriff«) nahmen die Katastrophe im Ahr-Tal im kleineren Maßstab vorweg. Im Januar wurde die Altstadt von Büdingen geflutet. Eine Mauer am Seemenbach brach unter dem Druck der Wassermassen.

Die SPD-Fraktion in Friedberg fordert in einem Antrag für die nächste Sitzung des Stadtparlaments Aufklärung über den Sachstand der Hochwassermaßnahmen in der Kreisstadt. Der Magistrat solle vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie eine kommunale Fließpfadkarte erstellen lassen. Diese Karte zeige für Ortsteile mit Hanglage (Ockstadt, Ossenheim, Bruchenbrücken, Bauernheim und Dorheim am Wingert) auf, wo sich das Wasser im Fall der Fälle verteilt. Ein Ingenieurbüro müsse zudem eine Starkregen-Gefahrenkarte für Friedberg erstellen. Angesichts der Ereignisse im Westen Deutschlands müsse die Stadt »zum Schutze unserer Bevölkerung vor Hochwasser alles Notwendige und Mögliche veranlassen, um mindestens Gefährdungsminimierung zu betreiben«, schreibt der SPD-Fraktionsvorsitzernde Dr. Klaus-Dieter Rack. »Dazu gehört, künftige Planungen für Baugebiete auch unter dem Aspekt des Hochwasserschutzes in den Blick zu nehmen.« Das trifft auf die Schlammteiche in Fauerbach zu, bis zur Wetter ist es von dort nicht weit.

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