Andreas Arnold hat den Poetry Slam in die Wetterau geholt

Friedberg (chh). 1984 im Chicagoer Stadtviertel Bucktown: Der Bauarbeiter und Hobby-Dichter Marc Kelly Smith hat genug von langweiligen Literaturlesungen, mit befreundeten Autoren stellt er in einer Kneipe das »Monday Night Poetry Reading« auf die Beine.
Das Besondere daran: Die Dichter treten in einem Wettstreit gegeneinander an, das Publikum kürt den Gewinner. Wenig später zieht die Veranstaltung in den »Green Mill Jazz Club«, der neue Name: »Uptown Poetry Slam«. Eine neue Kunstform ist geboren, rasend schnell erobert sie den Rest der USA. Mitte der 90er schwappt der Trend auch nach Deutschland.
Andreas Arnold ist so etwas wie der Marc Kelly Smith der Wetterau. Der Friedberger hat den Dichterwettstreit in die heimischen Kneipen geholt. Im Friedberger Bistro Pastis und vor allem im Reichelsheimer Cockpit treffen junge Dichter regelmäßig aufeinander, um sich bis spät in die Nacht lyrische Wettkämpfe zu bieten. »Dabei geht es gar nicht so sehr um den Wettstreit«, sagt Arnold, »den Teilnehmern ist es viel wichtiger, sich vor dem Publikum zu öffnen.« Der 38-Jährige weiß, wovon er spricht, er stand selbst schon unzählige Male auf der Bühne und hat sich mit anderen Poetry Slammern gemessen. »Schon als Jugendlicher habe ich Gedichte und Kurzgeschichten geschrieben. 2008 fing ich an, meine Sachen in einem Blog zu veröffentlichen.
« Drei Jahre später nahm er erstmals an einem Poetry Slam teil – und war sofort begeistert. »Man bekommt in kürzester Zeit Feedback. Das gibt einem sehr viel. Außerdem applaudiert das Publikum immer – egal wie schlecht der Auftritt war.« Der Friedberger war infiziert, »doch hier auf dem Land kannte das kaum einer«. So wurde aus dem Poetry Slammer ein Poetry-Slam-Veranstalter. »Das Format funktioniert auf dem Land«, sagt Arnold und führt als Beweis die Abende im Bistro Cockpit an, die regelmäßig ausverkauft sind.
Auch die Poetry-Slam-Seminare, die Arnold anbietet, kommen bei der Jugend gut an – zumindest bei den meisten. »Meine beiden Kinder, ich habe einen elfjährigen Sohn und eine 13-jährige Tochter, waren nicht so begeistert, als ich sie einmal mitgenommen habe.« Vielleicht kann sich der Nachwuchs für Vaters kommendes Projekt mehr erwärmen. Arnold organisiert derzeit die erste Friedberger Stadtmeisterschaft im Poetry Slam, die am 9. Mai im Theater Altes Hallenbad stattfinden soll. Acht Künstler werden im KO-System gegeneinander antreten, der Gewinner qualifiziert sich für die Hessenmeisterschaft. Obendrein kann sich der beste Dichter über ein Preisgeld von 100 Euro freuen – nicht unumstritten in der Szene.
»Normalerweise gibt es keine Preisgelder, die meisten Veranstalter stellen das Ideelle in den Vordergrund.« So erhielten die Sieger meist Spaßpreise, wie zum Beispiel alte Wendy-Heftchen. Der Gewinner der Deutschen Meisterschaft habe vor einigen Jahren eine Flasche Shampoo bekommen. Auch nicht schlecht, was Arnold mal bei einem Wettstreit gewann: ein kleines Golfset fürs Klo.
Bei anderen Veranstaltern sei es üblich, die Eintrittsgelder unter den Teilnehmern aufzuteilen. Das macht Arnold zwar nicht, die Einnahmen fließen trotzdem nicht in die eigene Tasche. »Ich erstatte allen Teilnehmern die Anfahrtskosten. Das ist nicht wenig, schließlich hatten wir schon Teilnehmer aus München, Dresden und Berlin zu Gast. Was dann noch übrig ist, geht für die Seminare drauf.« Bei seiner Stadtmeisterschaft hat sich Arnold erstmals für Preisgelder entschieden. »Das Geld soll aber nicht Anreiz sein, sondern eine Anerkennung für den unheimlichen Enthusiasmus der Teilnehmer.« Die nehmen laut Arnold eine ganze Menge Strapazen auf sich. »Die meisten Slammer touren wochenlang durch Deutschland und stehen jeden Abend in einer anderen Stadt auf der Bühne. Das wollen wir honorieren.«
Arnold ist übrigens nicht nur Freund und Helfer der Poetry-Slammer: Der 38-Jährige ist hauptberuflich Polizeibeamter in Frankfurt. Was aufregender klingt als es ist: »Ich bin im Innendienst. Das ist sehr beschaulich. Action hole ich mir auf der Bühne.« Nicht nur bei Dichterwettstreiten, sondern auch beim Friedberger Heldentheater. Arnold gehört seit 2009 zum Ensemble. »Es erfüllt mich einfach, Kunst zu erschaffen.«
Beim Veranstalten der Poetry Slams kommt noch ein Aspekt hinzu: »Ich will der Jugend die Möglichkeit geben, sich künstlerisch zu entfalten. Beim Poetry Slam können die Teilnehmer ihren Emotionen freien Lauf lassen.« Das gelte in gleicher Weise auch für das Publikum. »Ich habe schon Besucher weinen und vor Lachen vom Stuhl fallen sehen.«
Vielleicht ergeht es den Besuchern der Friedberger Stadtmeisterschaft ja ähnlich. Arnold werden sie dann zwar auch auf der Bühne sehen, jedoch nur als Moderator. »Bei meinen eigenen Events nehme ich nicht teil. Da könnte sonst schnell ein Geschmäckle bleiben.« Zu spät: Die Wetterau ist schon längst auf den Geschmack gekommen.