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»Eine klassische Betrügerin im Endstadium«

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Friedberg (lk). »Wegen Überfüllung geschlossen«, teilte die Anzeige am Sitzungssaal 28, dem größten Raum des Friedberger Amtsgerichts, in roten, leuchtenden Buchstaben am Dienstag mit. Sämtliche Sitz- und Stehplätze waren während der Verhandlung gegen eine 62-jährige Frau aus Bruchenbrücken belegt.

Nach über fünf Stunden schloss Richter Dr. Markus Bange, Vorsitzender des Schöffengerichts, die Beweisaufnahme. Er sprach die Rentnerin des gewerbsmäßigen Betruges in elf Fällen, der Untreue in zwei Fällen und der Urkundenfälschung schuldig. Bange verurteilte die Frau zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren – der Höchststrafe, die das Gericht aussprechen darf. Dutzende Bürger Bruchenbrückens und Niddatals – den Wohnorten der Opfer – waren gekommen, um zu sehen, wie das Verfahren um die Frau endet, die ihre Bekannten zwischen 2009 und 2011 um deren Ersparnisse, rund 220 000 Euro, gebracht hatte.

Mit Zinserträgen bis zu 80 Prozent gelockt

Um an das Geld zu gelangen, hatte die ehemalige Bankangestellte gegenüber Freunden behauptet, Geld zu besonders günstigen Konditionen anlegen zu können. Mit Zinserträgen von bis zu 80 Prozent lockte sie ihre späteren Opfer. Die machten mit. Auch die 82-jährige Nachbarin der Angeklagten. Zunächst habe die Frau sich immer wieder bei ihr Geld geliehen, erinnerte sich die 82-Jährige. Eines Tages habe die Angeklagte zu ihr gesagt: »Ich kann dir was Gutes tun.

« Sie habe erzählt, dass sie auf ihrem alten Personalkonto bei einer Frankfurter Bank so viel Geld anlegen könne, wie sie wolle. »Ich würde jede Menge Zinsen kriegen«, erinnerte sich die Zeugin an die Versprechen der Angeklagten. Das Geld habe sie der Nachbarin auf Wunsch stets bar übergeben, insgesamt über 72 000 Euro.

Mit der selben Masche gelangte die Angeklagte auch an das Geld zweier Rentnerinnen und eines betagten Ehepaares. Das 82-jährige Opfer aus Bruchenbrücken erinnerte sich daran, wie sie sich einen Anwalt gesucht hatte, nachdem das Geld nicht – wie schriftlich festgehalten – einige Wochen später zurückgezahlt wurde. Der Anwalt stellte fest, dass seine Mandantin betrogen wird und nahm Kontakt zur 62-Jährigen auf. Bei einem Gespräch unter vier Augen habe die Frau auf ihn »wie eine klassische Betrügerin im Endstadium« gewirkt. Während der Unterhaltung habe sie ihm erzählt, dass ihr Kontaktmann bei der Bank derzeit im Urlaub sei und sie daher Probleme mit der rechtzeitigen Rückzahlung des Geldes habe.

Diese Sicht der Dinge vertrat die Angeklagte auch während der gestrigen Verhandlung. Sie habe das Geld immer ihren ehemaligen Arbeitskollegen von der Bank gegeben, die es für sie aufs Konto eingezahlt hätten, behauptete sie. Beim Einen handle es sich um einen Friedberger – der sich im vergangenen Jahr nachweislich getötet hat –, beim Anderen um einen Herren mit dem Nachnamen »Monzo« – den weder Polizei, noch Staatsanwaltschaft oder Gericht hatten ausfindig machen können.

Die Angeklagte, die bereits seit November 2011 in Untersuchungshaft sitzt, beharrte darauf, keinen Cent von den »angelegten« 220 000 Euro behalten zu haben. Vom Tod des Friedbergers habe sie erst ein halbes Jahr nach dessen Suizid erfahren, »Monzo« sei plötzlich nicht mehr zu erreichen gewesen. Das Personalkonto der Frau existiert inzwischen übrigens nicht mehr, stellte sich während der Verhandlung heraus. Hinzu kam, dass der Angeklagten nachgewiesen werden konnte, Kontoauszüge und einen Überweisungsträger gefälscht zu haben.

Den eigenen Ehemann betrogen?

Nicht angeklagt war der mutmaßliche Betrug am Ehemann der Angeklagten. Der 71-Jährige hatte seiner Frau über 200 000 Euro zum Anlegen gegeben, von denen er bisher rund 160 000 Euro nicht zurück bekommen habe, sagte er im Zeugenstand.

Psychiater Rainer Gliemann hatte in mehrstündigen Gesprächen überprüft, ob die Angeklagte schuldunfähig ist oder unter einer psychischen Störung leidet. Beides sei nicht der Fall, besagt sein Gutachten.

»Das ist erst die Spitze des Eisbergs, die Staatsanwaltschaft ermittelt in weiteren Fällen«, teilte Staatsanwalt Hauburger mit, der sich für eine Freiheitsstrafe von vier Jahren aussprach. »Das Mysterium ist doch, wo das Geld hin ist«, betonte Pflichtverteidiger Peter Heidt, der die Meinung vertrat, die Staatsanwaltschaft habe es sich zu einfach gemacht, indem sie ausschließe, dass noch andere Leute bei der Sache im Spiel gewesen seien, zumal die Hintergründe des Todes des Friedbergers nicht recherchiert worden seien.

Die Angeklagte entschuldigte sich unter Tränen bei ihren Opfern. »Ich wäre die erste, die das Geld zurückgeben würde, wenn ich wüsste, wo es ist«, sagte sie. Das Gericht teilte die Meinung der Staatsanwaltschaft. Die Frau muss für vier Jahre ins Gefängnis. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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