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Maßnahmen für mehr Mitbestimmung auf der Arbeit

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Von: Sabrina Dämon

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Die Mitglieder der Projektgruppe - Kristina Reim (l.), Christian Jost (2.v.l), Steffen Urstadt und Ines Niedballa - haben sich neue Stapler gewünscht. Das war nicht ganz einfach, letztlich haben sie Geschäftsführer Jörg Stangl (2. v.r.) überzeugt. Nun sind die Frontstapler bestellt, aber wegen Lieferengpässen noch nicht komplett gebaut, vor Weihnachten sollen sie kommen. © Nicole Merz

Wer an seinem Arbeitsplatz mitbestimmen kann, ist zufriedener. So beschreibt Elisabeth Wissler die Idee des »INQA«-Prozesses Seit einiger Zeit macht das Butzbacher Bauzentrum Gerhardt mit - und hat einige Veränderungen im Betrieb auf den Weg gebracht.

Die Beziehungen zwischen Mitarbeitenden und Geschäftsleitung ist nicht immer einfach. »Der Chef will mich ausbeuten«, denken manche Mitarbeitenden. »Die Arbeitnehmer fordern zu viel«, manche Chefs. Doch, sagt Elisabeth Wissler: Letztlich können Unternehmen nur erfolgreich sein, wenn die Belegschaft zusammenarbeitet. Wissler ist Beraterin - und im Auftrag des vom Bundesarbeitsministeriums geförderten Prozesses »Initiative neue Qualität der Arbeit (INQA) - Arbeit gemeinsam gestalten« tätig. Dazu geht sie in Unternehmen und begleitet sie. Seit einigen Monaten ist sie regelmäßig im Bauzentrum Gerhardt in Butzbach. Dessen Geschäftsführer, Jörg Stangl, hat sich entschieden, bei »INQA« mitzumachen.

Der Ausgangspunkt, wie er erzählt: »Ich habe mich gefragt, wie ich Mitarbeitende besser einbinden kann. Und ich hatte das Gefühl, dass ich die jüngere Generation nicht mehr verstehe.« Das Projekt habe er über ein anderes Unternehmen kennengelernt - und sich davon versprochen, Anregungen zu bekommen.

Das ist nun eine Weile her, das Projekt läuft bereits und die ersten daraus entstandenen Maßnahmen sind umgesetzt worden, berichten Wissler und Stangl. Dabei gab es am Anfang eine gewisse Skepsis, erzählt Eva Stangl, die im Unternehmen für Verwaltung und Personal verantwortlich ist. Ob es eine Maßnahme sei, um Stellen abzubauen oder um bessere Verkaufsstrategien zu entwickeln?, hätten sich einige gefragt. Nein: »Es geht um das Wohlbefinden der Mitarbeiter«, sagt Eva Stangl - und damit letztlich um ein gutes Betriebsklima und die Zukunftsfähigkeit.

Die Idee hinter »INQA«, sagt Wissler, sei der Grundgedanke, dass Unternehmen nur dann erfolgreich sein könnten, »wenn die Vielfalt und Schwarmintelligenz der Mitarbeitenden genutzt wird«.

Zu Beginn haben daher alle 50 Mitarbeitenden Fragebögen zur Situation und Zufriedenheit am Arbeitsplatz ausgefüllt - die Verkäufer und Servicemitarbeitenden ebenso wie die Verwaltungsmitarbeitenden, Reinigungskräfte und Lagermitarbeitenden. Anhand der Ergebnisse - was sie sich wünschen, was verbessert werden müsse, was bleiben solle - habe eine Projektgruppe aus 17 Teilnehmenden 18 Maßnahmen entwickelt, die im Unternehmen umgesetzt werden sollen.

Zum Beispiel der Wunsch der Mitarbeitenden aus dem Lager: »Sie haben sich neue Stapler und Mitspracherecht bei der Auswahl gewünscht«, sagt Stangl. Das sei ein schönes Beispiel für den Prozess. Denn, sagt der Geschäftsführer: »Wir haben die ganzen Jahre immer entschieden, was für sie das Beste ist.«

Zwei Jahre Zeit für Veränderungen

Dabei fanden die, die täglich mit den Staplern arbeiten, andere Modelle besser. Ja, sagt Stangl, zuerst habe es Diskussionen gegeben - vor allem wegen der Finanzierbarkeit und der Machbarkeit. Denn bisher hatten die Mitarbeitenden Seitenstapler, sie wollten aber Frontstapler, berichtet Stangl. »Sie haben die ganze Halle vermessen und den Beweis angetreten, dass man dort mit Frontstaplern arbeiten kann.« Auch in finanzieller Hinsicht sei ein Kompromiss gefunden worden. Inzwischen seien die neuen Stapler im Einsatz.

Anderes Beispiel: Die Reinigungskräfte haben sich neue Reinigungsmittel gewünscht. Gesünder und nachhaltiger sollten sie sein. Auch hier wieder: »Bis dato haben wir uns darüber gar keine Gedanken gemacht, sondern einfach bestellt.« Nun bestellen die Reinigungskräfte selbst.

Doch nicht alle Maßnahmen seien so einfach und schnell umzusetzen. Viele bräuchten Zeit. Ein Thema sei bspw. die Zeiterfassung gewesen - die gebe es zwar, solle jedoch transparenter gestaltet werden. Auch Punkte wie Digitalisierung und Arbeitsorganisation sollen angegangen werden.

Das Unternehmen hat insgesamt zwei Jahre Zeit, um die Maßnahmen umzusetzen. Wissler begleitet den Prozess insofern, als sie regelmäßig im Unternehmen vorbeikommt, sich sowohl bei der Geschäftsführung als auch bei den Mitarbeitenden über die Fortschritte informiert.

Aus Erfahrung wisse sie, dass Mitarbeitende, die an ihrem Arbeitsplatz mitbestimmen können, zufriedener sind. Deswegen sei es gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel wichtig, alte patriarchale Unternehmensstrukturen aufzubrechen. Denn: »Jeder, der zufrieden ist, überlegt sich drei Mal, ob er kündigt.«

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