Hermann Terweiden erzählt von seiner Krankheit: Parkinson
Florstadt-Staden (pm/dab). Morgen um 11.30 Uhr sendet »3sat« eine halbstündige Dokumentation aus der Reihe »Aus anderer Sicht«. Drei Parkinson-Patienten berichten von ihrer Krankheit, unter ihnen Hermann Terweiden aus Staden, Mitinitiator des Patientenpionierprojekts »Schneckenhaus«.
Terweiden begegnet der fortschreitenden Krankheit auf sehr eigenverantwortliche Weise. Der 62-Jährige ist seit seiner Jugend erkrankt, erhielt die Diagnose aber erst mit 42 Jahren. Ein Vorteil, wie er sagt, denn ohne Hilfe von Medikamenten und Informationen über die Krankheit musste er selber Strategien entwickeln, um mit den Symptomen wie Zittern sowie Gang- und Standprobleme zurechtzukommen. Auch habe der anfangs medikamentenfreie Weg den Körper geschont.
Nach der Diagnose im Jahr 1992 wurde er mit L-Dopa, das die Krankheitssymptome mildert, und zwei weiteren Medikamenten behandelt. »Die Wirkung war traumhaft, endlich konnte ich wieder längere Strecken laufen«, erinnert sich Terweiden. Trotzdem sei er darauf bedacht gewesen, so wenig Medikamente wie möglich zu nehmen. Er reduzierte die L-Dopa-Tagesdosis eigenmächtig von 300 auf 200 Milligramm.
Um die Medikamentenmengen und mögliche Nebenwirkungen weiter niedrig zu halten, suchte Terweiden zusammen mit seiner Mitstreiterin Heide Cuntz von 1998 bis 2010 nach nichtmedikamentösen Behandlungsmöglichkeiten. Höhepunkt – und Auslöser für das Ende ihrer gemeinsamen Selbsthilfeaktivitäten – war ein rund 100-tägiger Selbstversuch von Terweiden mit dem Ziel, wieder gesund zu werden. Er ernährte sich nur von Obst und Gemüse, trank ausschließlich osmosegefiltertes Wasser und saß jeden Tag zwölf Stunden in basischem Badewasser. Diese Rosskur wurde von vielen Verwandten kritisch und von manchem Parkinsonkranken mit Unverständnis verfolgt. Terweiden brachte der radikale Versuch zwar keine Beschwerde- und Medikamentenfreiheit, doch viele Erkenntnisse über gesunde Ernährung und Entgiftung. Er betont, er wolle nicht dazu auffordern, ohne Abstimmung mit dem Arzt die Medikamente wegzulassen, sondern zum kritischen Mittun. »Das zahlt sich aus.«
Jeden Monat 250 Euro für Therapien
Heute versucht Terweiden, neben der Krankengymnastik nach Bobath auf Rezept, mit unterschiedlichen Aktivitäten und Anwendungen wie Bowen-Therapie, Osteopathie, Space-Curl- und Lauftraining sowie Akupunktur fit zu bleiben. Nach wie vor sieht er in nichtmedikamentösen Behandlungsverfahren große Möglichkeiten, seinen Zustand zumindest zu stabilisieren. Dafür zahle er jeden Monat etwa 250 Euro aus eigener Tasche. Die Krankenkasse übernehme nur die Medikamentenkosten – 30 Euro monatlich.
Für die Filmarbeiten ist Terweiden auch dem Schicksal seiner Großtante Marie Lutz nachgegangen. 1902 geboren, litt sie wie er sehr früh an Parkinson. Erst jetzt fand der 62-Jährige heraus, dass seine Angehörige unter anderem mit hochdosierten Medikamenten in der Tötungsanstalt Hadamar von den Nazis über vier Monate gequält wurde. Sie fiel, wie viele gehandicapte Menschen, im Februar 1944 der Euthanasie zum Opfer.
Durch die Filmarbeiten motiviert, hat Terweiden sich neue Ziele gesetzt. Als Vorsitzender der Stiftung für Parkinsonforschung will er sich noch stärker dafür einsetzen, nichtmedikamentöse Behandlungen zu fördern. Auch wurde ihm bei den Filmaufnahmen bewusst, dass seine über 40-jährigen Erfahrungen mit der chronischen Krankheit in einem Fernsehbeitrag von 30 Minuten nicht ausreichend festgehalten werden können. Daher will er seine Erfahrungen nach und nach im Internet veröffentlichen. Erste Kapitel können unter www.parkinsonweb.com (Button »Patienten-Info-Center«) abgerufen werden.