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Der (fast) vergessene Maler aus Friedberg

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Von: Petra Ihm-Fahle

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Die Werke des Friedberger Malers Wilhelm Doll bewahrt Eva Reitz liebevoll auf. Ihr Vater Herrmann Mangels, bekannt als »Architekt der Altstadt«, hat Bilder aus Dolls Nachlass gekauft. © Petra Ihm-Fahle

Wenn Kunstwerke entstehen, fragt man sich mitunter, wer sie später einmal bewahrt. Die Suche nach den Spuren des 1961 verstorbenen Wilhelm Doll führt in eine gemütliche Wohnküche in Friedberg.

Insgesamt 82 Stufen stieg Wilhelm Doll hoch, wenn er seine Wohnung im Obergeschoss eines Friedberger Geschäftshauses erreichen wollte. Seit 62 Jahren ist der Künstler tot. Nicht viel ist über ihn noch bekannt, aber an der einen oder anderen Stelle finden sich seine Spuren.

Im Dezember zeigte Karin Kintler vom Deutschen Buchkontor (Bad Nauheim) eine Puppenstube, die Doll in den 40er Jahren gefertigt hatte. Damals stellte sich uns die Frage, wer dieser Künstler eigentlich gewesen war. Wie Archiv-Artikel dieser Zeitung verraten, hat Doll in der Kaiserstraße 80 in Friedberg im obersten Stock gewohnt. Die Anekdote mit den 82 Stufen zur Wohnung erzählte er den Reportern und vermutlich auch anderen Menschen. Seine Bleibe muss wie ein kleines Museum gewesen sein, denn er war sehr produktiv. Er zeichnete und malte - gern Ansichten von Friedberg. Zudem stellte er Holz- und Intarsien-Arbeiten her. 1959 wirkte er in der Radio-Sendung »Das andere Friedberg« des Hessischen Rundfunks mit. Der Sender nahm den Beitrag in seiner Wohnung auf, aus dieser Zeit stammen Fotos von ihm, aufgenommen von Horst Schüßler.

Liebenswürdigkeit der alten Häuser

Blick auf den Eingang der Kaiserstraße 80. Die Haustür ist zu, Nachbarn machen nicht auf. Doch bei »Neusehland«, das sich im selben Gebäude befindet, kann man helfen. Auszubildene Lea Töpfer geht die Treppe mit hoch zu der Wohnung - es stimmt, 82 Stufen sind es. Dem Hörgeräteakustiker Ludwig Schmidt ist Doll bekannt, denn er war der Onkel seiner Großmutter. Schmidt gibt den Tipp, bei Eva Reitz zu fragen, Inhaberin des Haushaltswarengeschäfts Mangels. Ihr Vater Herrmann Mangels kaufte damals Bilder aus Dolls Nachlass. »Er hat sie mir mal gezeigt«, erzählt Schmidt.

Er bekam die Friedberger Motive angeboten, weil er sich stets für die Altstadt stark gemacht hatte. Der Mal-Stil war nicht auf Anhieb sein Geschmack. »Doch nach und nach schlichen sich die Bilder in sein Herz«, erzählt seine Tochter Eva. Sie hingen in der Essecke der Familie im Wohnzimmer. Ihr Vater Herrmann war Architekt, kam aus Norddeutschland, ihre Mutter Auguste war Friseurmeisterin. »In diesen Bildern ist immer Leben. Mir gefällt diese Herzlichkeit, die Wilhelm Doll eingebracht hat. Licht, Schatten und die Liebenswürdigkeit der alten Häuser. Das ist das, was mich heute immer noch berührt«, sagt Eva Reitz.

Das Leben dargestellt, wie es war

Es sind meist Aquarelle, die noch in originalen Rahmen stecken. Ob Doll den Blick aus Gassen darstellte, das Kopfsteinpflaster, Gaststätten, Geschäfte oder die leicht kaputten Häuserwände: Er malte detailgetreu. Betrachter sehen Hühner, Wäscheleinen und eine Bettdecke, die aus dem Fenster hängt. Ob Mülltonne oder rauchender Schornstein - er stellte das Leben dar, wie es war. Reitz bewundert, wie Doll die verschiedenen Baustile in der Altstadt abgebildet hat, und auch seine Farbauswahl findet sie schön. Weder sie noch ihr Vater lernten den Künstler kennen - der erste Berührungspunkt war, als die Bilder angeboten wurden.

Als die Eltern von Eva Reitz starben, wusste sie zunächst nicht, wohin mit den Kunstwerken. Sie entsprachen nicht ihrem damaligen Geschmack. »Ein Jahr standen sie in der Ecke«, blickt sie zurück. Schließlich kam sie auf die Idee, die Werke in die Essecke ihrer Wohnküche zu hängen. In ihren warmen Farben passen die Bilder zu der Holzvertäfelung. Zu den Motiven gehören unter anderem die Seewiese mit Blick auf »Dicken Turm«, Adolfsturm und Bleiche. Doll malte die Verbindungsgasse zwischen Engels- und Usagasse sowie die Stadtkirche. Menschen beim Plaudern, spielende Kinder, ein Hund, ein Auto. Sie datieren aus den 50er Jahren. Ein Schneebild ist anders, es zeigt die Burg im Winter. »Es ist dunkel, total ruhig - aber wie wollen Sie den Winter anders darstellen?«, fragt Eva Reitz. Sie überlegt, ob sie die Bilder öffentlich ausstellt und hat auch schon eine Idee.

»Das schöne Friedberg«

Wilhelm Doll war beruflich im Staatsdienst als Mitarbeiter des Regierungsbaurats August Metzger tätig. Als Künstler stellte er einige Male im Museum Wetterau aus, etwa 1960, als er 36 Aquarelle unter dem Titel »Das schöne Friedberg« präsentierte. 1950 war er mit Kunstgewerbe beim Herbstmarkt dabei. In der Stadtkirche konnten die Bürger in der Adventszeit seine Weihnachtskrippe bewundern, aber er hatte auch eine heitere Seite: als Karnevalist bei der Friedberger Carnevalsgesellschaft.

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