Die ARS ist auf den Schulhund gekommen

Wenn Rudi das Klassenzimmer betritt, darf er sich auf jede Menge Streicheleinheiten freuen. Der dreieinhalbjährige Münsterländer ist der Schulhund der Friedberger Adolf-Reichwein-Schule.
Kaum ist Rudi durch die Tür geschlüpft, um die Kinder zu begrüßen, ergreifen drei Erstklässler die Flucht. Unter spitzen Schreien verdrücken sie sich in die hinterste Ecke des Klassenzimmers. Als sich die Mitschüler zum kollektiven Streicheln rund um Rudi versammeln, sind aber auch die drei Angsthasen dabei. Das war wohl nur gespielt.
Schulhunde werden immer beliebter. In vielen Studien haben Wissenschaftler nachgewiesen, dass Schulhunde einen positiven Einfluss auf das Lernverhalten von Kindern haben. Das weiß auch Joachim Kunze. Er ist nicht nur Lehrer für Musik und Religion an der Adolf-Reichwein-Schule in Friedberg, sondern auch Jäger. Und Jäger führen einen Jagdhund mit sich. »Arnd vom Schackenberg« heißt der dreieinhalbjährige Münsterländer Rüde, aber wer will schon so heißen? »Rudi« ist viel knuffiger und passt auch gut zu dem aufgeweckten Vierbeiner.
»Das ist der am meisten gebuchte Hilfslehrer der Adolf-Reichwein-Schule«, sagt Kunze lachend. Die Kinder reißen sich um Rudi. Für Raya Schmidt, Schulleiterin der Integrierten Gesamtschule, ist Rudi ein Glücksfall: »Das ist wunderbar. Die Kinder lieben ihn, schmusen mit ihm, wollen ihn streicheln. Er ist eine echte Bereicherung.«
Schulamt erteilt Genehmigung
Natürlich kann kein Lehrer einfach so seinen Hund mit in den Unterricht bringen. Dafür benötigt die Schule Genehmigungen vom Schulamt und dem Wetteraukreis. Der Hund muss sich für den »Job« auch eignen. Das trifft auf Rudi zu. Er hat eine Jagdausbildung und zig weitere Prüfungen abgelegt. Die Eltern wurden informiert, Allergien wurden abgefragt. »Und wir haben eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen«, sagt Schmidt. Ein halbes Jahr dauerten die Vorbereitungen. Jetzt sei sie »sehr glücklich« über den neuen Mitarbeiter, sagt Schmidt.
Kunze hat beobachtet, dass Rudi eine beruhigende Wirkung auf Kinder hat. Besonders im Grundschulalter können sie mit Hunden Sozialverhalten erlernen. Sich um jemanden kümmern, Empathie zeigen und verstehen, welche Bedürfnisse das Tier hat - das alles ist viel leichter zu vermitteln, wenn man nicht nur drüber redet. Manche Kinder hätten anfangs Angst, sagt Kunze. »Am Ende der Stunde streicheln sie Rudi dann doch.« Ganz vorsichtig, mit lang ausgestrecktem Arm. Und beim nächsten Wiedersehen wird der Abstand schon geringer.
»Wir setzen unseren Schulhund auch im Biologie-Unterricht der 5. Klassen ein«, erzählt Schulleiterin Schmidt. Das Thema Haustiere lasse sich am lebenden Objekt viel anschaulicher behandeln. Die Schulklassen können Rudi »buchen«, dann kommt er zu Besuch. Im Sprach-Unterricht etwa werden Sitz- oder Platz-Befehle auf Spanisch, Französisch und Englisch geübt.
Rudi spricht übrigens nur hündisch und das eher selten. »Wenn ein Schüler die Brotdose wegzieht, an der er schnuppert, macht er schon mal leise ›wuff‹«, erzählt Kunze. Ansonsten ist Rudi während des Unterrichts ein lammfrommes Wesen. Ganz im Gegenteil zur Jagd mit dem Herrchen, wenn er einem zwölf Kilo schweren, Wildschwein hinterherjagd. Er kann das unterscheiden, Hunde sind sehr gelehrige Wesen.
Alle wollen Rudi streicheln
In der 1. Klasse ist heute der Buchstabe »S« an der Reihe, klärt Klassenlehrein Ilona Kunze auf. Der kleine Ben in der letzten Reihe lässt sich von Rudi nicht ablenken. »Ich muss fertig werden, dann kriege ich eine Belohnung«, verkündet er stolz. »Ich kann sogar beidhändig schreiben.«
Seine Mitschüler können beidhändig streicheln. Jeder will mal, alle reißen sich um Rudi. »Normalerweise liegt er im Unterricht neben mir auf seiner Decke«, sagt Kunze. Allein das wirke schon beruhigend auf die Schüler. »Das funktioniert aber auch in der 9. oder 10. Klasse.«
Wir schauen kurz in der 5a vorbei, Rudi will sich vorstellen. Die Klasse ist noch mit der Sitzordnung beschäftigt, um die sich Rudi nicht weiter schert. Er wuselt um Tische und Bänke herum und ist für die Kinder eine willkommene Abwechslung. Als die Fotografin »Rudi, lächeln!« ruft, muss Klassenlehrer Alexander Mäder grinsen: »Wenn er das schafft, ist er ein guter Schulhund.« Im nächsten Augenblick guckt Rudi in die Kamera - er wirkt entspannt und zufrieden, ja, man hat fast den Eindruck: Rudi lächelt.

