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Fehlendes Gemeindezentrum: Das Wellenhaus ist verkauft und ein Baustopp verhängt

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Von: Jürgen Wagner

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Pfarrerin Claudia Ginkel und Katja Gröger, Bauingenieurin und Vorsitzende des Bauausschusses der Kirchengemeinde, vor der halbfertigen Fassade des Gemeindezentrums.
Warten aufs Ende des Baustopps (v. l.): Pfarrerin Claudia Ginkel und Katja Gröger, Bauingenieurin und Vorsitzende des Bauausschusses der Kirchengemeinde, vor der halbfertigen Fassade des Gemeindezentrums. © Jürgen Wagner

Gute Nachricht: Das Wellenhaus ist verkauft. Schlechte Nachricht: Die Sanierung des Gemeindezentrums der Evangelischen Kirchengemeinde Friedberg geht nicht voran. Ein Baustopp wurde verhängt.

Friedberg – Betrachten Pfarrerin Claudia Ginkel und Katja Gröger, Vorsitzende des Bauausschusses der Evangelischen Kirchengemeinde Friedberg, die Baustelle in der Kaiserstraße 144, setzen sie besorgte Mienen auf. Es geht nicht voran. Das Gebäude ist von einem Bauzaun umgeben, die Baustelle ruht seit Januar. Ein Nachbar hat einen Baustopp verfügt, der Lärmschutz sei nicht ausreichend. Die Sache ist noch nicht geklärt, was bedeutet, dass nicht nur die Baustelle, sondern auch das Gemeindeleben ruht.

Jahrzehntelang konnten die Kirchengemeinde das Gemeindezentrum West für Treffen nutzen. Konfirmanden, Chöre, Pfadfinder und Gemeindegremien trafen sich hier. Damit ist es vorbei. Vergangene Woche war Termin beim Notar, das »Wellenhaus« in der Wintersteinstraße wurde an einen Immobilienentwickler aus dem Kreis Gießen verkauft, sagt Ginkel. In dem denkmalgeschützten, vom Bad Nauheimer Architekten Prof. Johannes Peter Hölzinger entworfenen Gebäude mit den charakteristischen wellenförmigen Wandelementen sollen 13 Wohneinheiten entstehen.

Friedberg: Gemeindesaal des Wellenhauses bleibt erhalten

In den vergangenen Wochen waren immer wieder Leute zu beobachten, die das Wellenhaus inspizierten. Die Kirchengemeinde musste das Gebäude aufgeben, nachdem die Bauschäden zunahmen; ein großes Problem war das undichte Dach. Überlegungen der Stadt, das Gebäude zu kaufen und weiter als Kindertagesstätte zu nutzen, zerschlugen sich.

Zwei ernsthafte Interessenten habe es zum Schluss gegeben, berichtet Ginkel. Einer bekam den Zuschlag, auch weil er einen Wunsch der Kirchengemeinde erfüllen will: Der Gemeinderaum, die Kapelle, wird an eine rumänisch-orthodoxe Gemeinde verkauft, die dort ihre Gottesdienste feiern will. »Es war unser Wunsch, dass die ursprüngliche Bestimmung des Gemeindesaals beibehalten bleibt«, sagt Ginkel. Die rumänisch-orthodoxe Gemeinde befinde sich in Gründung, die Mitglieder kämen aus ganz Hessen.

Die Landeskirche habe darauf gedrängt, das Wellenhaus zu verkaufen, sagt Ginkel. Das hat geklappt, aber nun sorgt die andere Baustelle in der Kaiserstraße 144 für »eine unglaublich frustrierende Stimmung«, wie Katja Gröger sagt.

Das Gemeindezentrum West ist verkauft, der neue Eigentümer richtet dort mehrere kleinere Wohnungen ein.
Das Gemeindezentrum West ist verkauft, der neue Eigentümer richtet dort mehrere kleinere Wohnungen ein. © Jürgen Wagner

Neues Gemeindezentrum in Friedberg: Kirchliches Leben auf »Zwölf Quadrat« geplant

»Zwölf Quadrat« soll der neue Komplex mit der Kita und dem Gemeindehaus einmal heißen, nach der Hausnummer 144 und der Symbolik der vollkommenen Zahl 12. Doch die Fassade des alten Kindergartens ist bislang nur zur Hälfte gestrichen, die Arbeit ruht seit Monaten. Was Ginkel, Gröger und die gesamte Kirchengemeinde nicht verstehen können.

Im August 2019 überreichte Kreisbeigeordneter Mattias Walther die Baugenehmigung, Mitte 2021 sollte alles fertig sein. Im Januar dann der Baustopp: Ein Nachbar habe den Wetteraukreis verklagt. »Wir haben ein Gutachten eines Sachverständigen vorgelegt, der Schallschutz ist demnach ausreichend«, sagt Gröger.

Friedberg: Baustopp ist belastend für Ehrenamtliche

Dem Verwaltungsgericht in Gießen sei das nicht ausreichend. »Das ist nicht nachvollziehbar«, sagt Ginkel. Die Kirchengemeinde hat die Aufhebung des Baustopps beantragt. Gröger: »Dann könnten wenigstens die Aussenfassade fertiggestrichen und der Sonnenschutz angebracht werden.« Und das Baugerüst auf dem Gehweg der Kaiserstraße würde endlich verschwinden. Die Verzögerung des Gerichts bedeutet auch, dass die Kosten steigen. Ginkel: »Allein das Gerüst kostet uns einen fünfstelligen Betrag.« Die Familienbildungsstätte, die ebenfalls in die Kaiserstraße 144 einziehen will, hat ihre alten Räume vor Monaten gekündigt. Jetzt muss sie Räume für die Übergangszeit suchen, das gestaltet sich sehr schwierig.

Man habe versucht, den Nachbar über dessen Anwalt zu kontaktieren, um die Sache zu lösen; ohne Erfolg. »Man fühlt sich ohnmächtig. Es geht einfach nicht weiter und das Gericht reagiert auf unsere Anfragen nicht.« Die schleppende Bearbeitung des Streits ist laut Ginkel auch deshalb ärgerlich, weil es viele Ehrenamtliche sind, die sich hier engagieren, allen voran Bauausschussvorsitzende Gröger. Ginkel: »Das ist eine psychisch belastende Situation.« Gröger scheidet aus beruflichen Gründen aus dem Kirchenvorstand aus. Die Sanierung des Gemeindezentrums will sie dennoch bis zum Ende begleiten.

Wetteraukreis: Außenarbeiten dürfen fortgesetzt werden

Doch noch eine positive Nachricht für die Evangelische Kirchengemeinde: Die Arbeiten an der Fassade dürfen laut einem Sprecher des Wetteraukreises wieder aufgenommen werden. Damit wäre der Baustopp teilweise außer Kraft gesetzt. Wie der Behördensprecher sagte, hat der Wetteraukreis im August 2019 der Kirchengemeinde die Baugenehmigung erteilt. Nicht enthalten waren Hinweise auf Lärm-Grenzwerte, dies sollte am Ende der Baumaßnahme geklärt werden. Einer Nachbarin genügte das nicht, sie stellte beim Verwaltungsgericht Gießen (VG) einen Eilantrag auf Baustopp, der gestattet wurde. Das VG beauftragte einen Frankfurter Gutachter, die Frage der künftigen Lärmbelästigung konnte aber vorab nicht geklärt werden.

Der Kreis beantragte beim VG eine Aufhebung des Baustopps, legte dafür ein von der Kirchengemeinde in Auftrag gegebenes Lärmgutachten vor. »Damit beschäftigt sich das VG derzeit«, so der Sprecher. Der Frankfurter Gutachter solle das Gutachten nun überprüfen. Unabhängig davon hat die Kirchengemeinde beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel einen Eilantrag gestellt, den Baustopp aufzuheben. Aus verständlichen Gründen, wie der Sprecher meint: Die Verzögerung koste »einen Haufen Geld«. Das muss wohl auch dem Verwaltungsgerichtshof gedämmert sein, denn dieser habe, wie der Kreissprecher sagte, keine Bedenken, dass die Außenarbeiten fortgesetzt werden. Darüber werde man die Kirchengemeinde informieren. In dem Rechtsstreit geht es um die Nutzung eines Saals für etwa 100 Personen. Laut dem Gutachten soll es bei einer Nutzung des Saals zu keiner Lärmbelästigung für die Nachbarn kommen.

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