Stadtführung: Von Beinschrauben und Streckgalgen
Büdingen (geo). Es ist eine nachdenkliche Führung, die man von TheodoBo-Theater ohne doppelten Boden nicht gewohnt ist: Die historische Themenführung »Hexenwerk und Hexenwahn« greift ein düsteres Kapitel der Büdinger Stadtgeschichte auf. Denn im 16. und 17. Jahrhundert wütete auch in Büdingen die Hexenverfolgung. 40 Teilnehmer lauschten gebannt den Ausführungen.
Der Hexenverfolgung vorausgegangen war die »Kleine Eiszeit«, die Pest und der 30-jährige Krieg. »In dieser Zeit waren wir am Ende und fanden heraus, dass der Teufel schuld daran war und seine Helfershelfer unter uns waren«, erzählte Katharina Wagner, die Frau des Hufschmieds, alias Sylvia Oster, den 40 Teilnehmern, die sich vor dem Jerusalemer Tor versammelt hatten. Oster selbst hat für die Führung umfangreich recherchiert. Sie befasste sich mit Heinrich Kramers »Hexenhammer« und führte die Teilnehmer an Plätze, die im Zusammenhang mit den Hexenprozessen stehen.
In Büdingen kamen viele Frauen auf die Liste des Amtmannes Johann Hartlieb. Sie wurden der Hexerei beschuldigt, angeklagt und hingerichtet. Zwischen 1632 und 1634 sind 194 Menschen durch Hartliebs Rechtsprechung in der Grafschaft Isenburg ums Leben gekommen. »1633, als Christine Meurer, Wirtin des Gasthauses ›Zum Schwanen», der Hexerei angeklagt wurde, hat es 66 Prozesse in der Stadt gegeben«, sagte Oster. Meurer wurde freigelassen, musste jedoch die Stadt für immer verlassen.
Oster berichtete auch von der peinlichen Befragung mit Folter, bei der Beinschrauben und Streckgalgen eingesetzt worden waren. Am Ende der Rathausgasse, dem Treppenturm, las Oster den Brief des Gefangenen Caspar Ruß an seine schwangere Frau vor. Ruß, der unschuldig war, gestand unter Folter den Beischlaf mit einer Teufelin.
Osters Gegenpart war der Hofprediger Anton Praetorius alias Gerd Ungermann. In von Fackeln erleuchtetem, 20 Meter hohen und über vier Etagen reichendem Bollwerk berichtete er von jenen Frauen, die als Hexen angeklagt und hingerichtet worden waren.
Oster war die Rolle der Katharina Wagner auf den Leib geschrieben. Sie ließ auch dem Aberglauben Raum und machte so deutlich, wie es zu den Hexenprozessen kam. Eine Kuh, die nicht mehr kalbt, die katastrophale Hungersnot, die Pest – da musste nach damaligem Verständnis der Teufel seine Finger im Spiel haben. Wagner erzählte vom Gefängnis, das einst über der alten Markthalle untergebracht war, und den tiefen Einkerbungen an der Südseite der Marienkirche. »Eine Legende sagt, dass der Teufel seine Klauen an die Kirche schlug.«
Weitere Informationen zur Führung – die nächste ist am 26. April um 19.30 Uhr – gibt es unter Telefon 0 60 42/9 63 70.