»Die Stimmen haben mir den Diebstahl befohlen«
Gießen/Butzbach/Reichelsheim (abm). Wegen Wohnungseinbruchs mit einer Waffe und Diebstahls wurde am Dienstag ein 37-jähriger Bulgare, der an einer Schizophrenie leidet, am Gießener Landgericht zur Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus verurteilt. Nach der Verhandlung wurde er in seine Heimat abgeschoben.
Der Verurteilte war nur zur Durchreise nach Deutschland gekommen, erzählte er. Er sei beruflich in Belgien gewesen und habe eigentlich zurück in seine Heimat reisen wollen. Auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen hatte er im November 2011 zusammen mit fünf Arbeitskollegen einen Autounfall, bei dem seine gesamten Papiere abhanden gekommen seien. Die Männer waren in das Uniklinikum gebracht worden, zwei mit schweren Verletzungen. Diesen habe er sein letztes Geld überlassen, damit sie nach dem Krankenhausaufenthalt nach Hause reisen könnten, so der Angeklagte. Der Mann war der Auffassung, er schaffe es alleine zurück nach Bulgarien. Kurz darauf klaute er jedoch eine Kellnerbörse in einer Frankfurter Gaststätte. Er habe »freundschaftliche Stimmen« gehört, die ihm die Tat befohlen hätten. Von dem Geld habe er sich eine Zugfahrkarte nach Butzbach gekauft. Dort angekommen, hätten ihm – so schilderte der 37-Jährige – erneut die Stimmen befohlen, einer jungen Frau, die am Gleis auf einer Bank gesessen hatte, die Tasche zu stehlen. Die verängstigte Frau hatte panisch um Hilfe geschrien, woraufhin weitere Passanten den Bulgaren überwältigten.
Auf dem Butzbacher Polizeirevier gab er an, er wisse nicht, was er mit der Frau vorgehabt habe, er habe nur den Befehl der Stimmen ausgeführt. In derselben Nacht war der obdachlose Durchreisende von der Polizei freigelassen worden. Der 37-Jährige gab an, sich nicht mehr daran zu erinnern, was er in den darauffolgenden Tagen gemacht habe. Er wusste jedoch, dass er am 13. November mit dem Zug nach Reichelsheim fuhr. »Ich war hungrig.« Deshalb hätten ihm die Stimmen befohlen, in ein Einfamilienhaus einzubrechen. Dort habe es genug zu essen gegeben. Im Gartenhaus fand er eine Spaltaxt, mit der er die Terrassentür einschlug. Dabei verletzte er sich an der Hand und zog eine Blutspur hinter sich her, als er zum Kühlschrank ging und ein Stück Kuchen aß. Nachbarn verständigten die Polizei, die den Mann essend im Haus vorfand. Nach der Festnahme wurde die Unterbringung im geschlossenen Vollzug veranlasst.
Der Gutachter erläuterte dem Gericht, der Beschuldigte sei schizophren und höre imperative Stimmen, denen er sich nicht widersetzen könne. Dennoch ist es seiner Meinung nach möglich, seine Symptomatik mit Medikamenten einigermaßen unter Kontrolle zu bekommen. Nach mehrwöchiger Behandlung in der Klinik sei der Zustand stabil, er sei reisefähig und sogar arbeitsfähig, so der Arzt. Der Sachverständige wies aber darauf hin, dass die Behandlung in seiner Heimat unbedingt fortgeführt werden müsse, um aggressive Schübe und weitere schwere Straftaten zu vermeiden. Denn der als gefährlich eingestufte Angeklagte habe bereits in der Vergangenheit etliche Straftaten begangen.
Da der Mann laut Gutachten für einige Wochen medikamentös versorgt ist, wurde er im Anschluss an die Verhandlung nach Bulgarien abgeschoben, wo er sich selbst um Arbeit und Medikamente bemühen muss.
Der Verurteilte, der sich mehrfach für sein Verhalten entschuldigt hatte, akzeptierte das Urteil. Er sei froh, endlich wieder nach Hause zur Familie zu kommen, versicherte er.