Abreibung wegen Chats mit 14-Jähriger? Mann brutal verprügelt

Vier Männer müssen sich wegen eines Angriffs auf einen 32-Jährigen vor dem Amtsgericht Friedberg verantworten. Das Verfahren gestaltet sich mühsam.
Friedberg – Gewalttätige Attacke zum Zweck des Raubes oder »Abreibung« für einen Verwandten wegen dessen nicht jugendfreien Chats mit einer damals 14-Jährigen? Vier Männer im Alter zwischen 24 und 27 Jahren müssen sich seit Dienstag einer Anklage wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung stellen.
Vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Friedberg unter Vorsitz von Richter Dr. Markus Bange gestaltete sich die Spurensuche am ersten Verhandlungstag mühsam und teilweise überraschend.
Friedberg: Vier Männer sollen zehn Minuten auf 32-Jährigen eingeschlagen haben
Als Opfer schilderte ein heute 32-Jähriger seine Geschichte. Am 5. Juni 2020 habe ihn der Anruf eines Cousins erreicht. Er wolle ihn sehen, ihm seine neue Bekannte vorstellen, zitierte der 32-Jährige den Wunsch des Anrufers. Man einigte sich auf einen Treffpunkt in einer Wetteraugemeinde.
Dorthin kamen plötzlich drei weitere weitläufige Verwandte. Gemeinsam mit dem Anrufer verprügelten sie den 32-Jährigen. Der setzte sich, als sie davonliefen, zerschlagen und aus einigen Platzwunden blutend ins Auto und fuhr nach Hause.
Sein Vater und sein Bruder verständigten Polizei und Rettungsdienst. Man habe zehn Minuten auf ihn eingetreten und -geschlagen, auch mit einem Baseballschläger. Man habe ihn umbringen wollen und nur von ihm abgelassen, weil eine Radfahrerin des Wegs gekommen sei, gab der 32-Jährige zu Protokoll.
Friedberg: Angreifer sollen 340 Euro gestohlen haben
Am folgenden Tag, während er noch im Krankenhaus lag, sei das Fehlen von 340 Euro aus seinem im Fahrzeug befindlichen Portemonnaie bemerkt worden, weshalb sich zusätzlich die Kriminalpolizei mit dem Fall befasste. Einer der Angeklagten habe ihm das Geld während der Attacke gestohlen, schlussfolgerte der 32-Jährige.
Auch vor Gericht wiederholte er diese Vorwürfe und setzte sich damit einem Kreuzfeuer von Fragen der vier Verteidiger aus, die in seinen Aussagen vor der Polizei 2020 und nun vor Gericht mehrere Widersprüche entdeckt und auch insgesamt an der Geschichte diverse Ungereimtheiten ausgemacht hatten.
Verhandlung vor dem Friedberger Amtsgericht: Verteidigung sieht Widersprüche
Im Fokus ihres Interesses stand zunächst der angeblich verwendete Baseballschläger: Minutenlange Schläge mit einer solchen Waffe müssten schwere Knochenbrüche verursacht haben, so die Verteidiger.
Er habe Prellungen und Platzwunden davongetragen, auf Gegenwehr verzichtet und sich angesichts der Übermacht der Angreifer auf den Eigenschutz konzentriert, wiederholte der 32-Jährige, ohne damit überzeugen zu können.
Zweifel ergaben sich in der weiteren Befragung auch hinsichtlich des Mordvorwurfs des 32-Jährigen. Eine Radfahrerin habe sich zwar als Zeugin gemeldet, ihre Aussage passe aber nicht zu seiner Darstellung des Vorfalls. Die Schlussfolgerung der Verteidiger, die Angeklagten hätten von sich aus von ihrem Opfer abgelassen und ihm »nur« eine Abreibung verpassen wollen, blieb unwiderlegt.
Friedberg: Chatverlauf zwischen Opfer und 14-jähriger Schwester des Täters als mögliches Motiv
Viel Raum in der Verhandlung nahm die Ursache für die mutmaßliche Abreibung - der Instagram-Chat des 32-Jährigen mit der damals erst 14-jährigen Schwester von zwei der Angeklagten - ein.
Er habe kein Interesse an dem Mädchen gehabt, sie zwar auf großen Familienfeiern gesehen, mit ihr aber weder telefoniert noch sich allein mit ihr getroffen, wiederholte der 32-Jährige beharrlich und lieferte damit nach Einschätzung nicht nur der Verteidiger keine überzeugende Erklärung für die Fortsetzung des Chats sowie für dessen teilweise deutlich sexuellen Inhalt.
Amtsgericht Friedberg sieht Neubewertung nötig, die Verhandlung wird aber fortgesetzt
An diesem Punkt unterbrach das Gericht die Beweisaufnahme für eine Beratung zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Richter. Einigkeit herrschte über die Notwendigkeit einer Neubewertung in mehreren Punkten. Der Diebstahl des Geldes durch einen der Angeklagten sei offensichtlich nicht Zweck des Überfalls gewesen, womit der Raub-Vorwurf entfalle, auch sei wohl kein Baseballschläger eingesetzt worden.
Der Bitte der Verteidiger, mit Rücksicht auf die berufliche Perspektive der Angeklagten – drei studieren Wirtschaftsrecht bzw. BWL und haben sich bislang nichts zuschulden kommen lassen – das Verfahren gegen Auflagen einzustellen, wollten Staatsanwaltschaft und Gericht aber nicht entsprechen: Der Überfall sei nicht spontan erfolgt, sondern gemeinschaftlich und heimtückisch geplant worden; Selbstjustiz sei nicht zu tolerieren, sagte der Staatsanwalt. Die Verhandlung wird fortgesetzt. (Hedwig Rohde)