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»Enkeltrick«-Betrüger auf frischer Tat ertappt

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© dpa

Butzbach/Friedberg (lk). Das Leben muss ihm gemein vorkommen: Da lebt er gerade erst seit einigen Monaten in Deutschland, und schon schickt ihn das Friedberger Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Dr. Markus Bange ins Gefängnis.

Der Grund: Der 22-Jährige hatte versucht, eine 52-Jährige aus Griedel um 4500 Euro zu erleichtern. Mit einer Vorgehensweise, die der Richter während der Urteilsbegründung als »niederträchtig« bezeichnete, denn der Litauer ist ein »Enkeltrick«-Betrüger. Gemeinsam mit einem Komplizen hatte er der 52-jährigen Russin vorgegaukelt, ihr Sohn habe ein Kind angefahren, das nun Geld für eine Operation benötige. Die Griedelerin hatte Glück im Unglück: Der Schwiegervater ihres Sohnes bemerkte rechtzeitig, dass Kriminelle am Werk sind.

»Ich bereue wirklich sehr, was passiert ist«, ließ der Angeklagte über eine Dolmetscherin während der Verhandlung vor dem Friedberger Schöffengericht mitteilen. Doch die späte Reue brachte dem jungen Mann nichts: Der 22-jährige Gebäuderestaurateur aus Litauen muss wegen besonders schweren Betruges für 18 Monate ins Gefängnis. Das Gericht sah es nach der Beweisaufnahme als erwiesen an, dass der Angeklagte ein »Enkeltrick«-Betrüger ist.

Ein Komplize des Angeklagten – oder er selbst – hatte der 52-Jährigen aus Griedel im April am Telefon vorgegaukelt, ihr Sohn zu sein. Er habe ein Mädchen angefahren, das müsse nun dringend operiert werden. 16 000 Euro koste die medizinische Behandlung. Die Eltern des Kindes seien erst kurz in Deutschland und daher nicht versichert. Sie solle das Geld besorgen, sagte der vermeintliche Sohn, bevor er das Telefon an seinen angeblichen Anwalt weiterreichte, der die 52-jährige Russin weiter unter Druck setzte. Sie sagte ihm, keine 16 000, sondern nur 4500 Euro zu haben. »5000 Euro müssten es schon sein«, habe der angebliche Anwalt ihr gesagt. Die Frau legte daraufhin auf, um den Schwiegervater ihres Sohnes anzurufen und diesen um die fehlenden 500 Euro zu bitten. Er habe ihr zugesagt, das Geld sofort vorbeizubringen. Kaum hatte die 52-Jährige aufgelegt, klingelte das Telefon erneut. Wieder war der vermeintliche Anwalt dran, der ihr mitgeteilt habe, der Buder des angefahrenen Mädchens komme bei ihr vorbei, um das Geld zu holen. Noch während sie mit dem Betrüger telefonierte, kreuzte der 22-jährige Litauer bei der Frau auf.

Er unterschrieb eine von der Frau nach Anweisungen des vermeintlichen Anwalts erstellte Quittung und wollte soeben die Wohnung samt den 4500 Euro verlassen, als der Schwiegervater ihres Sohnes heraneilte, um die versprochenen 500 Euro zu bringen. Der Mann bemerkte, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Zeitgleich kam noch der tatsächliche Sohn der Griedelerin hinzu – er wohnt mit Frau und Kindern in einer Wohnung auf der gleichen Etage wie seine Mutter. Gemeinsam mit seinem Schwiegervater hielt er den 22-Jährigen fest, nahm ihm sein Mobiltelefon und die 4500 Euro ab und informierte die Polizei, die den jungen Mann sofort mit auf die Wache nahm. Noch am Abend wurde er dem Haftrichter vorgeführt, seither sitzt der schlanke, großgewachsene Litauer in Untersuchungshaft.

Während der Verhandlung räumte der Angeklagte ein, das Geld zwar im Auftrag eines Freundes geholt, von einer Straftat jedoch nichts gewusst zu haben.

Die Geschädigte sagte im Zeugenstand, ihr sei nach dem Vorfall schlecht geworden. Sie habe ins Krankenhaus gemusst, wo ihr ein Beruhigungsmittel verabreicht worden sei.

Richter Dr. Markus Bange wies darauf hin, dass im Auszug aus dem deutschen Bundeszentralregister keine Vorstrafen des Angeklagten vermerkt sind. Dann plädierte Staatsanwalt Dr. Benjamin Krause. Er forderte, den Angeklagten für den gewerbsmäßigen Betrug zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten zu verurteilen. Die Strafe solle nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Nach Darstellung von Staats anwaltschaft und Polizei werden »Enkeltrick«-Betrüger im Übrigen sehr selten geschnappt. Pflichtverteidigerin Stephanie Busanni sprach sich für eine neunmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung aus.

Richter Bange verurteilte den Litauer schließlich zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe – ohne Bewährung. Es gebe keine vernünftigen Zweifel daran, dass der 22-Jährige die Tat begangen habe, sagte der Richter. Die Tat sei niederträchtig und zeuge von einer massiven kriminellen Energie. Eine günstige Sozialprognose, die es für eine Bewährungsstrafe gebraucht hätte, könne er dem Angeklagten nicht attestieren. »Mit sowas bringt man die Leute an den Rand des Zusammenbruchs.« (Foto: Eva-Maria Roßmann/pixelio)

So gehen die Täter vor:

Wenn falsche Enkel, Söhne oder Nichten bei meist älteren Menschen anrufen und um Geld bitten, dann spricht die Polizei von einem sogenannten Enkeltrick. Die Masche: Die Betrüger tischen ihren Opfern am Telefon eine Geschichte über angebliche Nöte der Verwandten auf, weswegen diese sofort eine größere Summe Bargeld brauchen.

Die Situation wird nach Angaben der Polizei immer als besonders dringend dargestellt, mitunter werden die Opfer mit mehreren Anrufen weiter unter Druck gesetzt. Wenn diese dann zustimmen, Geld zu zahlen, erscheint ein Bote vor der Tür. Täter hätten mit diesem Trick schon Summen im fünfstelligen Bereich ergaunert, so die Polizei. (lhe)

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