Ehemalige US-Kaserne in Friedberg: Eine Geisterstadt mit Potenzial - Mit Bildergalerie

Großer Andrang herrschte am Samstag beim Tag der offenen Kaserne in Friedberg. In Bussen erkundeten die Bürger das riesige Gelände, das enorme Entwicklungschancen bietet.
Friedberg - Geisterstädte strahlen einen morbiden Charme aus. Aus allen Ecken lugt Vergangenes hervor, das an einstiges Leben erinnert. Die Friedberger Kaserne ist so eine Geisterstadt. Riesig, zugewuchert und von einem Zaun umgeben. Am Samstag stand die Kaserne zur Besichtigung offen, die Besucher kamen in großen Scharen. Kein Wunder: »Wo man sonst nicht hin darf, ist es eben am spannendsten«, meinte Bürgermeister und Gästeführer Dirk Antkowiak.
Besichtigung heißt nicht Begehung. Drei Busse fuhren die Besucher durch das 74 Hektar große Areal. »Es gibt hier gefährliche Löcher«, sagte Bürgermeister Dirk Antkowiak. Eines habe er auf Google Earth entdeckt: Ein Löschwasserteich, verborgen hinter Hecken und Bäumen. Beim Tag der offenen Kaserne kamen rote Absperrbänder und Metallgitter hinzu. Erst letzte Woche buddelte der Kampfmittelräumdienst an der Panzerschießanlage Munitionsreste aus. Nein, sagte der Bürgermeister, für Spaziergänger könne man das Gelände leider nicht öffnen.
So standen die Besucher in Schlangen vor der Kantine und warteten auf den Bus. In der Kantine, die kurioserweise erst nach dem Abzug der US-Armee fertiggestellt wurde, informierten Stadtverwaltung, Baulandoffensive Hessen und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) über die Pläne. Die Baulandoffensive kümmert sich um Gutachten für Natur- und Artenschutz, Altlasten und eben Kampfmittel.
Kaserne Friedberg: Wohnungsbau soll entstehen
Fotos zeigten Gebäude aus den Anfängen der Kaserne 1913 bis zum Abzug der US-Armee. Auf Schautafeln konnten die Besucher Anregungen zur Nutzung des Geländes machen. »Günstiger Wohnraum« wurde gefordert, Grünflächen und Bäumen sollten erhalten bleiben, eine Elvis-Presley-Gedächtnisstätte wurde vorgeschlagen. Eine Frage, die immer wieder gestellt wurde, mit wenigen Sätzen aber nicht zu beantworten ist: Warum dauert es so lange, bis das Kasernengelände entwickelt wird?
Claus Niebelschütz, Verkaufsleiter bei der BImA-Hauptstelle in Koblenz, erinnerte an die Versuche vor acht Jahren, auf der Expo-Real in München gewerbliche Nutzer zu finden. »Die Nachfrage war gering.« Mittlerweile seien die Bedürfnisse klarer: Wohnraum wird benötigt. Zwei Drittel der Kaserne sind hierfür vorgesehen. Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) hat die Wohnrauminitiative »Großer Frankfurter Bogen« ausgerufen: Das Land unterstützt Kommunen im Umkreis der Mainmetropole bei der Entwicklung von Wohngebieten. Niebelschütz: »Die Friedberger Kaserne ist die größte zur Verfügung stehende Fläche.«
Kaserne Friedberg: PC-Laden und Tatort-Kulisse
Es gab viel zu sehen: die enorme Größe des Geländes; die unterschiedlichen Baustile der Mannschaftsgebäude die zwischen 1913 und den 1990er-Jahren entstanden; der PX-Laden, wo so manche Friedberger Steaks einkauften; der »Burger King«; das zugewucherte Schild der Pizza »Villa Calabria«; die Bowlingbahn; die Panzer-Werkstatt, die Tatort-Kommissar Ulrich Tukur als Drehort diente und am Sonntagabend in der ARD spektakulär »in die Luft flog« (Rauchspuren an der Fassade erinnern daran); die Flüchtlingsunterkünfte, die für viel Geld eingerichtet, aber nie genutzt wurden.
Die Fahrt über eine 1,55 Kilometer lange Panzerstraße (bis zu zwei Meter tief, wie bei Bauarbeiten festgestellt wurde) war für viele der rund 2000 gezählten Besucher eine Reise in die Vergangenheit. Helmut Medler fuhr hier in den 1970er-Jahren Taxi. Er hatte ein Streichholzheftchen mit dem Wappen der in Friedberger stationierten US-Einheit mitgebracht. »Ganz schön zugewuchert« sei das Gelände. Andere Besucher erinnerten sich ans Deutsch-Amerikanische Freundschaftsfeste am 4. Juli auf dem Sportgelände gegenüber dem Raiffeisenmarkt. »Hier haben wir gegen die Soldaten Fußball gespielt«, sagte ein Friedberger beim Blick auf die Festwiese.
Wenige Meter weiter »Ghost City«, heute eine Geisterstadt in der Geisterstadt, früher trainierten US-Soldaten hier den Häuserkampf. Am Hang unterhalb der Festwiese die Panzerschießanlage. Soldaten schossen hier aus dem Panzer heraus mit Maschinenpistolen. Nebenan die Waschstraße, eine grauer Betonschlauch mit rundem Becken am Ende.
Nach dem ersten Irakkrieg standen hier 1000 Panzer, darunter sowjetische Beutestücke. 1913 setzte die kaiserliche Armee noch auf Pferde. Die Ösen zum Anbinden ragen noch aus den Wänden der Pferdeställe. Der Reitplatz inmitten dieses Gebäudekomplexes steht unter Denkmalschutz.
Ob das auch für die Nissen-Hütte gilt? Diese halbrunde Wellblechhütte steht am Rande der Kaserne mitten auf der nördlichen Einfahrt und blockiert den Bau von Versorgungsleitungen. Nach Ansicht von Bürgermeister Antkowiak wäre die Hütte im Hessenpark besser aufgehoben.