Autoimmunerkrankung: Wenn nichts mehr geht

Seit mehr als einem Jahr leidet die 18-jährige Juline aus Butzbach an einer Autoimmunerkrankung. Sie hat starke Schmerzen, ist zu nichts fähig. Ihre Hoffnung ist eine Art Blutwäsche.
Heute geht es ihr schlecht«, sagt Julines Mutter am Telefon. »Sie kann sich nicht auf ein Gespräch konzentrieren. Das erschöpft sie zu sehr.« Wir warten auf einen der selteneren Tage, an dem sie sich wohler fühlt. Dann erzählt sie, schwach, aber unendlich tapfer und hoffnungsvoll.
Im September 2021 begann die 18-Jährige die Ausbildung zur Konditorin, ihr Traumjob, als sie nach der zweiten Corona-Impfung erkrankte. Kopf- und Gelenkschmerzen, geschwollene Finger, schwere Beine, Juline fühlte sich total erschöpft. Irgendwann tat ihr der Kiefer so weh, dass sie kaum sprechen konnte. Als sie einen Arzttermin haben wollte, wurde ihr am Telefon ein Schmerzmittel empfohlen.
Durch glücklichen Zufall erfuhr Juline von Dr. Karin Krause in Gambach. Die Ärztin nahm ihre Beschwerden ernst und veranlasste Blutuntersuchungen. Das Ergebnis war ein Schock für die junge Frau: Systemischer Lupus Erythematodes (SLE), eine Autoimmunerkrankung, die Gelenke und innere Organe betreffen und Ausschlag im Gesicht hervorruft. Die unbeschreibliche Erschöpfung (Fatigue - CFS), die eiskalten Hände und Füße mit der Blaufärbung (Raynaud-Syndrom), alles passte zusammen. Aber wo lag die Ursache?
Patientin muss Therapie abbrechen
Die Ärztin ließ Julines Blut auf G-proteingekoppelte Autoantikörper untersuchen, wie sie nach Covid-Infektionen oder Impfungen im Blut nachzuweisen sind. Auch hier war das Ergebnis eindeutig positiv, allerdings hatte Juline wissentlich nie eine Covid-Infektion. Es musste an der Impfung liegen, was zum zeitlichen Rahmen passte. Zu allem Übel vertrug sie die dringend notwendigen Lupus-Medikamente nicht und musste die Therapie abbrechen.
Dr. Krause erzählte ihr von der Immunadsorption. Dabei wird Blut wie bei einer Dialyse über ein Filtersystem geführt. Die Auto-Antikörper werden herausgefiltert, das gereinigte Blut dem Körper wieder zugeführt. Juline: »Das ist meine einzige Chance, mein Leben zurückzugewinnen, denn für das Post-Vaccine-Syndrom gibt es derzeit keine alternativen Therapien, die die Ursache bekämpfen.« Inzwischen hat sie den ersten Zyklus mit fünf Behandlungen in einer Kölner Tagesklinik abgeschlossen. Besser geht es ihr noch nicht, weitere Behandlungen sind notwendig. Dabei unterstützt sie die ganze Familie und hofft, dass Juline in ihr altes Leben zurückfindet.
Auf einer Skala von eins bis zehn bezeichnet Juline ihren Zustand jetzt bei zwei bis drei - an guten Tagen. »Mit den Schmerzen kann ich umgehen, aber Erschöpfung, innere Kälte, Herzrasen und Krämpfe im Brustmuskel, das ist furchtbar.« Ihre Mutter ist beruflich mit medizinischen Vorgängen vertraut und unterstützt sie, wo es nur geht.
»Ende Dezember, Anfang Januar stehen die nächsten vier Behandlungstage in Köln an. Wir müssen ein Hotelzimmer nehmen, weil die Behandlung ambulant durchgeführt wird und sehr anstrengend ist. Niemand kann das alleine bewältigen. Dazu kommt die lange Fahrt«, erklärt die Mutter. »Das teuerste ist der Filter für zehn Behandlungen, den wir selbst zahlen müssen. Dazu kommen die Behandlungen selbst, Laborkosten, Begleitmedikamente, Vitamine. Mit Nebenkosten kamen wir auf 16 000 Euro für den ersten Zyklus.«
Deshalb hat sich Juline entschieden, eine Spendenaktion zu starten. »Wir haben unglaublich viel Zuspruch erhalten. Inzwischen sind 25 000 Euro auf dem Konto«, bedanken sich Mutter und Tochter. »Mein größter Wunsch ist wieder zu arbeiten. Ich vermisse das so sehr. Und dann möchte ich wieder in der Buchhandlung stöbern und mit Freunden weggehen. Eben was junge Mädchen gerne machen.«
Juline und ihrer Mutter geht es auch darum, andere Patienten und die Öffentlichkeit auf den Missstand aufmerksam zu machen. So großartig wie ihre Ärztin reagierte, verhielten sich nicht alle Mediziner. »Es ist das Schlimmste, was man den Menschen antun kann, sie nicht ernst zu nehmen, obwohl man inzwischen viel über Post-Covid- und das Post-Vac-Syndrom weiß«, sagt Dr. Karin Krause.
Ärztin: Patienten ernst nehmen!
Krause hat beobachtet, dass unter ihren Patienten in den letzten zwei Jahren vermehrt Autoimmunerkrankungen auftraten, wo es einen Zusammenhang mit dem Spike-Protein als Auslöser gibt. Das Gleiche gelte für CFS. »Die Betroffenen müssen von uns Ärzten mehr Aufmerksamkeit und Gehör bekommen und nicht, wie so oft, als psychisch erkrankt abgestempelt werden.« Juline und viele andere kämpfen mit einer noch wenig wissenschaftlich belegten Situation. »Ich wünsche mir, dass es mir bald besser geht, jeden Tag ein bisschen«, hofft Juline. Und viele Spenderinnen und Spender hoffen mit ihr.
Wer für Juline spenden möchte, informiert sich unter https://www.spendenseite.de/spenden-f-252-r-julines-immunadsorption/-49321.
Zahlung der Behandlung ist Einzelfallentscheidung der Kassen
Zur Kostenübernahme im Fall von Justine äußert sich die Kassenärztliche Vereinigung Hessen wie folgt: »Die Plasma Exchange Therapie (Immunadsorption) stellt eine stationäre Notfalltherapie dar. Also akute Intoxikationen oder lebensbedrohliche Myasthenia gravis-Anfälle (Anm. d. Red.: gestörte Kommunikation zwischen Nerv und Muskel). Aus medizinischer Sicht ist zu raten, die Erstattungsfrage mittels off label use Antrag zu klären und es ist am Ende eine Einzelfallentscheidung der Krankenkasse.« In zwei aktuellen Beschlüssen hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im November die Versorgungssituation von Patienten mit Chronischem Fatigue-Syndrom beleuchtet und eine gegenüber der bisherigen Versorgung erweiterte Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung bejaht.
