Demokratisch und entschlossen

Eine Krise jagt die nächste - da gilt es, für die Wertprinzipien einzutreten. Das Bündnis »Demokratie schützen Bad Nauheim« tut genau das. Der Zusammenschluss wächst, und die Akteure planen Veranstaltungen, wie sich beim Neujahrsempfang gezeigt hat.
Dr. Martin Deinhart erinnert sich noch gut an die Zeit, als die »Montagsspaziergänger« damit begonnen haben, durch die Innenstadt Bad Nauheims zu ziehen. »Ich habe meine Praxis in der Fußgängerzone, und da sind sie jeden Montag vorbeigelaufen. Es wurde immer gespenstischer, und ich habe mitgekriegt, dass viele Menschen Angst bekommen haben«, sagt er. Die Aktivitäten des »Bündnisses Demokratie schützen« sind dem Allgemeinmediziner wichtig. Wie etwa 40 weitere Gäste ist Deinhart am Sonntag zum Neujahrsempfang des Bündnisses gegangen.
»Wir stehen auf und sagen Ja zu einem offenen und bunten Bad Nauheim.« Plakate mit diesem und ähnlichen Sätzen säumen die Treppe in der Wilhelmskirche. Robert Garmeister begrüßt die Gäste, er ist Mitglied des Theaters Alte Feuerwache (TAF), das zu den Akteuren des Bündnisses gehört. Knapp 30 Vereine, Kirchen und weitere Institutionen haben sich mittlerweile angeschlossen.
Wie sich die Demos veränderten
In seiner Ansprache blickt Garmeister auf die Entstehung der Initiative zurück. »Ein bisschen länger als ein Jahr ist es nun her, dass die ersten ›Montagsspaziergänger‹ durch die Straßen von Bad Nauheim zogen«, erklärt er. Ein regelrechter Tourismus aus der Wetterau und sogar aus dem erweiterten Rhein-Main-Gebiet entwickelte sich seinen Worten zufolge. Zunächst seien es eventuell tatsächlich Personen gewesen, die Kritik an der einen oder anderen Corona-Schutzmaßnahme äußern wollten. Dann seien aber schnell Verschwörungstheorien propagiert worden. »Zunehmend wurden andere teils beleidigende, hetzende, diskriminierende und volksverachtende Parolen skandiert«, schildert Garmeister. Dieser stetig wachsenden Gruppe stellten sich schnell Bürgerinnen und Bürger in friedlichen Versammlungen entgegen, organisiert von TAF, vom Verein für Jugendkultur und Jugendarbeit (JUKA) und vom städtischen Ausländerbeirat.
Im Spätsommer 2022 wurden laut Garmeister aus den unangemeldeten abendlichen »Spaziergängen« Demonstrationen, zu denen das »politische Rechtsaußen« aufgerufen habe. »Inzwischen ging es auch nicht mehr ausschließlich um die Corona-Pandemie, sondern man feierte den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, suchte die Schuldigen der Energiekrise bei den linken Parteien, machte sich lustig über das Gendern und Menschen mit einer nicht heterosexuellen Lebensplanung. Man leugnete den Klimawandel und diskriminierte und hetzte gegen Geflüchtete und Andersgläubige.« Engagierte Menschen hätten sich das nicht länger mitansehen wollen, worauf das Bündnis »Demokratie schützen Bad Nauheim« entstand.
Es war und ist laut Garmeister nicht einfach, eine einheitliche Position und Kommunikation zu finden. »Aber das macht eben unsere Demokratie aus: Wir diskutieren und ringen miteinander um die beste Formulierung unserer Position.« Inzwischen gibt es Arbeitsgruppen, Logo, Infoschilder und Flyer. »All das haben wir geschafft, und ich finde, allein das ist ein Grund stolz zu sein«, unterstreicht Garmeister unter Applaus. Das Bündnis habe das Förderprogramm »Demokratie leben!« des Wetteraukreises immer an der Seite gehabt. »Mit diesen Vorgaben wollen wir weiter in unserer Stadt aktiv sein. Die Planung für unsere nächsten Veranstaltungen laufen«, kündigt Garmeister an.
Die AWO Ober-Mörlen ist seit Oktober mit dabei, wie Vorstandsmitglied Gerhard Mayer dieser Zeitung erläutert, denn der Ortsverein will für die Demokratie einstehen. »Wir haben deshalb nach Partnern in der Wetterau gesucht, und sehr naheliegend war das Bündnis ›Demokratie Bad Nauheim‹«, sagt Mayer. Die »Omas gegen rechts Wetterau« machen wie viele andere ebenfalls mit. »Von alleine existiert die Demokratie nicht«, stellt Freya Ruth fest.
Das Bündnis hat also zu Beginn des neuen Jahres ein klares Signal gegeben: Auch weiterhin wollen die Beteiligten nicht zusehen, wie demokratiefeindliche Kräfte die Ängste der Menschen ausnutzen.