45-jähriger Butzbacher wird »Opfer seiner Sucht«
Butzbach/Friedberg (lk). In Butzbach gibt es einen Dealer weniger. Dafür hat am Dienstag das Friedberger Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Dr. Markus Bange gesorgt, indem es einen 45-Jährigen des gewerbsmäßigen Handeltreibens und unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in zig Fällen schuldig gesprochen hat.
Der Mann muss für drei Jahre und sechs Monate hinter Gitter. Der Butzbacher Familienvater mit türkischen Wurzeln hatte die Taten zuvor gestanden. Er war bis vor kurzem selbst hochgradig drogenabhängig, hatte seinem Körper monatelang Heroin, Kokain, Haschisch, Ecstasy und Speed zugemutet.
Mustafa A. (Name geändert, die Redaktion), ein schmächtiger und auf Krücken angewiesener Mann, betrat den Gerichtssaal in Fußfesseln. Seit seiner Festnahme im Mai sitzt der 45-Jährige bereits in Untersuchungshaft.
»Ich kam aus der Sache nicht mehr raus und bin echt froh, dass ich heute hier bin. So habe ich die Möglichkeit neu anzufangen«, sagte der Mann, kurz bevor das Gericht ihn zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilte. Zuvor hatte Mustafa A. die Vorwürfe der Anklageschrift eingeräumt. Zwischen Oktober 2011 und Mai dieses Jahres hatte er in 14 Fällen in Frankfurt jeweils etwa 100 Gramm Haschisch gekauft, ein weiteres Mal 200 Gramm der Droge. In Gießen hatte er bei Dealern namens »Ben« und »Anton« mehrfach rund fünf bis 20 Gramm Kokain und in 14 Fällen jeweils 20 bis 50 Gramm Heroin gekauft.
Zudem hatte er einmal bei den Gießener Dealern rund 200 Gramm Heroin auf Kommission erworben, das er für den eigenen Konsum und Weiterverkauf streckte. Hinzu kommt, dass er sich bei Drogenhändlern in Frankfurt 200 Gramm Amphetamin sowie Dutzende Ecstasy-Tabletten besorgte.
Einen Teil des Drogen-Potpourris konsumierte A. selbst, den anderen verkauft er, um die eigene Sucht und die seiner Freundin zu finanzieren. Aufgeflogen war er, weil seine Freundin nicht zu einem Verhandlungstermin bei Gericht erschienen war und die Polizei die beiden daraufhin aufgesucht hatte. Den Ermittlern bot sich ein ungewöhnliches Bild. »Da haben die Lebensmittel nicht mehr in die Küche gepasst, weil alles voll war mit Drogen«, sagte Richter Bange mit Blick auf die Fotos, die ihm von der Wohnung der beiden vorlagen. »Ja, wir hatten einen krassen Konsum«, bestätigte Mustafa A., der erklärte, wie er in die Drogensucht geraten war. Er habe sich 2010 mit einem Bekannten selbstständig gemacht, doch die Gesellschaft sei gescheitert. Die daraus resultierenden Schulden habe er mit zwei 400-Euro-Jobs als Gebäudereiniger begleichen wollen.
Nach einigen Monaten sei es ihm körperlich schlecht gegangen, er habe die Schmerzen erst mit Tabletten bekämpft und später dann zu Drogen gegriffen. Er sei bereit, eine Therapie zu machen, sagte der Angeklagte, bevor Richter Bange das Vorstrafenregister des Mannes verlas. A., dessen kriminelle Karriere 1982 begonnen hat, kennt sich sowohl mit Diebstahl als auch mit schwerem Raub aus. Zudem saß er bereits mehrfach wegen Drogenerwerbs und -besitzes auf der Anklagebank.
Staatsanwalt Dr. Philipp Stein sprach sich für eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten aus. »Menschen wie Sie sind eine Geißel für anfällige Leute in der Region«, sagte Stein zum Angeklagten, dem er lediglich sein Geständnis und die Therapiebereitschaft zugute hielt. Verteidiger Markus Frank plädierte auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Sein Mandant sei von Geburt an behindert und habe Familie, weshalb er besonders haftempfindlich sei. Zudem sei A. ein Opfer seiner eigenen Sucht.
Richter und Schöffen entschieden dann, wie von Stein beantragt. »Sie hatten ja alles auf Lager, was es an Drogen gibt«, sagte Richter Bange, der betonte, das Gericht habe keinen Grund gesehen, die Strafe geringer ausfallen zu lassen.
Rauschgiftkriminalität in Butzbach
In Butzbach ist die Drogenkriminalität hoch. 2011 und 2012 gab es zwar mehrere große Verfahren gegen Dealer, die in der Stadt gelebt haben und jetzt das Gefängnis ihr Zuhause nennen müssen, aber dennoch nimmt Butzbach in punkto Rauschgiftkriminalität im Wetteraukreis weiter einen traurigen Spitzenplatz ein. 2010 hatte die Polizei dort 122 Fälle von Drogenkriminalität erfasst, davon konnten 119 aufgeklärt werden. 2011 waren es 84 Fälle, in denen die Polizei aktiv wurde, 82 davon klärte sie auf. Zum Vergleich: In Friedberg – das weit mehr Einwohner hat – waren 2010 genau 76 Fälle (75 aufgeklärt) und ein Jahr später 67 Fälle (61 aufgeklärt) erfasst worden.
Doch worin liegt die Ballung der Drogenkriminalität in Butzbach begründet? »Ein Grund könnte sein, dass es dort einen Arzt gibt, der Methadon verschreibt und auf diesem Weg ein gewisses Klientel sowie Dealer angezogen werden«, sagt Polizeipressesprecher Jörg Reinemer. Zudem liege Butzbach verkehrsgünstig, nämlich in Autobahnnähe. Über den Bahnhof lasse sich zudem Frankfurt schnell erreichen. (lk)