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Sylvia Harbig verlässt Vilbeler SPD-Ortsverein

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Von: Christine Fauerbach

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SPD-Politikerin Sylvia Harbig hat den Ortsverband Massenheim verlassen - auch, weil Frauen dort kein Gehör finden würden, wie sie sagt. Die beiden stellvertretenden SPD-Vorsitzenden bestreiten das. © Christine Fauerbach

Schon seit 1988 ist Sylvia Harbig SPD-Mitglied, seither politisch in der Stadt und im Wetteraukreis aktiv. Jetzt hat die Genossin den Ortsverein gewechselt. Enttäuschung und Verärgerung über das Verhalten und mangelnde Unterstützung aktiver Parteimitglieder nennt sie als Gründe. Die Vorwürfe wollen Lucia André und Mirjam Fuhrmann, die beiden stellvertretenden Vorsitzenden der Bad Vilbeler SPD, aber nicht gelten lassen.

S chwierigkeiten oder kontroverse Meinungen hätten sie in der politischen Debatte nie abgeschreckt, sagt Sylvia Harbig. Wert lege sie auf Solidarität, Fairness und einen auf Respekt basierenden Umgang miteinander. Diesen vermisst die langjährige Massenheimer Ortsbeirätin, Stadtverordnete, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Magistratsmitglied und Kreistagsabgeordnete zunehmend in der Bad Vilbeler SPD. Sie zog ihre Konsequenzen, trat von allen Ämtern zurück und wechselte zum Ortsverein Harheim.

»In Bad Vilbel beobachte ich seit einigen Jahren eine Rückwärtsentwicklung, die sich nicht mit meinen Vorstellungen einer modernen SPD deckt. Machtansprüche einiger Genossen führten zu einer beengten, diskursfeindlichen Atmosphäre, die mir und anderen die Arbeit im Vorstand und der Fraktion vergällt haben«, so Sylvia Harbig. Sie bezeichnet sich als »feministisch, links, kritisch und eine, die gern Widerworte gibt«. Ihr Vorwurf: Anstelle von parteioffenen Vorstandssitzungen würden Entscheidungen im kleinsten Kreis getroffen. »Der zunehmend laute Umgangston, verbunden mit ironischem Augenrollen oder Wortabschneiden, vor allem gegenüber Frauen, war mir nicht erträglich.« Zu ihrem Bedauern habe die Parteiführung nicht hingesehen, Probleme einfach abgestritten. »Kritik wird grundsätzlich als destruktiv gewertet, Gespräche werden abgelehnt. Das hat für mich keine Zukunft.«

SPD-Frauen: Rein emotional

Lucia André und Mirjam Fuhrmann vom SPD-Vorstand zeichen ein anderes Bild: »In Vorstand und Fraktion herrscht ein absolut kollegiales, gleichberechtig-tes Miteinander. Für konstruktive und sachliche Kritik sind wir jederzeit offen, ist sie faktisch haltlos und rein emotional begründet, weisen wir diese zurück.«

Nicht nachvollziehbar war für Harbig die Entscheidung der Vilbeler Genossen ohne Vorsitzende/n in den Wahlkampf und die Koalitionsverhandlungen zu gehen. Die beiden stellvertretenden Vorsitzenden erklären dazu, dass der gesamte Vorstand nach dem plötzlichen Ausscheiden von Horst Seißinger ein Jahr vor der Kommunalwahl beschlossen habe einen »gemeinsamen Wahlkampf auf Augenhöhe zu führen mit uns beiden an der Spitze. Dies hat wunderbar funktioniert.«

Harbig wurde überstimmt. Sie war gegen eine Koalition mit der CDU in Bad Vilbel. »Der Koalitionsvertrag mit der erzwungenen Einbindung der Ortsbeiräte, dem auch gleich zwei sehr aktive Genossen/innen geopfert wurden, hat meine Befürchtungen bestätigt. Die SPD sollte ein Gegengewicht zur CDU-Politik bilden«, betont sie. André und Fuhrmann kontern: »Es ist in einer Demokratie üblich, dass Mehrheiten, wenn sie der Wähler nicht direkt herbeiführt, in Koalitionsverhandlungen entstehen und durch Verträge besiegelt werden.« Der Ortsvereinsvorstand habe den ausgehandelten Koalitionsvertrag der Mitgliederversammlung zur Abstimmung vorgelegt. »Ihm haben 70 Prozent der anwesenden Mitglieder zugestimmt.« Es sei nicht ungewöhnlich im parteipolitischen Alltag, dass jemand aus welchen Gründen auch immer Konsequenzen ziehe - beispielsweise, wenn man keine Mehrheiten für seine Position finde. »Der eine kann mit solchen demokratischen Entscheidungen umgehen und arbeitet weiter für seine Ideale, der andere sucht Gründe und dann gegebenenfalls das Weite«, schreiben die SPD-Vorstandsfrauen.

Sollen Frauen unsichtbar werden?

Ob die Bad Vilbeler SPD bei anstehenden Großthemen wie Segmüller, Megabad oder Spring Park Valley die Möglichkeit haben werde, sich einzubringen, bezweifelt Sylvia Harbig. Frauenpolitische Themen gehörten zu den Schwerpunkten ihres politischen Engagements. »Für sie und soziale Gerechtigkeit brenne ich. Im Wetteraukreis sind bei der SPD starke Frauen an der Spitze«, findet sie.

Sylvia Harbig ist als Anstaltbeirätin in der JVA Butzbach und als Patientenfürsprecherin im Hochwaldkranken-haus aktiv. Ärgerlich findet sie es, dass Frauen zwar als aktive Wahlkämpferinnen und Gatekeeper gewünscht seien, aber »danach sollen sie dezent zurücktreten und politisch unsichtbar in Presse und Öffentlichkeit werden«.

Auch das wollen die SPD-Vorstandsfrauen so nicht stehen lassen: »Wir weisen in aller Schärfe die Vorwürfe gegen die Frauen zurück, die auf der Liste für die SPD kandidiert haben. Wir möchten betonen, dass der Vorstand paritätisch besetzt ist und uns wirklich jede/r willkommen ist, egal welchen Geschlechts oder welcher Herkunft. Die einzige Bedingung ist, dass man akzeptiert, wenn man eine demokratische Abstimmung auch mal verliert.«

Trotz ihres Wechsels nach Frankfurt will Sylvia Harbig in Bad Vilbel weiter aktiv gegen gruppenbezogene Menschen-feindlichkeit, alltäglichen Rassismus, Sexismus und rechte Tendenzen sein. »In Massenheim erhielten die AfD-Kandidaten/innen jeweils mehr Stimmen als der Fraktionsvorsitzende der SPD. Darüber muss man sich Gedanken machen.« Zwar widerspreche die aktuelle Politik der SPD Bad Vilbel ihren Überzeugungen zutiefst, aber »ich bin und bleibe SPD-Mitglied. Ich bin überzeugt von den Grundwerten der Partei. Für mich steht Sozialdemokratie für eine soziale und gerechte Politik, die allen Menschen gleichberechtigt Teilhabe in der Gesellschaft ermöglichen will.« cf

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