Beliebter Nervenkitzel für Jugendliche: Dirt Jump
Friedberg (eha). Wenn man den Erdhügel hoch rast, einem dabei das Adrenalin durch die Adern schießt, die Geschwindigkeit zunimmt, man endlich bereit zum Absprung ist, los, hoch hinaus, und dabei Hände und Füße in wilder Gestik ausstreckt, ist man mitten im Dirt Jump.
Die Rede ist von einer der beliebtesten Sportarten der jugendlichen Radbegeisterten: Dirt Jump bezeichnet das Springen über einen Hügel mit einem Dirtbike oder einem BMX. Ziel dieses riskanten Vorhabens ist es, in der Luft einen Trick zu zeigen. In Friedberg haben Jugendliche gemeinsam mit der Stadtjugendpflege in der Nähe der Mathildenruhe einen »Trail« errichtet, einen Park bestehend aus Erdhügeln, wo nach Lust und Laune gesprungen werden darf.
Geübt werden Tricks wie »Bunnyhop«, bei dem man aus der Fahrt mit beiden Rädern in der Luft über ein Hindernis springt, oder »Superman«, ein gefährliches Manöver, bei dem die Füße im Sprung die Pedale verlassen und der Fahrer hinter dem Bike hergezogen wird.
Dirtjumper haben ihre eigene Sprache, ihre Foren und Portale im Internet sowie Zeitschriften, die sich ihnen und dem Sport widmen. Wer zum Club gehören will, muss sich einen Grad der Verschwiegenheit anlegen, denn oftmals wird an nicht so ganz legalen Orten gesprungen, und nicht immer wird das von den Behörden positiv aufgenommen.
Ein aktuelles Beispiel führt nach Bad Nauheim, wo sich Mountainbiker in Eigenregie Schanzen im Frauenwald bauten und mitunter Waldspaziergänger erschreckten (die WZ berichtete). Kurzum wurden die Mountainbiker der inoffiziellen Wege des Frauenwaldes verwiesen und der Fachbereich Stadtentwicklung plante, ein alternatives Gelände zu bauen. Es gibt aber noch keine Ergebnisse: »Die Gespräche mit den Betroffenen sind noch im Gange«, sagt Peter Krank, Fachbereichsleiter für Soziales, Sport und Öffentlichkeit. »Man kann diese Szene ja auch nicht mit einem Pfiff zusammenrufen.«
Friedberg hat auf die Wünsche reagiert: Jeden Mittwoch treffen sich Oliver Buczek, Merlin Krauch, Aron Engfeld, Titus Sauerwein, Timo Adler, Max Müsse, Babuyile Bilbao, Matthias Schwarz und andere Jungs mit dem Sozialpädagogen Lukas Hölzinger zum »Bike-Treff« im neuen Jugendfreizeitgebäude am Burgfeld. »Das Projekt besteht seit 2005.
Es ist eine Mischung aus Fahrradwerkstatt, Hobbytreff und pädagogischer Maßnahme, das dieses Treffen ausmacht«, sagt Hölzinger, während zehn Jungs um ihn herumwuseln, jeder mit einer anderen Frage: »Lukas, hast du eine Fahrradgabel für mich?«, »Kann ich mir das weiße Fahrrad nehmen?«, »Lukas, fahren wir heute zum Johannisberg?«
Die Jungs kämen ab zwölf Jahren zum Bike-Treff, manche mit Erfahrung, manche ohne. »Viele bauen sich ihre Bikes selbst, die Teile dafür kriegen sie hier oder von den Eltern.« Tatsächlich tummeln sich in der Werkstatt Fahrradeinzelteile aller Art. »Die haben wir geschenkt bekommen. Wir fahren auch zu Bikefestivals, da stellen die Jungs den Bike-Treff vor, und manchmal schicken uns die Firmen ihre Produkte zu«, verrät Hölzinger.
Der Dirt Park hinter den 24 Hallen ist von den Jugendlichen mit Hölzinger gebaut worden. »Was man dafür braucht? Nichts. Wir haben hier mit Schippen Hügel aus Erde aufgeschüttet.« Sobald die Jugendlichen an diesem Mittwoch am Parcours angekommen sind, rasen sie mit ihren Bikes die Hügel herunter, springen und jauchzen dabei. Einer der Jugendlichen hat bereits nach wenigen Minuten eine Schippe aus dem Nichts gezaubert und fängt an zu buddeln. Hölzinger: »Die Strecke verändert sich jedes Mal, wenn die Jungs hier ankommen.«
Auf dem Parcours herrschten Verhaltensregeln, damit die Biker möglichst gefahrenfrei springen können. »Manchmal gibt es auch Unfälle, den schwersten hatten wir mit vier Jugendlichen. Dabei hat sich einer das Handgelenk gebrochen«, berichtet Hölzinger.
Zum Thema Biker im Bad Nauheimer Frauenwald äußert sich Hölzinger kritisch: »Natürlich kann man Alternativen finden, ich selbst war bei einer Führung am Limes dabei und hatte vorgeschlagen, einen Trail parallel entstehen zu lassen.« Der Vorschlag war nicht von Erfolg gekrönt. »Biken macht Spaß, hält fit und lenkt die Jugendlichen von Dummheiten ab. Warum sollte man das nicht fördern?«, fragt Hölzinger. Trotzdem sei der Parcours in Friedberg keine Alternative für die Jugendlichen: »Das ist viel ambitionierter, was die machen, mit höheren Sprüngen und mehr Hügeln.«
Mit Vorurteilen hätten die Jugendlichen in Friedberg auch zu kämpfen. »Als wir einmal an der Strecke gearbeitet haben, kam ein älterer Mann vorbei. ›Na, was habt ihr hier verbrochen?‹ - ›Es hieß Knast oder hier arbeiten‹, konterte einer der Jugendlichen. ›Geschieht euch recht‹, knurrte der alte Mann«, erzählt Hölzinger mit einem Grinsen. »Auch wenn wir hier manchmal für Vorbestrafte gehalten werden, macht es uns großen Spaß.«
Was ist »Dirt-Jump«?
Die Sportart Dirt-Jump (deutsch: »Schmutzsprung«) ist eine Abwandlung vom Radsport-Mountainbiking. Mit Dirt-Bikes oder BMX-Rädern wird über Erdhügel gesprungen, mit dem Ziel, in der Luft einen Trick zu zeigen. Dirt-Bikes sind stabile Mountainbikes mit kleineren Rahmen (12 bis 16 Zoll) aus Stahl oder Aluminium und einer Federgabel. Diese besitzt einen Federweg zwischen 80 und 120 Millimeter, um Sprüngen von bis zu acht Metern die Stoßkraft zu nehmen. Auch die Preise sind auf Jugendliche gemünzt, sie liegen zwischen 250 und 500 Euro. Die künstlichen Hügel werden idealerweise aus Lehm (oder auch Erde) gebaut, da er sich bestens formen lässt und trotzdem fest bleibt.