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Gauland und Co.: Feindbilder statt Konzepte

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Von: Oliver Potengowski

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Wieder einmal nutzte die AfD das Haus Sonnenberg in Büdingen für den Auftritt ihrer Parteiprominenz. Und wie bei früheren AfD-Veranstaltungen protestierten vor der Halle die Gegner.

Inhaltlich gab es beim AfD-Wahlkampfauftakt wenig Überraschungen. Was in der Nacht zuvor bereits beim Fernsehduell der französischen Präsidentschaftskandidaten aufgefallen war, zeigte sich auch im kleinen Rahmen: Populismus braucht keine Konzepte. Man begnügt sich damit, den politischen Gegner zu diffamieren und sich die vermeintlich gute alte Zeit zurückzuwünschen. Vielleicht ist auch deshalb das Haus Sonnenberg in Büdingen ein idealer Rahmen für die Auftritte der Partei. Es wirkt in seiner Ausstattung, als sei es in den 80er Jahren stehen geblieben. Wären die Stühle nicht so zierlich, man könnte sich vorstellen, Franz-Josef Strauß habe bei seinem Besuch in Büdingen schon auf ihnen gesessen.

In dieser die historischen Realitäten verklärenden Nostalgie (die auch als krank machendes Heimweh beschrieben wird), bedient sich die AfD gerne beim politischen Gegner – bei den 68ern und den Grünen. Sie hatten einst gesagt, die Menschen haben die Welt nur von den Kindern geliehen. »Wir müssen sie unseren Kindern so weitergeben, wie wir sie bekommen haben«, fordert heuer der 76-jährige Gauland. Deutschland so zu konservieren, sei aber »nicht möglich, wenn Fremde hier herkommen, die keinerlei kulturelle Bindung an dieses Land haben«.

Er schildert eine angebliche Begegnung mit einer Frau, die in Berlin nicht mehr mit der S-Bahn fahren wolle. Sie sehe nur noch Menschen mit Kopftüchern, habe sie geklagt. »Kommen Sie mal nach Offenbach«, schallt es dem AfD-Mann aus dem Publikum.

Gauland will nicht in Angst leben

»Homogenität einer Gesellschaft ist die Basis für Vertrauen«, doziert der Spitzenkandidat. »Einem Fremden vertraut man nicht so leicht«, erklärt er, dass den Vorbehalten gegen Migranten gar keine reale Gefahr gegenüberstehen muss. Er schürt diese Angst, indem er auf die seinen Quellen nach hohe Verbrechensrate der Migranten verweist. »Den hohen Anteil der Nordafrikaner am Anstieg der Kriminalitätsrate konnte nicht mal De Maziere verschweigen«, führt er die vom Innenministerium präsentierte Statistik an. In Sachsen sei ein Prozent der Zuwanderer für 40 Prozent der Straftaten von Migranten verantwortlich, erklärt Gauland.

Außerdem registriere die größte inhabergeführte Parfümeriekette 300 Ladendiebstähle am Tag. Gauland erläutert nicht, auf wie viele Filialen sich diese Zahl bezieht und wie viele der Täter Deutsche sind. In Büdingen stellten Einzelhändler, als sie nach der Eröffnung der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge Ladendetektive einsetzten, mit Erstaunen fest, dass, die meisten Diebe eben keine Flüchtlinge waren.

Doch um solche Tatsachen geht es weder der AfD noch ihrem Publikum. Stattdessen soll die Angst vor dem Fremden und der Veränderung mit den vermeintlichen Gefahren beschworen werden. »Wir müssten mit der Angst leben lernen«, zitiert Gauland Politiker nach den jüngsten Terroranschlägen. »Das hatte ich nicht vor. Ich wollte ein sicheres Land«, widerspricht er.

Ähnlich wie der frühere CSU-Mann Bendels Strauß als politisches Vorbild darstellt und immer wieder zitiert, bezieht sich Gauland gerne auf einstige Größen der Hessischen CDU. »Alfred Dregger und Manfred Kanther hätten diese Bundeskanzlerin Mores gelehrt«, behauptet er. Kanther hatte seinerzeit illegale Spenden an die CDU als »jüdische Vermächtnisse« getarnt.

Bendels bekommt Beifall für seine Forderung, »die staatliche Förderung des Gender-Irrsinns«, die für »die unerträgliche Marginalisierung der Ehe zwischen Mann und Frau« verantwortlich sei, zu beenden. Zugleich ist ein Lebensentwurf, wie der der homosexuellen Spitzenkandidatin Alice Weidel, nur durch diese Liberalisierung möglich.

Das Thema Familienförderung kommt auf eine Nachfrage aus dem Publikum zur Sprache. Eine Bedingung für einen »Bevölkerungsaustausch«, vor dem Gauland warnt, seien die niedrigen Geburtenzahlen der Deutschen. Dem Spitzenkandidaten fällt dazu nur ein, dass es viele Ursachen gebe, »die Sie politisch nicht beeinflussen können.« Die Bundestagskandidatin für den Wahlkreis 175, Mariane Harder-Kühnel, springt ihm bei und umreißt ein Steuerkonzept, bei dem die Aufteilung des Familieneinkommens auf alle Mitglieder zur Steuerentlastung führen würde. Es bleibt der einzige nennenswerte konstruktive programmatische Ansatz des Abends.

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